piwik no script img

Hamburgs Pflegekrise spitzt sich zuPflegeheime schließen, Personalnot bleibt

In Hamburg schlossen 2024 sechs Heime, vier weitere folgen 2025. Als neue Eigentümerin des Trägers „Pflegen & Wohnen“ hat die Stadt wieder mehr Einfluss.

Im Alter fällt ein Umzug in ein neues Umfeld schwer: Bewohnerin einer Pflegestation in Kiel Foto: Frank Molter/dpa

Hamburg taz | Im vergangenen Jahr mussten in Hamburg nach Angaben der Sozialbehörde sechs Pflegeheime mit einer Kapazität von insgesamt 681 Plätzen schließen. Insgesamt gibt es in Hamburg 143 Heime mit 16.381 Plätzen. Für 2025 sind vier weitere Schließungen mit 200 Plätzen angekündigt. In Hamburg-Bergedorf entsteht derweil ein neues Pflegeheim mit nur 134 Plätzen.

Die Wohn-Pflege-Aufsicht unterstützt Heim­be­woh­ne­r:in­nen und Angehörige dabei, „einen angemessenen Leistungsersatz zu zumutbaren Bedingungen“ zu finden, so die Sozialbehörde. Die Plätze entstehen meist durch Erweiterungen bestehender Heime.

Karin Rogalski-Beeck, Vorsitzende des Landes-Seniorenbeirates Hamburg, beklagt, dass viele Be­woh­ne­r:in­nen, die im Rahmen der Schließungen in andere Heime verlegt wurden, aus ihrem sozialen Umfeld und ihrem Wohnort gerissen wurden. „Durch Krankheit und eingeschränkte Mobilität vereinsamen viele ältere Menschen so zunehmend“, so Rogalski-Beeck.

Die Gründe für die Schließungen sind vielfältig. Malte Habscheidt von der Diakonie nennt als Hauptursachen notwendige Umbaumaßnahmen für Barrierefreiheit und die Einhaltung von Brandschutzmaßnahmen. Jede Einrichtung müsse je nach Größe unterschiedliche Anforderungen erfüllen.

Die Zahl pflegebedürftiger Menschen steigt

Heinz Rothgang, Pflegeforscher an der Universität Bremen, hat in einer bundesweiten Studie herausgefunden, dass es trotz der Schließungen in der Regel „kaum Kapazitätseinbußen“ gebe, weil Einrichtungen meist in anderer Trägerschaft fortgeführt würden. Angesichts der steigenden Zahl pflegebedürftiger Menschen sei jedoch ein Kapazitätsaufbau erforderlich.

Das Hauptproblem in der Pflege in Hamburg ist der Personalnotstand. Der rot-grüne Senat hat die Fachkraftquote, die eine hohe Versorgungsqualität sichern soll, 2024 bereits von 50 auf 40 Prozent gesenkt. Fachkräfte wie examinierte Pflegekräfte übernehmen komplexe Aufgaben wie etwa die Wundversorgung.

Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) betont, dass diese Flexibilisierung jedoch nur für Pflegeeinrichtungen gelte, „die eine gute bis hohe Betreuungsqualität vorhalten“. Die Gesundheitsbehörde ergreife zudem Maßnahmen, um die Personalsituation in der Pflege langfristig zu entspannen. Ein Mix aus Fachkräften, Pfle­ge­as­sis­ten­t:in­nen und spezialisierten Kräften soll den Personalmangel abmildern.

Die Linke kritisiert die Senkung der Fachkraftquote

„Die Medizinischen Dienste kontrollieren regelmäßig die Qualität“, erklärt Arnold Rekittke von der Gewerkschaft Ver.di. Sinke diese, dürfe die Quote nicht gesenkt werden. Eine individuelle Anpassung der Quote pro Einrichtung sei daher nötig. Die Fachkraftquote allein sage nichts aus, wenn nicht auch das Verhältnis von Pflegekräften zu Bewohnenden betrachtet werde, betont Pflegeforscher Rothgang. „Wird etwa die Zahl der Pflegeassistenzkräfte erhöht, sinkt dadurch auch die Fachkraftquote.“

Die Linke kritisiert die Senkung der Quote scharf, sie bekämpfe nur Symptome. „Es drohen Lohndumping und eine Abwertung des Berufs“, warnt ihr gesundheitspolitischer Sprecher Deniz Celik. „Viele Heime sind wirtschaftlich angespannt, Schließungen resultieren oft aus unzureichender Auslastung. Personalflucht und unattraktive Arbeitsbedingungen verschärfen die Lage“, warnt er.

Die Stadt hat darauf künftig wieder mehr Einfluss: Im Januar hat sie den 2007 privatisierten Heimträger „Pflegen & Wohnen“ für 380 Millionen Euro zurückgekauft. Damit ist die Stadt nun der größte Pflegeheimbetreiber in Hamburg.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU, Christin Christ, kritisiert: „Durch den Rückkauf von Pflegeheimen wird die Qualität in der Pflege nicht gesteigert.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!