Hamburger Verfassungsschutzbericht 2018: Rechts nicht mehr blind
Nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke will Innensenator Grote die rechtsextreme Szene im Internet stärker beobachten.
Innensenator Grote bezog sich mit seiner Äußerung auf den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU). Der Rechtsextremist Stephan Ernst hatte dazu ein Geständnis abgelegt, das er später aber widerrufen hat. Bisher seien öffentliche Amtsträger nur bedroht worden. Die Tötung Lübckes habe die Situation gravierend verändert. „Das zielt auf den freien demokratischen Diskurs“, sagte Grote.
Zwar sei die rechtsextreme Szene in Hamburg schwach und es habe auch keine auffälligen Veränderungen gegeben. Trotzdem wolle der Verfassungsschutz jetzt die Beziehungen unter den Rechtsextremen im Internet tiefer ausleuchten. „Wir werden dazu eine Spezialeinheit aufbauen“, kündigte der Senator an. Fünf Leute sollen dafür eingestellt werden.
Grote und Verfassungsschutzchef Voß warnten davor, dass verfassungsfeindliche Gruppen versuchten, ihre politischen Positionen in die Mitte der Gesellschaft zu tragen und die Grenzen zwischen Mainstream und Extremismus zu verwischen. Dies geschehe „insbesondere über die gezielte strategische Besetzung gesellschaftlich breit diskutierter oder akzeptierter Themen“ unter Nutzung des Internets.
Ein Farbanschlag ist in der Nacht zu Montag auf das Haus der Zweiten Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) verübt worden.
Mehrere Gläser mit schwarzer und weißer Farbe wurden dabei gegen die Gebäudefassade geworfen.
Die Polizei ist mit 20 Streifenwagen ausgerückt und hat mehrere Personen überprüft. Sie konnten jedoch nicht mit der Tat in Verbindung gebracht werden, wie ein Sprecher sagte.
Ein Zusammenhang mit dem G20-Gipfel, der vor zwei Jahren in Hamburg stattfand, sei laut Polizei denkbar. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen.
Ein Beispiel dafür sei die gewaltorientierte Organisation Hizb-ut Tahrir, die in Wilhelmsburg den inzwischen wieder aufgelösten Fußballverein Adil gegründet habe. Unter der Bezeichnung „Realität Islam“ habe sie außerdem eine Petition an den Bundestag gegen ein mögliches Kopftuchverbot für unter 14-Jährige lanciert, die von 170.000 Menschen unterzeichnet wurde.
Die extreme Rechte suche in ähnlicher Weise mit ihrem Konzept des „Ethnopluralismus“ Anschluss. Dahinter verberge sich mitnichten Pluralismus, sondern die Vorstellung vieler ethnisch homogener Staaten.
Die Interventionistische Linke und die Antifa Altona-Ost wiederum hätten versucht, an die Fridays-for-Future-Bewegung anzudocken. Allgemein täten sich Linksextreme leichter mit der Entgrenzung, weil ihre Themen – Klimaschutz, Engagement gegen rechts, Flüchtlingspolitik – gesellschaftlich eher vermittelbar seien. Das „schleichende Gift der Entgrenzung“ sei die „größte Bedrohung für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung“, warnte Voß.
Der Verfassungsschutz verzeichnet ein Anwachsen der linksextremistischen Szene von 1.220 Personen 2017 auf 1.335 im vergangenen Jahr, wovon jeweils 770 und 935 als gewaltbereit eingestuft werden. „Der Anstieg hat damit zu tun, dass wir eine Vielzahl von Menschen demaskiert haben“, sagte Voß mit Blick auf die Ermittlungen zu den G20-Krawallen.
Die Zahl politisch links motivierter Delikte, wie sie von der Polizei erfasst werden, ist dagegen unter das Niveau der Zeit vor dem G20-Gipfel gesunken. Voß erkannte hier eine „physische Zurückhaltung“. Allerdings sei es vermehrt zu Farbanschlägen und Ähnlichem auf Repräsentanten der öffentlichen Ordnung gekommen (siehe Kasten).
Die Zahl der Islamisten stagniert nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes bei rund 1.600, die der Extremisten mit Auslandsbezug wie etwa Kurden bei 850. Die Zahl der Scientology-Anhänger hat sich in den vergangenen zehn Jahren halbiert.
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