Hamburger Wahlkampf: Frühe Bescherung für Olaf Scholz
SPD beschließt ihr Regierungsprogramm - ohne Debatte, dafür mit umso mehr Jubel über Bürgermeister Olaf Scholz. Der will erneut die absolute Mehrheit.
HAMBURG taz | Neuerdings dauern Parteitage der Hamburger Sozialdemokraten nicht mehr länger als Fußballspiele des Hamburger Sportvereins. Dafür enden sie ungleich erfolgreicher: Mit einem klaren 330:3 beschlossen die Delegierten des Parteitages am Sonnabend im Bürgerhaus Wilhelmsburg das „Regierungsprogramm 2015-2020“, bejubelten gut vier Minuten lang ihren Bürgermeister-Kandidaten Olaf Scholz und kehrten nach eineinhalb Stunden zum Frühschoppen mit der Basis zurück in ihre Stadtteile. „Olaf denkt, Olaf lenkt, und wir rudern“, verabschiedete sich ein gut gelaunter Bürgerschaftsabgeordneter.
Selbst eine heftige Erkältung hielt den stimmlich angeschlagenen Scholz nicht davon ab, der Basis in einer gut halbstündigen Rede seinen Regierungskompass zu erklären. „Alles, was im Programm steht, wird auch umgesetzt werden“, stellte der 56-Jährige klar. Mit eben diesem Versprechen habe die SPD 2011 die Wahl gewonnen – und dann auch Ergebnisse geliefert: „Wir haben gute Arbeit geleistet, wir haben unsere Versprechen eingehalten“, sagte Scholz. Er sei „zutiefst davon überzeugt, dass nur eine verlässliche Politik neues Vertrauen in die Gestaltungskraft des Staates schafft“. Und deshalb gelte auch nach dem Wahlsieg im Februar, an dem Scholz keine Zweifel hat, „dass wir halten, was wir versprochen haben, und was wir nicht versprochen haben, tun wir nicht“.
Und so wurde das knapp 70-seitige Programm mit dem Tiel „Hamburg weiter vorn“ dann auch bei nur drei Gegenstimmen verabschiedet, Widerworte gab es kaum. Ein Delegierter fand das Papier „neoliberal“, andere kritisierten das Festhalten an der Schuldenbremse. Im Ergebnis und in der Stimmung schlug sich das nicht nieder: Die Partei strotzt vor Selbstbewusstsein und Siegeszuversicht.
Einen Schwerpunkt in Scholz‘ Rede bildete die Chancengleichheit. „Das ist etwas, was getan werden muss, wo man handeln muss.“ Deshalb habe die SPD unter anderem die Kita-Gebühren erst gesenkt und dann eine fünfstündige Betreuung kostenlos gemacht, kleinere Grundschulklassen ermöglicht, Jugendberufsagenturen eingeführt und die Studiengebühren abgeschafft. „Wir werden diesen Weg konsequent weitergehen“, kündigte der Bürgermeister an.
Die Hamburger SPD muss bei der Bürgerschaftswahl im Februar um ihre absolute Mehrheit bangen. Das ergab vorige Woche eine repräsentative Umfrage für den NDR:
Die SPD kommt demnach auf 43 Prozent. Das wäre zu wenig für eine erneute absolute Mehrheit, die sie 2011 mit 48,4 Prozent errungen hatte.
Die CDU verbessert sich leicht auf 24 Prozent gegenüber 21,9 Prozent vor vier Jahren
Auch die Grünen legen zu: von 11,2 auf 14 Prozent
Die Linke kann auf einen Zuwachs von 6,4 auf 9 Prozent hoffen
Die FDP stürzt von 6,7 auf nur noch 2 Prozent ab
Die AfD liegt bei vier Prozent
Als Koalition ist Rot-Grün am wahrscheinlichsten, Rot-Schwarz gilt als Notlösung
Gleiches gelte unter anderem für den Wohnungsbau mit jährlich 6.000 neuen Wohnungen, davon 2.000 Sozialwohnungen. Auch an Hafen und Elbvertiefung hängt weiterhin das Herz aller Sozialdemokraten, an der Busbeschleunigung halten sie fest und von Olympischen Spielen träumen sie unverändert.
Die CDU war Scholz keine Erwähnung wert und die Grünen, die ihm eventuell als Koalitionspartner bevorstehen (siehe Kasten), bedachte er in erster Linie mit Sticheleien: „Wir müssen etwas tun dafür, dass dies eine grüne Stadt bleibt – und zwar ausschließlich im Hinblick auf die Bäume.“
Deshalb strebt Scholz eine erneute absolute Mehrheit an: „Wir bitten die BürgerInnen um ein sehr starkes Mandat für die SPD.“ Wenn es aber nicht reiche, „sprechen wir zuerst mit den Grünen“, so Scholz. All zu viel Kompromissbereitschaft ließ er indes nicht durchscheinen. Eine Stadtbahn werde es nicht geben und auch die bisherige harte Linie in der Flüchtlingspolitik „bleibt“, so Scholz. Es werde keine Änderungen geben, denn Hamburg sorge schon jetzt dafür, „dass die Flüchtlinge, die überall auf der Welt vor schlimmen Katastrophen flüchten müssen, gut aufgenommen werden“.
Das sehen in Hamburg nicht alle so. Deshalb war für den Mittag vor dem Tagungsort eine Demonstration der Lampedusa-Unterstützer angekündigt worden. Die aber fiel aus Publikumsmangel aus. Als die Protestierer gut ausgeschlafen kurz vor zwölf endlich erschienen, waren die sozialdemokratischen Frühaufsteher schon wieder weg. „Doof“, fand das eine Aktivistin.
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