Germaniten in Norddeutschland: Urdeutsche Indigene auf Mission

Das „Indigene Volk Germaniten“ versucht, in Norddeutschland neue Gefolgsleute zu finden. Es geht um Grenzen von 1937, die Pandemie und Kriegsgefasel.

Eine Gruppe steht vor einem Backsteinhaus, die Gesichter sind verpixxelt

Kurz Pause, dann spricht Uta B. weiter: Leibniz Theater Hannover Foto: isso.media

HAMBURG taz | Feste Stimme und klare Botschaft: „Missionsleiterin“ Uta B. setzt sich schon sehr lange mit der „Wahrheitsfindung“ auseinander. Sie weiß um den „Lug und Trug“ in den „Mainstreammedien“ und „Framing, durch political correctness“. Und die Violinlehrerin aus Schleswig-­Holstein ist sich sicher: Die Bundesrepublik ist „ein Konstrukt“ ohne Verfassung und Souveränität. Eine typische Reichsbürger-Argumentation. Seit Wochen verkündet B. diese vermeintliche Wahrheit und ruft dazu auf, sich dem „Indigenen Volk Germaniten“ anzuschließen.

Offenbar hat sie damit Erfolg: In Leer, Wietzen und Hannover kamen zahlreiche Interessierte zu Veranstaltungen mit B., die angibt „Missionsleiterin des Germaniten-Standorts Ascheberg“ bei Plön zu sein. Bei einem Onlinevortrag, der der taz bekannt ist, hörten ihr fast dreihundert Teilnehmende zu. Ihnen legte sie dar, dass die „Mission Ascheberg“ schon jetzt „exterritoriales Gelände der BRD“ sei und dass die „Mission als eine Stätte“ rechtlich höhergestellt sei als eine „diplomatische Botschaft“.

Dem vermeintlichen Rechtsstatus entsprechend führte sie weiter aus, dass „wir als native Nation“, das „Volk Germaniten“ seien. Sie könnten „jeden aufnehmen“, der sich zu ihnen bekenne. „Wenn er nicht Pädophiler ist, rechtskräftig verurteilter Krimineller oder Kinderschänder“. Diese Menschen wollten sie „gar nicht haben“.

Und wenn sich jemand in „ihren Reihen so entwickle“ dann würde er nicht bloß verstoßen, und damit „staatenlos“, so B., er „könnte von jedermann gelyncht werden. Das nennt man dann Volkskörperbereinigung“, sagte sie in dem ­Onlinevortrag. Der Waffenträgerin und Jägerin wurde jüngst die behördliche Lizenz entzogen.

Ein Netzwerk um Uschi

Die Strömung der „Germaniten“ ist nicht neu: Vor 15 Jahren gründete Ulrike Maria K. aus dem baden-württembergischen Schorndorf das „Indigene Volk Germaniten“. Das Netzwerk um „Uschi“ – wie die An­hän­ge­r:in­nen­schaft sie nennt – imaginiert eine Staatsgründung in den Grenzen von 1937. Die Reichsideologiebewegten haben auch eine eigene Symbolik, eine blau-weiße Fahne mit schwarzem Adler mit offenen Flügeln.

Im Laufe der Jahre geriet diese Gruppierung immer wieder mit dem Rechtsstaat in Konflikte, mal wegen Fahrens mit einem Fantasieführerschein, mal wegen gewerbsmäßigen Betrugs. Die Ger­ma­nit:in­nen nutzen ein Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), um sich als „indigenes Volk“ zu legitimieren. 2017 stellte das Gericht in Leipzig aber klar, dass ein Rechtsstatus und Sonderstatus als „indigenes Volk“ nicht bestehen würde, weder nach nationalem, noch internationalem Recht.

Uta B., „Indigenes Volk Germaniten“, in einer Rede

„Wir sind schon im Krieg“

B. und ihre Mit­strei­te­r:in­nen bemühen sich schon seit November 2021 um die Reorganisation der „Germaniten“. Laut B. liegt das „Headquarter“ der Gruppierung nun im Harz. 33 Missionen sollen bestehen, im Norden außer in Ascheberg zudem in Bad Bevensen, Braunschweig, Bremen, Buxtehude, Hamburg, Leer und Nordhorn.

Der Aufnahmebeitrag liegt bei 500 Euro, der Jahresbeitrag bei 120 Euro. Für 50 Euro können Fahrlizenzen bezogen werden. Heilpraktiker:innen, Unternehmer:innen, Eso-Freaks, Akademiker:innen, Impf­fein­d:in­nen oder Mittelalterfans sind es, die die Gruppe um „Uschi“ und „Uta“ wieder aufleben lassen.

So feierten im Naturschutzgebiet „Stiftungsland Störland“ in Schleswig-­Holstein am 21. Juni etwa 50 Ger­ma­nit:in­nen eine Sonnenwendfeier. „Sie schraubten das Vorhängeschloss des Weidetors auf, fuhren mit den Fahrzeugen auf die Weidefläche“, heißt es in einer Pressemitteilung der Stiftung ­Naturschutz Schleswig-Holstein. Dort hätten die Teilnehmenden „augenscheinlich mit Sensen oder Motorsensen eine Trasse auf der Grünlandfläche“ freigeschnitten, dort Zelte und ein großes Lagerfeuer errichtet.

Als ein Tierbetreuer sie gebeten habe, die Fläche zu verlassen, hätten ihm Teilnehmende gesagt, dass sie Mitglieder des „Indigenen Volkes Germaniten“ seien, und „als solche wären sie nicht an die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland gebunden“, heißt es in der Mitteilung weiter. Nach dem Eintreffen der Polizei räumten sie das Gelände und zogen auf eine Nachbarfläche. Gefeiert worden sei aber wieder im Naturschutzgebiet.

Vorwürfe gegen Lieblingsfeind Bill Gates

B. steht zudem auf Bühnen, um ihre „Wahrheit“ zu verkünden: In Leer trat sie im Kulturspeicher auf. Dort behauptete sie laut Recherchen des Antifaschistischen Recherchenetzwerks Ostfriesland (@RN!OFO), die Polizei hätte bei der Feier ihre „Ausweise“ akzeptiert.

Die Veranstaltungswerbung lief über den Telegram-Kanal „In die Gänge“, der von stark esoterisch und alternativmedizinischen Engagierten betrieben wurde. In ­Hannover fand B.s Auftritt im Leibnitz Theater statt. Der Betreiber äußerte sich früh einschlägig im Querdenken-Jargon. Bei Youtube findet sich ein Video, in dem er von „gefakten Zahlen“ in Bezug auf Corona spricht und meint, Bill Gates wolle dagegen vorgehen, dass es so viele Menschen auf der Erde gebe. Der Bitte der taz um eine Stellungnahme folgte er nicht.

In ihren Vorträgen betont B., dass die weltweiten Pandemiemaßnahmen letztlich dazu dienten, einen anderen Plan umzusetzen. Seit Jahrhunderten würde „unter der Führung“ einer „Hochfinanz“ ein „Weltherrschaftsanspruch“ proklamiert und anvisiert. B. sagt: „Wir sind im Krieg“.

Bei Protesten gegen die staatlichen Pandemiemaßnahmen waren immer wieder Reichsflaggen zu sehen. Und auch die Verfassungsschutzämter bestätigten unlängst das Offensichtliche: Die Annäherung von Reichsbewegten und Corona-Leugnenden. Das scheint auch hier zusammen zu kommmen.

Die mehrfache Mutter wird aber vor ihren 300 Zuhörenden auch persönlich: „Ich komme aus einer Familie, die sich seit drei Generationen mit Wahrheitsfindung befasst“ sagt sie. B. entstammt einer völkischen Sippe in Schleswig-Holstein. Ihr Stiefvater war einer der ersten rechtsextremen „Selbstverwalter“. Er rief vor 22 Jahren die „Freie Republik Uhlenhof“ aus, mit Sitz in der „Gemarkung Bondelum/Nordfriesland“. Seine Stieftochter folgt ihm nun nach.

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