Hamburg spart bei VHS-Dozent:innen: Hohes Gut, schlecht bezahlt
Die VHS ist eine Perle der Demokratie. Schade, dass Hamburg die dort arbeitenden Leute im Regen stehen lässt. Das ärmere Bremen macht es besser.
D er letzte Kurs, den ich an der Hamburger Volkshochschule (VHS) besucht habe, war ein Gymnastikkurs. Davor war ich in einem Yogakurs in Ottensen gewesen, wo Klone meiner selbst, also mittelalte Akademikerinnen, sich freudlos im herabschauenden Hund übten.
Im Kurs der Volkshochschule trafen sich eine Bankfrau, ein älterer Mann in Turnschlappen, der früher auf dem Markt gearbeitet hatte, eine jüngere Frau mit osteuropäischem Hintergrund und andere Leute, die wohltuend unterschiedlich waren. Anders als im Yogakurs wurde dort gelacht, wenn man versuchte, den anderen die dicken Gymnastikbälle wegzuhauen.
Ich müsste lange nachdenken, um auf einen anderen Ort zu kommen, an dem sich Leute mit so unterschiedlichem Hintergrund treffen. Theoretisch: Sportverein, Kirchengemeinde, Kneipe. Nur dass sie praktisch genauso homogen sind wie die Viertel, in denen sie leben. Eigentlich bleibt nur die Bücherhalle. Da sieht man zunehmend Menschen, die nicht alle biodeutsch sind, nicht alle gleich alt, nicht alle die gleiche Partei wählen und die gleiche Idee von Kindererziehung haben.
Bücherhallen und Volkshochschulen, da kann man gar nicht pathetisch genug werden, sind Orte, an denen Konsum und Status keine Rolle spielen – und das in einer Gesellschaft, in der es fast immer um mindestens eins davon geht. Wer einen Töpfer-, Konfliktlösungs- oder Wildkräuterkurs macht, steigert sein Sozialprestige nicht erheblich; man tut es tatsächlich allein deshalb, weil es einen interessiert.
Kampagne gegen den Rechtsruck
Die Volkshochschule ist ein Ort, den man sich angucken sollte, wenn man an allem Möglichen zweifelt. Und sie ist insofern noch interessanter als die Bücherhalle, als dass sie deutlich weniger Sicherheitsabstand zulässt. Wer einen Kurs macht, muss sich notgedrungen auf die anderen dort einlassen, und sei es nur auf ihre Schadenfreude, wenn sie einem den Gymnastikball wegprellen.
Nun hat die Hamburger VHS eine Werbekampagne begonnen, laut ihrer Pressestelle in Reaktion auf einen drohenden Rechtsruck. „Demokratie braucht Bildung: Wir bieten 9.000 Kurse zum Miteinander Lernen“, heißt es da, „Demokratie braucht Menschen, die Menschen verstehen wollen“ und „Demokratie braucht Menschen, die sich stark für Menschen stark machen“.
Genauso ist es, könnte man sagen, ein schöner Schluss für eine Hymne auf die Volkshochschule im allgemeinen und die Hamburger im besonderen. Wäre da nicht das hässliche Detail, dass sich die Volkshochschule beziehungsweise die Schulbehörde als ihre Geldgeberin nicht so stark für die Menschen macht, die bei ihr arbeiten, wie man sich das wünschen würde.
Anfang des Jahres hatten Dozent:innen der VHS, die dort mehr als die Hälfte ihres Einkommens verdienen, für bessere Arbeitsbedingungen demonstriert. Derzeit zahlt die Hamburger VHS ganze 35 Euro für eine Unterrichtseinheit, in den Integrationskursen sind es 42,23 Euro. Ihre Sozialabgaben – nahezu 40 Prozent – müssen die Dozent:innen davon selbst bestreiten, ein Krankheitsgeld gibt es nicht.
Andere Städte – und zwar solche wie Bremen oder Berlin, die finanziell schlechter dastehen als Hamburg – leisten es sich, die Sozialabgaben zur Hälfte zu übernehmen. Hierzulande steht eine Kostenbeteiligung zwar im Parteiprogramm der SPD, passiert ist bislang aber nichts. „Für eine funktionierende und lebendige Demokratie braucht es Orte, wo unterschiedlichste Menschen aus unterschiedlichen Lebensbereichen zusammenkommen“, hat die SPD-Schulsenatorin Ksenija Bekeris gesagt. Solange sie an den Ausgaben für die Dozent:innen der VHS spart, kann sich nur eine Minderheit von Lehrenden die Volkshochschule leisten.
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