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Legaler Waffenbesitz für NeonazisSchwer bewaffnete Rechte

Rechtsextreme horten legal jede Menge Waffen. Das geht aus der Antwort des Innenministeriums auf die Anfrage einer Linken-Abgeordneten hervor.

In Deutschland besitzen mehr als tausend Rechtsextreme legal Waffen Foto: KS-Images.de/imago

Der deutsche Staat erlaubt 1.114 Rechtsextremen, deren Gesinnung ihm bekannt ist, den Besitz von Pistolen und Gewehren. Über die Zahl berichtete am Donnerstag Zeit Online, beim Innenministerium erfragt hatte sie ursprünglich die Linken-Abgeordnete Martina Renner.

Unter all den Statistiken über Rechtsextreme, ihre Organisationen und ihre Taten, die Woche für Woche über die Agenturticker gehen und nicht mehr immer angemessen aufzucken lassen, sticht diese Meldung hervor. Es ist ja nicht so, dass Rechtsextreme in Deutschland Waffen nur zur Jagd, fürs Schützenfest oder zur Dekoration besitzen. Ob beim Attentat auf Walter Lübcke oder beim Anschlag in Hanau mit zehn Ermordeten: In beiden Fällen waren Täter beziehungsweise Mittäter LEGALE Waffenbesitzer.

1.114 Rechtsex­treme mit Waffenbesitzkarte heißt: Das könnte sich wiederholen. Nazis könnten mit Waffen morden, deren Besitz dem Staat zuvor bekannt war, den er aber nicht zu verhindern vermochte.

Verschärfung des Waffenrechts

Nun ist es nicht so, dass dieses Problem zuvor noch niemanden aufgefallen ist. Der Bundestag hat das Waffenrecht im letzten Jahr verschärft. Seitdem werden häufiger Daten von Waffenbesitzern auf der einen Seite und den Sicherheitsbehörden bekannten Waffenbesitzern auf der anderen Seite abgeglichen. Dass die Zahl der bekanntermaßen bewaffneten Neonazis seither gestiegen ist – 2019 lag der Wert noch bei 892 – führt das Innenministerium eben auf die Reform zurück: Es sei den Behörden mittlerweile öfter bekannt, wenn Rechtsextreme eine Waffenbesitzkarte bekommen.

Wenn diese Information aber nicht dazu führt, dass die entsprechenden Personen konsequent entwaffnet werden, ging die Reform offenbar nicht weit genug. Ein radikaler Lösungsansatz wäre es, den Privatbesitz von Waffen komplett zu verbieten. Dass Sportschützen dagegen protestieren, dass sie für ihre eigenen Belange streiten, ist legitim. Dass Nazis auch mit selbst gebauten oder illegal beschafften Waffen töten können, stimmt ebenfalls. Aber wäre es in der Abwägung nicht richtig, ihnen ihre Taten zumindest so schwer wie möglich zu machen?

Dafür gäbe es noch einen zweiten Hebel. Laut Zeit Online zählt das Innenministerium neben den bewaffneten Nazis „eine im einstelligen Bereich liegende Zahl“ von Schützenvereinen, die von Rechtsextremen „beeinflusst oder gar geprägt“ würden. Im Gegensatz zur Zahl 1.114 ist das nicht mehr nur schwer, sondern überhaupt nicht zu fassen.

Korrektur: In einer früheren Version des Textes war die Rede von Waffenscheinen statt von Waffenbesitzkarten. Die beiden Begriffe sind keine Synonyme: Die Waffenbesitzkarte erlaubt den Erwerb und Besitz von Waffen, der seltener ausgestellte Waffenschein das Führen von Waffen. Wir bitten um Entschuldigung für den Fehler.

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7 Kommentare

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  • Seien wir uns bewusst, dass die ach so hohen Zahlen, die hier verbreitet werden, sich auf die Anzahl der "Kleinen Waffenscheine" bezieht, mit denen man Schreckschußwaffen führen darf. Ich warte auf den Sturz der Regierung mit Hilfe von Schreckschußwaffen ;-)



    Ein totales Waffenverbot kennt man ja, aus der DDR und anderen totalitären Staaten. Soll das das Deutschland sein, in dem wir "gut und gerne leben"?



    Die Anzahl der Toten durch legale Schußwaffen ist verschwindend gering. Die Zahl der erweiterten Suizide von Polizeibeamten (also die Polizisten, die sich und ihre Familie auslöschen) mit ihren Dienstwaffen ist deutlich höher! Wollen sie nun die Polizei entwaffnen?



    Die Politik doktert am WaffG herum, ohne auf die Ratschläge der Experten des Bundeskriminalamts zu hören. Das war bei der letzten Novelle so (sinnloses Magazinverbot als Bürokratiemonster) und das war bei den Messern so... inzwischen ist es so, dass kaum einer behaupten kann, noch nie gegen das WaffG verstoßen zu haben.

  • Die angesprochene Verschärfung des Waffenrechtes hatte doch eigentlich den Sinn, bekannte Rechtsextreme zu entwaffnen. Sprich, ihnen die Waffenrechtlichen Erlaubnisse abzuerkennen und ihnen damit den weiteren legalen Besitz von Waffen zu untersagen. Wenn das nach der Gesetzesänderung nicht möglich ist verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht den Sinn hinter der Änderung. Denn genau hiermit wurde die Gesetzesänderung beworben.



    Noch weniger verstehe ich, weswegen man statt dessen darüber nachdenken sollte, den anderen, gesetzestreuen Sportschützen und Jägern den Waffenbesitz zu untersagen.



    Natürlich wäre es leichter, legal besessene Waffen generell zu verbieten, denn deren Besitzer sind genau bekannt. Vielfach höher ist jedoch die Zahl der illegal besessenen Waffen, von denen die eigentliche Gefahr ausgeht. Deren Bekämpfung ist natürlich um einiges schwerer und kostspieliger.

  • Als (ehemaliger) Sportschütze muss man die Probleme benennen:

    1.) Einmal erworbene Waffen darf man behalten



    2.) Limits der Waffenbesitzkarten kann/konnte man aushebeln wenn man die Disziplin wechselt - wofür man eine andere Bauart von Waffe benötigt



    3.) Die Dachverbände DSB und BDS erfinden dafür extra ständig neue Disziplinen

    Lösung: Pro Sportschütze max. 1-2 Waffen, Waffen für Disziplinen die man nicht mehr ausübt sind ab zu geben. Ganz Einfach!

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Irgendwie muss man sich entscheiden. Will man einen äußerst liberalen Staat, in dem jeder sein Unwesen treiben kann oder nehmen die Bürger in Kauf, dass ihre Rechte beschnitten werden.

  • " Ein radikaler Lösungsansatz wäre es, den Privatbesitz von Waffen komplett zu verbieten."

    es wäre der einzige vernunftgemässe lösungsansatz.bei dem dem attribut "radikal " denken allzuviele nicht an die vernunft.obwohl man selbstverständlich auch radikal vernünftig sein kann.darum ist seine verwendung hier nicht angemessen oder zumindest im hinblick auf die durchsetzung dieser sehr vernünftigen forderung unklug gewählt.

    "Dass Sportschützen dagegen protestieren, dass sie für ihre eigenen Belange streiten, ist legitim. "

    sportschützenvereine dürfen keine mitglieder aufnehmen die zu einer gefahr für die sicherheit werden könnten

    die für sportliche zwecke verwendeten waffen dürfen nicht mit nach hause genommen werden.sie sind in seinem versiegelten und gut gesichertem schrank in den vereinsräumlichkeiten aufzubewahren.

    die strafen für den illegalen verkauf oder besitz von waffen oder für deren herstellung sollten deutlich erhöht werden

    • @satgurupseudologos:

      Wie sollen Vereine denn herausfinden ob jemand eine Gefahr für die Sicherheit werden kann? Glauben Sie die leute kommen mit Hitlergruß in die Vereine und singen das Horst Wessel Lied?

      Über die zentrale Lagerung von Schusswaffen ist schon sehr oft diskutiert worden. Dies ist nicht nur verboten sondern auch extrem gefährlich. Denn so weiß jeder Schwerverbrecher und gewaltbereite Extremist oder Terrorist wo Waffen zu bekommen sind.



      Machen Sie bitte nicht den fehler und glauben wir reden hier von einer handvoll Waffen. Da nreichen ein oder zwei Waffenschränke nicht mehr aus. Hier reden wir von einer Lagerstätte für Waffen und Munition, die den Auflagen einer militärischen Lagerstätte gerecht werden müssten.

      • @Alexander Eden:

        dann müssen die waffenlager von solchen vereinen eben direkt von der polizei überwacht werden.



        oder man verbietet auch solche vereine.



        was vielleicht das beste wäre