Hamburgs Verfassungsschützer maulfaul: Auskunft nur mit Schweigepflicht
Eine Hamburger Anwältin klagt, weil der Verfassungsschutz ihr nicht sagen will, welche Daten er über sie besitzt. Nun bekam sie ein absurdes Angebot.
2019 hatte Neuling das Amt um Auskunft gebeten, ob es Daten zu ihrer Person gespeichert hat. Seinerzeit war sie noch Jurastudentin und in der Hochschulgruppe „Kritische Jurastudierende“ (KJS) an der Uni Hamburg aktiv. Im Zuge einer Veranstaltung der Plattform Datenschmutz, die sich kritisch mit der Datensammelwut von Behörden auseinandersetzt, stellte Neuling mittels eines standardisierten Bogens einen Antrag auf Auskunft beim Landesamt.
Auskunft geben zu gefährlich
Darauf haben Hamburger:innen nach Paragraf 23 des Hamburgischen Verfassungsschutzgesetzes rechtlichen Anspruch. Doch der Verfassungsschutz lehnte das Gesuch ab – Begründung: Durch eine solche Auskunft drohe „die Ausforschung des Erkenntnisstandes oder der Arbeitsweise“ des Landesamtes.
Das wollte Neuling nicht akzeptieren. Sie reichte Anfang 2020 eine Klage beim Hamburgischen Verwaltungsgericht ein, wie die taz berichtete. Durch das Agieren des Landesamtes sieht sie ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Mehrere Schriftsätze der beiden Parteien wurden seither bei Gericht eingereicht, dann geschah lange Zeit nichts – bis vergangene Woche das Vergleichsangebot des Verfassungsschutzes bei Neuling eintraf. „Ich hielt das beim Lesen für einen Scherz“, sagt Neuling.
Im Schreiben, das der taz vorliegt, wird ihr die Auskunft über die verlangten Daten zwar angeboten. Jedoch könne die „Auskunft einzelner personenbezogener Daten“ weiterhin „verweigert werden“, heißt es in dem Schreiben weiter. Neuling hält schon diesen Teil des Vergleichsangebots für absurd: „Ich weiß also immer noch nicht, ob ich nach einem Vergleich die Auskunft auch wirklich bekomme.“
Hinzu kommt ein weiterer Punkt: „Die Klägerin und die Beklagte verpflichten sich, hinsichtlich des Verfahrens und der zu erteilenden Auskünfte öffentlichkeitswirksame Verlautbarungen (z.B. im Wege von Pressemitteilungen, Interviews oder öffentliche Postings in sozialen Medien) zu unterlassen.“ Neuling hält dies für einen Skandal – der Verfassungsschutz wolle ihr damit einen Maulkorb verpassen. Auf Nachfrage der taz, wie das Amt auf diese Idee gekommen sei, wollte es sich nicht äußern: Es handele sich um ein laufendes Verfahren.
Angst vor schlechter Publicity
Hat der Verfassungsschutz einfach Angst vor schlechter Publicity? So zumindest beruft er sich – in der Begründung seines Vorschlags – auf einen „ähnlich gelagerten Fall“ einer Klägerin: Auch mit dieser habe es seinerzeit nach einer Klage einen Vergleich gegeben, jedoch habe sie dann „unter Verdrehung der Tatsachen“ öffentlich von dem Verfahren berichtet. „Ein solches Verhalten“, schreibt der Verfassungsschutz, „ist dazu geeignet, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns zu untergraben“.
Auf welchen Fall er sich bezieht, schreibt der Verfassungsschutz zwar nicht. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich dabei um die Klage der ehemaligen taz-Fotoreporterin Marily Stroux: Nach deren entsprechender Klage von ihr erklärte sich der Verfassungsschutz 2020 bereit, sämtliche erfassten Daten aus ihrer 32-jährigen Tätigkeit als Fotoreporterin und Dokumentarin zu löschen, die zum größtem Teil auch dem Gericht verheimlicht werden sollten. Dass Stroux anschließend, auch in der taz, davon berichtete, passte dem Landesamt erkennbar nicht.
Weil der Dienst befürchtet, dass auch Neuling den Weg an die Öffentlichkeit sucht, hat sie die Auskunft über ihre Daten erst erhalten, will er das unterbinden. So ein Verlauf sei schließlich wahrscheinlich, da die Anwältin sich bereits in der Vergangenheit kritisch über den Verfassungsschutz geäußert hat.
Neuling will jedoch von ihrer Klage nicht abrücken. „Ich schweige gerne, sobald der Verfassungsschutz aufhört, Akten über Nazistrukturen zu schreddern und Menschen einzuschüchtern, die ihr Auskunftsrecht wahrnehmen wollen“, sagt sie. Damit ist das Vergleichsangebot hinfällig – es dürfte also zur Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht kommen.
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