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Hamburger Gericht rügt PolizeieinsatzKeine Möglichkeit wegzukommen

Das Verwaltungsgericht deutet an: Ein Polizeikessel im Jahr 2012 war rechtswidrig. Damals saßen 700 Gegendemonstranten fest.

Im Kessel gefangen: Gegendemonstrantin im Juni 2012 Foto: dpa

HAMBURG taz | Rechtswidrig, zumindest in Art, Umfang und Dauer: Als die Polizei am 2. Juni 2012, den Neonazis zum „Tag der deutschen Zukunft“ erklärt hatten, in Hamburg antifaschistische GegendemonstrantInnen einkesselte, hätte sie das nicht tun dürfen. Das ist die Quintessenz der mündlichen Verhandlung vor dem Hamburger Verwaltungsgericht am Mittwoch.

Geklagt hatte die Rechtsanwältin Daniela Hödl, die selbst für mehrere Stunden in Gewahrsam saß. Sie nahm an jenem Morgen an einer Kundgebung nahe der Route des Neonazi-Aufmarschs teil, die sich dann frühzeitig auflöste. Unbeirrt wollten einige der DemonstrantInnen in nördlicher Richtung weiter demonstrieren – wie inzwischen bekannt ist, unter anderem auf Initiative der mittlerweile enttarnten verdeckten Ermittlerin „Maria Block“. Zuvor hatte Hödl versucht, die Situation in südlicher Richtung zu verlassen, war aber von einer dort aufgestellten Polizeikette abgewiesen worden.

Um 11.03 Uhr erklärte die Polizei, dass alle zu diesem Zeitpunkt in der Wagnerstraße befindlichen DemonstrantInnen – rund 700 Menschen – in „Präventiv-Gewahrsam“ genommen worden seien; auch Hödl wurde als „Anschein-Störerin“ festgesetzt. Über den Hannoveraner Anwaltskollegen Paulo Dias, der vor Ort war, stellte Hödl per Fax einen Antrag beim Bereitschafts-Haftrichter des zuständigen Amtsgerichts: Dieser möge die freiheitsentziehenden Maßnahmen der Polizei überprüfen oder gar aufheben. Der Richter lehnte es ab, „in der Sache zu entscheiden“: Weil er nicht von der Polizei angerufen worden sei. „Dieses Verhalten verstehen wir nicht“, sagte am Mittwoch Richterin Britta Schlöpke-Beckmann.

„Es ist mit allen Mitteln verhindert worden, dass sich die Leute entfernen“, erwiderte Hödl auf den Vorhalt des Polizeijuristen, einzln wäre der „einschließende Polizeikordon“ zu verlassen gewesen: Angeboten worden sei einzig, nach Feststellung der Personalien in Gewahrsam zu kommen, sagte die Anwältin. „Ich wollte aber nicht irgendwo hingefahren werden und den Nachmittag in einer Zelle verbringen.“

Die Richterin nannte das Polizei-Vorgehen in Punkten „kaum nachvollziehbar“; die Beamten hätten offenbar nie vorgehabt, die in Gewahrsam genommenen Personen dem Haftrichter vorzuführen, was eigentlich „unverzüglich“ erfolgen müsste, so Schlöpke-Beckmann. Schließlich habe dann der Jurist im Polizei-Führungsstab, „nach vier Stunden die Reißleine gezogen“: Eine Ingewahrsamnahme solchen Umfangs und solcher Dauer sei nicht zu rechtfertigen gewesen.

Hödl selbst kam damals gegen 17 Uhr aus dem Kessel – nach rund sechs Stunden. Dem Vorschlag des Gerichts, die Rechtswidrigkeit der Maßnahme gegen Hödl „anzuerkennen“, wollte die Polizei nicht nachkommen. Jetzt hat sie zwei Wochen lang Zeit, sich per Erklärung zu „unterwerfen“ – dann spricht das Gericht ein Urteil.

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4 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Die Polizeiführung in Hamburg sieht ihre Hauptaufgabe schon seit längerem darin, Demonstrationen generell zu verhindern. Dabei spielt es längst keine Rolle mehr, ob die angemeldet, ob die genehmigt sind, ob die friedlich, oder gewaltsam verlaufen. Notfalls sorgen eingeschleuste Agents Provocateurs dafür, dass friedliche Demos von einer Minute auf die andere umgedeutet werden können.

    Die Hamburger Polizeileitung maßt sich verstärkt und unübersehbar Aufgaben an, für die sie weder zuständig ist, noch sonst irgendwie legitimiert wäre.

  • Wie sich die Bilder gleichen -

     

    "Dem Vorschlag des Gerichts, die Rechtswidrigkeit der Maßnahme gegen Hödl „anzuerkennen“, wollte die Polizei nicht nachkommen. Jetzt hat sie zwei Wochen lang Zeit, sich per Erklärung zu „unterwerfen“ – dann spricht das Gericht ein Urteil."

     

    Und die Hartmäuligkeit der Polizei in Hamburg zum wiederholten Male zu derartigem Szenario.

    Schon der unsäglich legendäre "erste"

    Hamburger Kessel - wies dasselbe Strickmuster auf.

    Dabei wurde von den Polizeibeamten zudem garniert mit durchsichtigsten internen Absprachen - gelogen mit zur bitteren Neige.

    Ein Kollege damals " soviele Balken zum Biegen - gibts im ganzen Gerichtsgebäude nicht."

    Wann endlich läßt der Innensenator solches - & zusätzlich die abgrundtief rechtsuntreue Schillzeit -

    Endlich hinter sich?

    In einem demokratischen Rechtsstaat - der diesen Namen verdient - gehört die Lernfähigkeit hin zur Rechtsstreue - der Exekutive & ihrer Behördenvertreter unabdingbar zum Mindeststandard.

  • Und was haben die betroffenen Demonstranten davon (außer zusätzliche Kosten, Zeitaufwand und jede Menge Streß), wenn Jahre später ein Gericht die Unzulässigkeit des polizeilichen Vorgehens feststellt? Oder welche Konsequenzen hat der Vorfall für die Polizei (außer der Erkenntnis, daß es beliebig oft wiederholbar ist, weil ohnehin nichts nachkommt)?

  • Mal wieder wird der Polizei HH vom Verwaltungsgericht eine Rechtswidrigkeit bescheinigt. Wann zieht die Politik in Form des Innensenators mal Konsequenzen ?