Hanau-Gedenken in Berlin: Erinnern heißt verändern
Polizei, Ressentimentpolitik und auch die Medien Marke Springer – sie sind mit verantwortlich für das rassistische Klima. In Berlin gibt es Demos.
S o schnell war die Springerpresse da wieder. In der Nacht zum Montag schoss ein Unbekannter in Halensee auf ein einparkendes Auto, und der Springersche „Nachtfloh“ twitterte sogleich: „Wieder Schüsse im Berliner Clan-Milieu“.
Von der Polizei hatte „BERLINS HÄRTESTE POLIZEIREDAKTION“ (Großbuchstaben im Original) den Zusammenhang zwischen den realen Schüssen und dem Buzzword „Clan-Milieu“ nicht. Zumindest behauptete die Polizei das wenig später.
Doch wie ein Sack freigelassener (Nacht-)Flöhe hüpfte die „Nachricht“ bereits durch die digitale Welt, und schon waren die ersten Klicks kassiert. Wie nun aber noch mehr Wind erzeugen mit einem Fall, über den fast noch nichts bekannt ist?
Springers Strategie: Im Tweet jene Berliner Law-and-Order-Gernegrößen verlinken, denen jede „Clan-News“ in die politische Agenda passt, ob sie nun wahr ist oder nicht. Denn vielleicht lassen sich Tom Schreiber (SPD), Burkard Dregger oder Falko Liecke (beide CDU) ja zu einem vorschnellen Statement hinreißen. Das gäbe dann neue „Clans-News“ und noch mehr Klicks – ganz ohne die mühsame Verifizierung von Fakten.
Selbstgemachte „Clan-News“
Wenn es in der Vergangenheit gerade keine Springer-„Clan-News“ gab, hat Liecke übrigens schon von sich aus welche produziert. Und selbst die Coronapandemie weiß der Neuköllner Gesundheitsstadtrat zu nutzen, um islamfeindliche Ressentiments zu schüren.
Wenn Sie jetzt beim Lesen gestolpert sind und sich geärgert haben, dass hier wiederum „Clan“ und „Islam“ in einen vorschnellen Zusammenhang gebracht wurden, dann alle Achtung. Ressentimentempfänglichen Menschen würde das nicht auffallen.
Auch bei Springer gehörten „Clan-News“ schon vor einem Jahr zum Markenkern. Bereits zwei Stunden nach den rassistischen Morden an Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nessar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov berichtete Bild mit einer Live-Sendung aus Hanau.
Deutschland der Krokodilstränen
Mit wachsender Sicherheit wurde dabei spekuliert, dass es sich vermutlich um Taten in einem „kriminellen Milieu“ handele. „Es kann ja auch sein, dass die Betreiber der Bars schlicht und ergreifend kein Schutzgeld bezahlen wollten“, war da zu hören, und schon waren in Kombination mit der Chiffre „Shisha“ die rassistischen Flöhe aus dem Sack.
„Deutschland weint um euch.“ So titelte die Bild am Tag danach. Doch das „Clan-News“-Business, das in den Jahren zuvor den Hass des Täters gefüttert hatte, ging weiter bis zum heutigen Tag. Und noch immer dürfen über 1.000 Rechtsextreme in diesem Deutschland der Krokodilstränen Waffen besitzen.
Hoffnung können allein die Angehörigen, Freund*innen und Überlebenden machen, die in den letzten zwölf Monaten die Erinnerung an Hanau wach gehalten haben. Diejenigen, die der latent rassistischen Mehrheitsgesellschaft nicht den Rücken zugewandt, sondern ihren Verlust und Schmerz in Aufklärungs-, Bildungs- und Recherchearbeit von unten gesteckt haben.
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Während Springer weiter das Ressentiment befeuert und darin die Polizei noch überholt, während die Schreibers, Dreggers, Lieckes weiter ihr gefährliches Spiel treiben, halten jene, deren Kinder und Geschwister dem Hass zum Opfer fielen oder von ihm bedroht sind, die Fehler von Polizei und Politik in der Aufmerksamkeitsökonomie. Gerade in Berlin, gerade in Neukölln sollten sie am Jahrestag des Attentats die größtmögliche Rückendeckung bekommen. Denn rechter Terror ist auch hier ein Thema.
Gedenken in Berlin
In Neukölln, in Kreuzberg und im Wedding werden Gedenkorte die Möglichkeit zum gemeinsamen Erinnern geben (Freitag, 19. Februar, ab 16 Uhr, Rathausplatz, Oranienplatz, Leopoldplatz). In Neukölln will einen Tag später eine Demo das Andenken in politische Forderungen übersetzen (Samstag, 20. Februar, 14 Uhr, S-Bahnhof Hermannstraße).
Denn, so heißt es in dem entsprechenden Aufruf: „Rassismus und rechte Vernichtungsideologien sind weder das Problem einer Handvoll, noch sind sie ausschließlich Randerscheinungen.“ Polizei, Ressentimentpolitik und auch die Medien Marke Springer – sie sind mit verantwortlich.
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