Hamburgs Deal mit der Uefa: Demütige Hanseaten
Die Hamburger Linke kritisiert, dass nur die Uefa Kasse bei der EM macht. Doch der Kleinmut gegenüber Investoren aller Art hat in Hamburg Tradition.
Hamburg, wo fünf Spiele ausgetragen werden, soll 30 Millionen dafür bezahlen. Der Reingewinn der Uefa soll bei 1,7 Milliarden liegen. Von den Kosten der ausrichtenden Städte für Sicherheit, Fan-Zonen und Stadienherrichtung zahlt die Uefa – nichts.
Was bekommen Hamburg und die übrigen deutschen EM-Städte für ihre Mühe? Darauf gibt es zwei Antworten, die interessanterweise gleichermaßen vage sind. Die eine ist die immer wieder bemühte Vitalitätsspritze durch die anreisenden Fans, die Geld in die Kassen von Gastronomie und Hotels spült. Die zweite ist das Versprechen der Uefa, die Einnahmen an ihre Mitglieder weiterzureichen, damit diese – ja was eigentlich tun?
Darüber ist bislang wenig zu erfahren. Die EM sei ein Projekt „auch und vor allem für die Breite des Fußballs in Deutschland, für unsere rund 25.000 Amateurvereine“, hat der DFB-Präsident zur deutschen Bewerbung gesagt. Bleibt abzuwarten, wie viel der Uefa-Ausschüttung am Ende bei der Basis bleibt und wer dann noch ein kritisches Auge darauf wirft außer ein paar nörgeligen Sportjournalist:innen.
Hamburg zahlt für die Ausrichtung von fünf EM-Spielen rund 30 Millionen Euro.
Noch mehr lässt sich Berlin seine sechs EM-Spiele mit rund 83 Millionen Euro kosten.
Am wenigsten zahlt im Bundesvergleich Leipzig für vier EM-Spiele mit rund 13 Millionen Euro.
Der Steuererlass für die Uefa war noch ein Zugeständnis der Merkel-Regierung.
Der Gewinn der Uefa wird auf 1,1 bis 1,7 Milliarden Euro geschätzt. Damit liegt er rund 25 Prozent höher als bei der letzten EM.
Aber die interessante Frage stellt sich vorher, nämlich: Ist es angemessen, dass Hamburg 30 Millionen und die deutschen Spielstädte insgesamt rund 260 Millionen Euro als Finanzspritze für Gastronomie, Hotellerie und DFB ausgeben? Und, mindestens so interessant: Wie gut hat man mit der Uefa verhandelt? Nach dem, was man hört: gar nicht. Stattdessen ging es darum, nachzuweisen, dass man deren Bedingungen prontissimo erfüllt.
Auf Bundesebene hat man mal eben der Uefa großzügig Steuern erlassen, schließlich konkurrierte man mit der Türkei, die das Gleiche plus mietfreie Überlassung der Stadien anbot. Nun ist die Regierung bei der Herausgabe der Details des Deals so knauserig, dass der Spiegel gerade vor Gericht auf die Herausgabe klagt. Auf Ebene der sogenannten Host Cities passiert das Gleiche: Wer bei der Uefa punkten will, beeilt sich, deren Forderungen zu erfüllen.
Von Pillepalle wie den genormten Sitzschalen bis hin zu Nichtpillepalle: In den nichtkommerziellen Fanmeilen werden nur die Getränke der Sponsorenfirmen verkauft, darunter Coca-Cola, bei denen man es mit dem Etikett „Nachhaltigste EM aller Zeiten“ dann wohl etwas weniger eng sieht. Auch gegen die Demo-Bannmeile von 500 Metern jenseits der Stadien hat in Hamburg jenseits der Linken niemand Einwände gehabt.
Die Kleinmütigkeit gegenüber der Uefa erinnert zumindest in Hamburg an die Demutsstarre, die die Stadt gegenüber allem an den Tag legt, was Investor heißt. Warum eigentlich, wenn sie dann keine Steuern zahlen? Es ist ein sonderbarer Kinderglaube an osmotisch wirkende Kräfte: Wenn da irgendwo Geld ist, dann wird es auch bei anderen landen. Ein Kinderglaube, der sich selbst genügt, da braucht es keine pingeligen Berechnungen: Das Stichwort Sommermärchen reicht dann.
Um so bemerkenswerter, wenn sich Politiker:innen dem Sirenengesang der Investoren und Großveranstaltungen entziehen. So wie Bremen, dessen damaliger Bremer Wirtschafts- und Justizsenator Martin Günthner (SPD) die Uefa-Bedingungen nicht unterschrieb. Die Verträge hätten bedeutet „dass wir die Veranstalter im Prinzip von allem freigestellt hätten, was im Rahmen der Veranstaltung stattfinden kann“, sagte er dem Spiegel.
Bremens einsamer Kampf
Nicht auszuschließen, dass Bremen sowieso einen schlechten Stand hatte, schließlich kämpft Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) nun schon ziemlich lange darum, dass die Deutsche Fußball Liga die Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen bezahlt. Da trifft es nicht die Armen und damit ist eine Finanzstrategie der Uefa doppelt bemerkenswert: Die zahlt den ausrichtenden Städten nichts – und wer kein Mitleid mit Hamburg hat, könnte es zumindest mit Gelsenkirchen haben –, wohl aber den Stadienbesitzern.
Tatsächlich ist das Genre prestigeträchtige Sportveranstaltung nicht mehr der Selbstgänger, der es ewig war. In München und Hamburg haben Bürgerentscheide die Olympiabewerbungen gestoppt. Schade, dass das beim Umgang mit der Uefa nicht zu spüren war.
Was bleibt, ist, dem Bremer Innensenator bei seinem einsamen Kampf viel Glück zu wünschen und dem Amateurfußball eben so viel, wenn es um die Verteilung der Uefa-Überschüsse geht.
Einen Wunsch hat auch die St.-Pauli-Fanhilfe, der die nationale Begeisterung ordentlich auf den Geist geht. Dass die Polizei sich gegenüber dem Vereinsfan ebenso zurückhaltend, unvermummt und sparsam filmend zeigt wie gegenüber seinen nationalen Kolleg:innen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen