Halbfinale von DFB-Pokal: Kampf der Philosophien

RB Leipzig ist seit Wochen in bestechender Form, Union Berlin seit Monaten überaus stabil. Im Halbfinale des DFB-Pokal kommt es nun zum Duell.

Die Spieler von RB Leipzig fassen sich an den Schultern und bilden einen Kreis

Hungrige Mannschaft: Leipzigs Team schwört sich in Leverkusen auf den Gegner ein Foto: Jürgen Schwarz/imago

LEIPZIG taz | Die 1:2 Pleite bei Union Berlin am 3. Dezember war der Tiefpunkt für RB Leipzig in dieser Saison. Ausgerechnet bei Union Berlin! Die Vereinsphilosophien könnten ja kaum unterschiedlicher sein. RB, das Marketingprodukt, großgezüchtet mit vielen Millionen eines Brauseherstellers, das eine Marktlücke in der Boomtown Ostdeutschlands ausgenutzt hat. Und die Eisernen, die eher für kleines Budget, große Fannähe, Fußballnostalgie und Tradition stehen. An jenem 3. Dezember triumphierte Union. Leipzig rutschte auf Rang elf ab und Trainer Jesse Marsch war seinen Job los.

Wie schnell sich die Dinge im Fußball doch wandeln können! Am Mittwochabend (20.45, ARD) und am kommenden Samstag (15.30, Sky) treffen die Leipziger gleich zwei Mal auf Union – erst im DFB-Pokal-Halbfinale, dann in der Bundesliga.

Diesmal ist alles anders: Domenico Tedesco steht mittlerweile in Leipzig an der Seitenlinie und Euphorie ist in die Messestadt eingekehrt. Seit 14 Spielen ist die Mannschaft ungeschlagen, hat sich auf Tabellenplatz drei hochgearbeitet und das alles, nach der schlechtesten Hinrunde der jungen Vereinsgeschichte. Wie konnte das passieren? Was hat Tedesco getan?

„In erster Linie haben wir getan“, ist die Antwort des Trainers auf diese Frage. Tedesco ist einer, der oft betont leise redet und lieber über den Verein, die Spieler spricht als über sich. „Wir haben eine Mannschaft, die sehr hungrig ist, die sehr gewillt ist, Pläne umzusetzen, Ideen umzusetzen, selbst nachzudenken“, verrät der 36-Jährige noch.

Hohe Anpassungsfähigkeit

Was er nicht sagt: Die Pläne kommen von ihm. Und genau da liegt seine Stärke. Tedesco bereitet die Mannschaft immer mindestens gut, manchmal perfekt auf den Gegner vor. Dabei ist er nicht dogmatisch, sondern passt seine Ideen an die Gegebenheiten an. Im Hinspiel des Europa-League-Viertelfinales kam seine Mannschaft nicht mit der aggressiven Manndeckung von Atalanta Bergamo zurecht. Im Rückspiel eine Woche später hatte Tedesco die Fehler analysiert und abgestellt. Das Ergebnis: Ein 2:0-Erfolg in Bergamo und der Einzug ins Halbfinale.

Tedesco ist nicht dogmatisch. Er passt seine Ideen an die Gegebenheiten an

Seit der 36-Jährige am Ruder ist, haben die Leipziger von 22 Pflichtspielen 15 gewonnen, drei Mal unentschieden gespielt und nur zwei Mal verloren. RB ist das beste Rückrundenteam, mit einem meisterlichen Punkteschnitt von 2,5 Zählern pro Partie. „Wenn du so im Flow bist, macht es einfach nur unheimlich Spaß“, sagte Leipzigs Kapitän Peter Gulacsi. „Und das wollen wir unbedingt beibehalten.“

Im Idealfall würde dieser Flow am Ende zum ersten großen Titel der Vereinsgeschichte führen. Die Chancen scheinen selten günstig: Sowohl in der Europa League, als auch im DFB-Pokal sind die ganz großen Favoriten ausgeschieden, ein Pokal-Double scheint möglich.

Einmalige Chance

Tedesco sorgt in der Mannschaft für den kollektiven Plan, dazu kommt die individuelle Klasse von Spielern wie Christopher Nkunku (in 44 Pflichtspielen 30 Tore, 19 Vorlagen) oder Konrad Laimer. Beide gelten als potentielle Neuzugänge beim FC Bayern. Insofern schwingt in dieser Saison etwas Einmaliges mit. Die Mannschaft wird im Sommer Leistungsträger verlieren, die Konkurrenz dagegen aufrüsten. Also: jetzt oder nie.

Das erste von zwei Duellen gegen Union könnte also kaum aufgeladener sein. Über 6.000 Berliner reisen nach Leipzig. Das Stadion kann nach dem Umbau erstmals mit über 47.000 Zuschauern ausgelastet werden. Leipzig geht zwar als Favorit ins Rennen, dennoch warnte Tedesco: „Wir nehmen Union Berlin als sehr stark wahr. Sie haben aktuell einen guten Lauf, sind seit Längerem sehr stabil.“

Auch von der Gegenseite kamen nette Worte. „Die sind wirklich gut unterwegs“, meinte Union-Trainer Urs Fischer: „Wir brauchen ein optimales Spiel, um für die Überraschung zu sorgen.“ Aber auch das gehört zur Wahrheit: Während sich bei RB Leipzig seit dem 3. Dezember alles geändert hat, ist bei Union alles ziemlich konstant geblieben. Damals wie heute sind die Eisernen Tabellensechster. Und damals wie heute könnten sich wohl alle nichts Schöneres vorstellen, als RB wieder ein Bein zu stellen.

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