Hamburger Antrag zum Containern gescheitert: Keine Einigung auf Straflosigkeit
Anna Gallina, Hamburgs Justizsenatorin, wollte Containern teilweise entkriminalisieren. Nun ist sie bei den anderen Ländern abgeblitzt.
Als Containern bezeichnet man die Entnahme von Lebensmitteln aus den Abfallcontainern der Supermärkte. Manche Aktivisten sprechen auch von „Lebensmittelrettung“. Bisher ist Containern als Diebstahl strafbar.
Hamburgs grüne Justizsenatorin Anna Gallina hatte schon vor zwei Jahren vorgeschlagen, dass Staatsanwaltschaften derartige Strafverfahren jeweils wegen Geringfügigkeit einstellen sollen – wenn bei der Wegnahme einerseits keine Sachbeschädigung und kein größerer Hausfriedensbruch stattfand und andererseits der Verzehr der Lebensmittel „keine Gesundheitsgefahren“ auslöste.
Dies sollte bundeseinheitlich in den „Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren“ (RiStBV) verankert werden, so der Hamburger Antrag. Die RiStBV ist eine gemeinsame Verwaltungsvorschrift der Länder, die für die Staatsanwaltschaften verbindlich ist.
Abstimmungsergebnis nicht öffentlich
Die Minister Buschmann und Özdemir haben den Hamburger Vorstoß im Januar ausdrücklich unterstützt: „Der Antrag bietet aus unserer Sicht eine erwägenswerte Lösung auf Ebene des Verfahrensrechts“. Die Unterstützung hatte für sie den Vorteil, dass sie nicht selbst aktiv werden mussten.
Die RiStBV-Richtlinien werden von einem Ländergremium beschlossen, dem sogenannten RiStBV-Ausschuss. Dieser diskutierte den Hamburger Antrag Mitte Februar und setzte den Ländern dann eine Frist für schriftliche Stellungnahmen bis Mitte März. Das federführende Land Hessen gab nun bekannt, dass die erforderliche Einstimmigkeit für die Änderung der RiStBV nicht zustandekam. Wieviele Länder gegen den Hamburger Antrag stimmten, könne nicht mitgeteilt werden, der Ausschuss mache seine Abstimmungs-Ergebnisse nie öffentlich.
Hessen Justizminister Roman Poseck (CDU) sagte: „Der Ball liegt nun wieder beim Bund. Dieser sollte seiner Verantwortung gerecht werden und als zuständiger Gesetzgeber eine einheitliche Handhabung des Strafrechts sicherstellen.“ Tatsächlich kann nur der Bundestag das Strafgesetzbuch ändern. Poseck würde eine teilweise Entkriminalisierung begrüßen: „Die Frage, ob Fälle des einfachen ‚Containerns‘ strafwürdig sind, ist berechtigt.“
Der zuständige Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ließ ausrichten, er habe das Scheitern des Hamburger Antrags „zur Kenntnis genommen“. Eine Initiative für eine Beschränkung des Diebstahls-Paragrafen im Strafgesetzbuch ist derzeit nicht geplant. Das Ministerium verweist nur vage auf die geplante Modernisierung des Strafrechts, bei der etwa die Strafbarkeit des Schwarzfahrens geprüft werden soll.
Das Scheitern des Hamburger Vorschlags ist vermutlich kein großer Rückschlag für die Bewegung der Lebensmittelretter. Fälle ohne Überwindung von Mauern und Zäunen und ohne Aufbrechen von Schlössern sind wohl eher die Ausnahme. Außerdem werden solche Fälle des einfachen Containerns heute schon in den meisten Bundesländern eingestellt.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung