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Hamburgs CDU will Klima-Entscheid kippenIn AfD-Manier zurück in die Zukunft

André Zuschlag

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André Zuschlag

Beim Volksentscheid hatte die Mehrheit in Hamburg für ein strengeres Klimaschutzgesetz gestimmt. Schäbig ist, wie die CDU nun daran rütteln will.

Will den Zukunftsentscheid wieder kassieren: Hamburgs CDU-Chef Dennis Thering Foto: Marcus Brandt/dpa

H amburgs CDU-Chef Dennis Thering war mal ambitionierter Fußballtorwart. Mit 14 Jahren wechselte er sogar in die Jugendabteilung des Hamburger SV, nur eine Knieverletzung durchkreuzte die Hoffnung auf eine Profikarriere. Wie man mit Niederlagen sportlich umgeht, müsste er da eigentlich gelernt haben.

Allein: Seine am Dienstag erhobene Forderung, die Bürgerschaft solle das durch einen Volksentscheid beschlossene strengere Hamburger Klimaschutzgesetz wieder kippen, zeugt ganz vom Gegenteil. Viel eher wirft Thering, mit teils faktenfreien Argumenten und in der Möchtegern-Pose eines heldenhaften Widerständlers, demokratischen Anstand über Bord.

Eine klare Mehrheit hatte der „Hamburger Zukunftsentscheid“ am 12. Oktober hinter sich versammelt: 304.063 wahlberechtigte Ham­bur­ge­r:in­nen stimmten für das vorgelegte „Klimaschutzverbesserungsgesetz“, mit dem Hamburg bereits 2040 die Klimaneutralität erreicht haben soll. Zentraler Bestandteil der Vorlage war auch, dass alle Maßnahmen, die der Hamburger Senat dafür erlässt, so ausgestaltet sein sollen, dass sie keine übermäßigen Härten für Arme und Geringverdienende bedeuten.

Für Kritik an dem Vorhaben gab es gute Gründe – und sie wurde auch von der CDU, von der Immobilienlobby, von Teilen der SPD, sogar von manchen Grünen geäußert. Ob das nicht zu teuer wird, ob das wirklich zu halten ist mit der Sozialverträglichkeit, dass die Wirtschaft leiden wird, und, und, und. Das alles wurde im Vorfeld umfassend diskutiert, beide Seiten hatten letztlich mehr als eineinhalb Jahre lang – also seit sich die Volksinitiative gegründet hatte – ausreichend Gelegenheiten, für ihre Argumente zu werben. Fakt ist: Lediglich 276.999 Ham­bur­ge­r:in­nen standen am 12. Oktober hinter Therings Kritik.

Attacke in AfD-Manier

Statt die Niederlage anzuerkennen – Mund abputzen und weiter geht’s – bringt Thering nun aber ins Spiel, dass es ja völlig legal sei, ein vom Volk erlassenes Gesetz ein paar Tage später wieder zu kassieren. Das ganze betitelt die CDU auch noch als „Hamburger Zukunftsgesetz“: Das beim Volksentscheid beschlossene Klimaschutzverbesserungsgesetz soll aufgehoben und das olle Klimaschutzgesetz von 2020 wieder in Kraft gesetzt werden.

Faktenfrei begründet Thering, dass das 2040-Ziel ja unmöglich zu erreichen wäre und selbst die Klimaneutralität bis 2045 von Faktoren abhinge, „die Hamburg gar nicht selbst steuern kann, etwa der bundesweiten Dekarbonisierung des Strommixes“. Fakt ist: Genau diese Faktoren, die Hamburg nicht allein beeinflussen kann, sind nicht Teil der Verpflichtung, bis 2040 klimaneutral zu sein.

Geschenkt! Er könne es mit seinem Gewissen halt nicht vereinbaren, „in dem Wissen um den schweren Schaden für unsere Stadt jetzt tatenlos zuzusehen“. Drum mögen doch bitte, frei vom Fraktionszwang, auch die restlichen Abgeordneten mit seinem Vorschlag stimmen. An wen das gerichtet ist, ist durchschaubar: Vor allem So­zi­al­de­mo­kra­t:in­nen sind nicht glücklich, dass die Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen gewonnen haben.

Hamburgs dauerregierende SPD mit allerlei parlamentarischen Tricks zu ärgern, ist natürlich völlig legitim, wenn nicht sogar ständige Pflicht. In AfD-Manier aber den demokratischen Prozess zu attackieren, ist schäbig – insbesondere im Hinblick darauf, dass auch die AfD-Fraktion kommende Woche einen im Ergebnis identischen Antrag ins Parlament einbringen will.

Dabei wäre das ja gar nicht nötig: Gerade die CDU konnte im Wahlkampf als einzige Partei glaubhaft vertreten, warum sie den Zukunftsentscheid ablehnt – und sich damit im eigenen Wäh­ler:­in­nen­mi­lieu bestens präsentieren. Das macht der überambitionierte Ex-Kicker Thering nun ohne jede Not wieder kaputt. Mit anständigem Konservatismus hat das jedenfalls nichts zu tun.

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André Zuschlag
Redakteur taz nord
Jahrgang 1991, hat Politik und Geschichte in Göttingen, Bologna und Hamburg studiert. Von 2020 bis August 2022 Volontär der taz nord in Hamburg, seither dort Redakteur und Chef vom Dienst. Schreibt meist über Politik und Soziales in Hamburg und Norddeutschland.
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