Hamburger Musikklub steuert um: Schluss mit Geschwurbel
Weil die „Große Freiheit 36“ Querdenken-Positionen eine Bühne gegeben hat, war sie in die Kritik geraten. Nun hat der Klub eine neue Geschäftsführung.
Ein halbes Jahr nach der Kritik in dem Song hat es einen Wechsel der Geschäftsführung gegeben, bestätigt ein Mitarbeiter der Großen Freiheit 36 der taz. Der neue Geschäftsführer Benny Dianat versichert per Mitteilung eine Kurswechsel.
Die Veränderung der Geschäftsstruktur ist schon von außen sichtbar. An dem Gebäude in einer Seitenstraße an der Reeperbahn hängen keine Plakate mit politischen Botschaften gegen die staatlichen Pandemiemaßnahmen mehr. Auf einer von diesen stand: „Bewaffnet Euch mit Wissen“. Um welches Wissen es sich handelte, konnte man den dort hängenden Wandzeitungen entnehmen.
Unter den Zitierten war unter anderem die Linken-Bundestagsabgeordnete Sarah Wagenknecht, die in der betreffenden Passage beklagte, dass mit der „Ausweitung des Begriffs ‚Verschwörungstheorie‘“ jeder Erklärungsansatz, der hinterfrage, ob „hinter politischen Entscheidungen (…) wirtschaftliche Interessengruppen“ stünden, diskreditiert werde. Das Plakat mit einem Porträtbild der in der Linkspartei umstrittenen Politikerin ergänzte: „Ausgehängt am: 04.06.2020. Ablaufdatum: offen“.
Karl-Hermann Günther, Geschäftsführer Große Freiheit 36
Während außen Positionen der Querdenken-Bewegung hingen, konnten deren Protagonist*innen auch in den Räumen des Musikclubs zusammenkommen. Ein Plakat des „Demokratischen Widerstands“ (DW) lud für den 19. Mai 2022 zu einer „Gala“ ein. Unter diesem Namen erscheint seit April 2020 auch eine Wochenzeitung. Einer der Macher, Anselm Lenz, der Dramaturg kommt aus dem linken Hamburger Kulturmilieu, die Organisation ist aber heute eine der zentralen Organisationen der Querdenken-Szene.
In der DW durften auch neu-rechte Autor:innen veröffentlichen. Lenz selbst gab dem Magazin Compact ein Interview, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ einstuft. Auf der „Gala“ in der Großen Freiheit sollen laut einem Plakat auch bekannte Größen der Bewegung eingeladen worden sein oder bereits zugesagt haben, unter ihnen Ken Jebsen, der bekannteste deutsche Verschwörungstheorieverbreiter.
Die Positionierung von Musikclub-Betreiber Günther blieb nicht ohne Reaktion. Schon weit vor der angekündigten „Gala“ im Mai veröffentlichte das Clubkombinat Hamburg, ein Zusammenschluss von etwa 200 Clubs, einen offenen Brief an die Leitung der Großen Freiheit 36 und des Docks an der Reeperbahn, an dessen Eingang ebenfalls Querdenken-Plakat-Botschaften hingen.
In dem Brief vom 27. März 2021 schreibt das Kombinat: „Auch wir sehen die Probleme, die durch politische Entscheidungen und den Umgang mit der Pandemie entstanden sind. Auch wir sind in vielen Momenten wütend und verärgert, sehen und fühlen Ungerechtigkeiten.“ Doch es sei mehr „als naiv, eine ‚offene‘ Plattform für Corona-Kritik zu betreiben, obwohl allseits bekannt ist, wie sehr Pandemie-Leugner:innen, Verschwörungstheoretiker:innen, antisemitische, sowie rechtsnationale Strömungen miteinander verwoben sind und wie sehr Radikale diesen Diskurs aktiv für ihre Zwecke instrumentalisieren“.
Im März unterzeichneten zudem Konzertagenturen wie Karsten Jahnke und das Reeperbahn-Festival eine Boykott-Erklärung gegen die beiden Locations.
In einer Mitteilung versichert der neue Geschäftsführer Dianat, dass die Wände der Großen Freiheit „kein Forum für politische Botschaften“ aus der Querdenken-Szene mehr seien. „Wie die meisten Konzertlocations hat unser Haus zwei turbulente Jahre hinter sich“, schreibt er. Neben den spürbaren wirtschaftlichen Folgen der Pandemie habe auch die Reputation gelitten. Dianat versichert, die Freiheit und der Club Kaiserkeller in deren Keller „stehen für einen klaren Wertekanon. Wir sind gegen Rechts, gegen Homophobie, für Diversität, für Inklusion, für Gleichbehandlung und für Frieden.“ Nena und Wendler werden nun vielleicht doch nicht in der „Freiheit“ spielen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!