Hamburger Projekt zur Kostenkalkulation: Der Preis der Klima-Schäden
SPD und Grüne in Hamburg wollen bei Investitionen der Stadt die Schäden durch CO2-Emissionen mitberechnen. Das Projekt erhält viel positive Resonanz.
![Bagger sind auf einer Baustelle an den Elbbrücken zu sehen. Bagger sind auf einer Baustelle an den Elbbrücken zu sehen.](https://taz.de/picture/5255403/14/264636643-1.jpeg)
In Hamburg planen die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen nun in einem Pilotprojekt erstmals, Emissionskosten einzupreisen. Dazu wollen sie jeweils ein städtisches Bauprojekt und ein städtisches Beschaffungsvorhaben aus dem Liefer- und Dienstleistungsbereich auswählen und zusätzlich zu den wirtschaftlichen Aspekten einen sogenannten CO2-Schattenpreis von rund 201 Euro pro Tonne CO2 einberechnen. Am 1. Dezember stimmt die Hamburger Bürgerschaft über den Antrag ab. Wird er angenommen, sollen die gewonnenen Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt bis Ende 2023 ausgewertet werden.
Wie die Fraktionen in ihrem Antrag schreiben, soll mithilfe dieses fiktiven CO2-Preises der tatsächliche wirtschaftliche Wert beurteilt werden – also auch zukünftige Schadenskosten, die durch das CO2 entstehen, im Marktpreis jedoch noch nicht enthalten sind – zum Beispiel Schäden durch Starkregen und extreme Dürren. „Vermeintlich billige Preise lügen: Sie spiegeln die tatsächlichen Folgekosten für Gesellschaft, Umwelt, Gesundheit und das Klima nicht wider“, erklärt Rosa Domm, klimapolitische Sprecherin der Grünen Bürgerschaftsfraktion.
Deutschlandweit gibt es bereits eine CO2-Bepreisung. Im Gegensatz zu dem in Hamburg geplanten Schattenpreis wird diese aber über ein nationales Emmisionshandelssystem gesteuert. Dabei müssen Unternehmen, die CO2 ausstoßen, Emissionsrechte in Form von Zertifikaten kaufen. Die Preise dafür bilden sich am Markt aus Angebot und Nachfrage, decken jedoch nicht zwingend die tatsächlichen Folgekosten von Emissionen ab. Derzeit liegen die Kosten für die bundesweiten CO2-Zertifikate bei einem Festpreis von 25 Euro pro Tonne CO2.
Katja Schumacher, Öko-Institut
Katja Schumacher vom Öko-Institut begrüßt den Vorstoß der Hamburger Regierungsfraktionen. Der Antrag sei der Weg der Wahl: „Bisher haben die Schäden keinen Preis. Dieser Ansatz trägt zum Klimaschutz bei.“ Ähnlich sieht es der Umweltverband BUND in Hamburg: „Man macht sich was vor, wenn man die Folgekosten für das Klima nicht berücksichtigt. Daher ist es grundsätzlich ein sehr spannendes und wichtiges Projekt“, sagt Pressesprecher Paul Schmid. Es könne wichtige Erkenntnisse darüber liefern, was es kostet, „was wir dem Klima antun“.
Auch Stephan Jersch, Fachsprecher für Umwelt der Hamburger Linken, beurteilt den Antrag als Schritt in eine richtige Richtung: „Den Klimaeffekt in Planungsprojekte einzupreisen, bringt natürlich etwas und dürfte den Schwerpunkt verschieben. Bei der Planung der U5 hätte dieser Ansatz sicherlich einen Effekt gehabt.“
Der Ansatz sei aber nicht konsequent, sagt Jersch. So berücksichtigt der Antrag einen CO2-Preis, der die Schäden für heutige Generationen höher gewichtet als die langfristigen Schäden für künftige Generationen. „Gerade auch auf Grundlage des Bundesverfassungsgerichtsurteils wäre es folgerichtig, dass man die Kosten für die folgenden Generationen gleichwertig miteinpreist.“ Statt 201 Euro pro Tonne CO2 ergäben sich dann laut Umweltbundesamt 698 Euro.
Vor allem hält Jersch das dahinter liegende grundsätzliche Denken für falsch: „Das Klima ist unbezahlbar und ein Wert an sich. Das sollte man nicht abwägen, sondern immer voranstellen.“ Statt eines CO2-Preises spricht er sich für ein festes Treibhausbudget aus. Das würde ähnlich wie ein Finanzhaushalt funktionieren: Es gibt eine begrenzte Menge CO2, die in einem bestimmten Zeitraum ausgestoßen werden darf. Plant man dann etwa ein Bauprojekt, bucht man das dort anfallende CO2 vom Budget ab.
Leider nur ein Pilotprojekt
Auf taz-Anfrage betont Friedhelm Keimeyer vom Öko-Insititut, dass verschiedene Ansätze nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten: „Wir sollten CO2-Budget und Schattenpreis zusammen denken.“ Der Schattenpreis könne Aspekte berücksichtigten, die durch Ordnungspolitik nicht geregelt würden.
Auch wenn er wie seine Kollegin Schumacher die grundsätzliche Richtung befürworte, sei das Vorhaben „zurückhaltend“, ergänzt Keimeyer: „Es ist schade, dass es nur ein Pilotprojekt ist und man nicht direkt in die Umsetzung geht.“
Der BUND fordert zudem, das Projekt auf Dauer auszuweiten: „Wenn die Ergebnisse belastbar und gut sind, ist Hamburg in der Pflicht, sich über den öffentlichen Bereich hinaus für eine CO2-Schattenbepreisung einzusetzen. Auch in privaten Projekten müssen die wahren Kosten berücksichtigt werden.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Trump und Putin
Bei Anruf Frieden
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen