Hamburger Wahlrecht zu kompliziert?: Wahl ins Blaue
Eine neue Studie über das Hamburger Wahlrecht kann nicht endgültig klären, ob es zu kompliziert ist. Die CDU kündigt eine Reform der Reform an.
HAMBURG taz | Nicht jeder versteht es, doch wer es kapiert, macht von seinen Möglichkeiten aktiv Gebrauch. Das ist das zentrale Ergebnis einer am Dienstag in Hamburg vorgelegten Studie zu neuen Wahlrecht der Hansestadt, das bei den Bürgerschaftswahlen im Februar das erste Mal zur Anwendung kam. 20 Stimmen konnten hier auf Parteilisten und Kandidaten fürs Landesparlament und jeweils eine der sieben Bezirksversammlungen verteilt werden.
Ein weiteres Resultat der von der Universität Hamburg erstellten Studie: Viele Wähler kennen ihre Wahlkreiskandidaten nicht. Nur ein knappes Fünftel der rund 3.500 für die Studie befragten Wahlberechtigten konnte zehn oder mehr Kandidaten seines Wahlkreises benennen.
Im Februar hatten die Wähler zwar beim Landesparlament die Auswahl zwischen Parteikandidaten und Parteilisten, bei der Zusammensetzung der Bezirksversammlungen mussten sie sich aber für einzelne Kandidaten entscheiden, deren Konterfeis zuvor meist nicht einmal plakatiert worden waren.
Insgesamt hält mit 55,5 Prozent mehr als die Hälfte der Befragten das neue Wahlrecht für besser als das alte Zweistimmenwahlrecht - nur ein Viertel findet es schlechter. Nach Meinung seiner Befürworter stärkt es die "Macht der Wähler" und "erwirkt eine größere Nähe zwischen Wählern und Kandidaten."
Auch bei den Nichtwählern fand das neue Wahlrecht mehr Befürworter als Gegner, doch bewertete diese Gruppe es knapp mehrheitlich (52,7 Prozent) als zu kompliziert. Für die Nichtbeteiligung an der Wahl spielt das Wahlrecht aber ein untergeordnete Rolle.
Bei der Bürgerschaftswahl vom 20. Februar konnten die Hamburger zehn Stimmen für das Landesparlament vergeben. Sie konnten Parteilisten oder Einzelkandidaten wählen.
Zur Wahl standen auch die Bezirksversammlungen, darum konnten die Wähler insgesamt 20 Kreuze auf den vier Stimmheften setzen.
Zudem konnten sie ihre Stimmen verteilen (panaschieren) oder gehäuft einer Partei oder einem Kandidaten zuweisen (kumulieren).
73 Prozent der Nichtwähler erklärten, der Wahlmodus habe nichts mit ihrem Fernbleiben zu tun, nur für knapp 17 Prozent war es ein wichtiger Grund für die Wahlverweigerung. Nach der historisch niedrigen Wahlbeteiligung von 57,3 Prozent war das System kritisiert worden.
Hamburgs Bürgerschaft wird im Verfassungsausschuss über das Untersuchungsergebnis beraten. Die regierende SPD warnte "vor überhasteten Interpretationen". Ihre Abgeordnete Barbara Duden sagte, die Studie belege erneut, dass "je geringer das Einkommen umso niedriger auch die Wahlbeteiligung sei."
Anders als die SPD sieht die CDU in dem neuen Wahlrecht einen "maßgeblichen Grund für die besonders hohe Zahl der ungültigen Stimmen und der Nichtwähler", zudem sei es in der Durchführung "zehnmal teurer" als das bis 2004 gültige Wahlrecht.
CDU-Verfassungsrechtler André Trepoli kündigte an, für eine grundlegende Reform des "überteuerten und komplizierten Wahlrechts" einzutreten.
Davor warnt Manfred Brandt vom Verein "Mehr Demokratie". Das Wahlrecht habe, bewertet Brandt die Studie, "die Bewährungsprobe bestanden" und erfahre "hohe Akzeptanz bei Wählern und Nichtwählern".
Deshalb liefere "die Studie keinerlei Begründungen, um das neue Wahlrecht wieder zurückzudrehen", schließlich sei es Unsinn, "nach jeder Wahl wieder am Wahlrecht herumzudoktern".
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