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Haftbefehl im Fall ChemnitzJustizbeamter mit rechten Kontakten

Ein Iraker soll in Chemnitz einen Deutschen erstochen haben. Wer ist der Justizbeamte, der den zugehörigen Haftbefehl an Rechte weitergab?

Gehen Sie nicht über Los. Der JVA-Beamte könnte bald wieder im Gefängnis landen Foto: dpa

Berlin taz | Pegida-Gründer Lutz Bachmann postete ihn in einer Whatsapp Gruppe, AfD-Politiker teilten ihn auf Twitter, Neonazis verbreiteten ihn auf Facebook. Am Dienstagabend war der Haftbefehl gegen einen Iraker, der einen Deutschen erstochen haben soll, plötzlich auf vielen rechten Internetseiten zu sehen. Die Tat in Chemnitz hatte am Sonntag und am Montag zu heftigen rechten Ausschreitungen in der Stadt geführt, Gruppen von Neonazis jagten Migranten durch die Straßen. Nur ein zusätzlicher Skandal, dass die Rechtsradikalen einen Tag später an den vertraulichen Haftbefehl gelangt waren.

Seit Donnerstag ist nun immerhin klar, wer das Dokument weitergab. Der 39-jährige Justizbeamte Daniel Z. gestand in der Bild-Zeitung, den Haftbefehl fotografiert und verbreitet zu haben. Wer ist der Mann?

Fast alles, was man über ihn weiß, stammt aus der Bild, die direkt mit ihm gesprochen hat. Wirklich viel erfährt man aus dem Artikel über seine Person selbst allerdings nicht. Nur soviel ist bekannt: Z. arbeitet seit 2014 in der JVA Dresden und war an den Haftbefehl gelangt, als einer der Täter ins Gefängnis eingeliefert wurde.

Das Dokument habe im Zugangsbereich des Gebäudes herumgelegen. Nachdem Z. es fotografiert hatte, sandte er die Aufnahme an Kollegen aus der Justiz, an Freunde des erstochenen Deutschen, aber auch an die rechte Gruppe „Pro Chemnitz“, wie es in der Bild heißt. Als Begründung gibt er an, lediglich gewollt zu haben, „dass die Wahrheit und nur die Wahrheit an Licht der Öffentlichkeit kommt.“

Welche politischen Meinungen Z. vertritt, ist bisher noch nicht klar. Für ein enges Verhältnis zu Rechten spricht aber nicht nur, dass er den Haftbefehl direkt an „Pro Chemnitz“ weitergab. Auch der Anwalt Frank Hannig, den sich Z. aussuchte, um ihn beim Interview zu begleiten, hat Kontakte zu rechten Gruppen.

Der Dresdner Jurist hatte in der Vergangenheit etwa bei der Gründung des Pegida-Fördervereins geholfen. In der Bild sagte der 48-Jährige Verteidiger über seinen Mandanten: „Er steht zu seiner Tat und will die Konsequenzen tragen.“

Die bekommt Z. bereits jetzt zu spüren: Das sächsische Justizministerium hat ihn mittlerweile suspendiert. Ihm droht aber noch mehr. Laut Strafgesetzbuch kann derjenige mit bis zu einem Jahr Haft bestraft werden, der amtliche Dokumente eines Gerichtsverfahrens veröffentlicht, bevor sie in einer öffentlichen Verhandlung besprochen oder das Verfahren beendet wurde. Auch eine Anklage wegen der Verletzung von Dienstgeheimnissen wäre wohl möglich. Für Z. geht es also vielleicht doch noch einmal zurück in die JVA.

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23 Kommentare

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  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Ja nun, auch das Verraten als geheim eingestufter Informationen ist illegal, wie man ja seit Assange und Snowden weiß.

    Also sind auch jene, die den beiden das Handwerk legen wollen, Whistleblower.

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    "Und jetzt gibt es auch hierzulande einen richtig guten, bösen(?) Whistleblower."

    Meinen Sie das ernst?

    Nicht jede*r Geheimnisverräter*in ist ein Whistleblower. Wenn jemensch den Aufenthaltsort von Kronzeug*innen an die Mafia verrät, ist das auch eine Straftat und kein Whistleblowing.

    Bei Wikipedia heißt es:

    Ein Whistleblower[3] (im deutschen Sprachraum zunehmend auch Hinweisgeber, Enthüller oder Skandalaufdecker) ist eine Person, die für die Allgemeinheit wichtige Informationen aus einem geheimen oder geschützten Zusammenhang an die Öffentlichkeit bringt. Dazu gehören typischerweise Missstände oder Verbrechen wie Korruption, Insiderhandel, Menschenrechtsverletzungen, Datenmissbrauch oder allgemeine Gefahren, von denen der Whistleblower an seinem Arbeitsplatz oder in anderen Zusammenhängen erfährt. Im Allgemeinen betrifft dies vor allem Vorgänge in der Politik, in Behörden und in Wirtschaftsunternehmen."

    de.wikipedia.org/wiki/Whistleblower

    • @74450 (Profil gelöscht):

      Es heißt nicht jemann, sondern jemand, was zur Folge hat, daß das Wort jemensch unverständlicher Blödsinn ist.

      Hoffentlich als Ironie/Satire eingesetzt, und nicht erst gemeint.

      • @wazzabuzz:

        Ich gendere die Sprache selbst zwar nicht, seh den Inhalt der Aussage aber als sehr verständlich. Argumentativ und sachbezogen ist dir nichts eingefallen?

  • Angesichts der offenbarten Durchdringung staatlicher Stellen mit rechten Aktivisten (LKA Dresden, Justiz Chemnitz, Polizei Bremen) muss man sich schon fragen, wie eigentlich der Mord an Daniel H. und die Szenen zuvor tatsächlich je aufgeklärt werden können.

    Können Justiz und Polizei in dieser Stadt tatsächlich den Fall aufklären, wenn schon die erste Meldung durch anonyme Beteiligte gleich mit einer vorsätzlich offenbar falschen Darstellung verknüpft war, die darauf hindeutet, dass die an der Auseinandersetzung beteiligten Kontrahenten zu einer Aufklärung nichts beitragen werden.

    • @unSinn:

      Aktivist*innen

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Dass Herr Z. zu seiner Tat steht und die Konsequenzen tragen will: da wird ihm wohl auch nichts anderes übrig bleiben. Das nennt sich Rechtsstaat - und ist keine Erfindung der politischen Rechten.

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @76530 (Profil gelöscht):

      Das ist ganz wichtig: Vor allem keine Erfindung der Rechten!

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    Wieder etwas gelernt,

    und was die Bigotterie betrifft, schon etwas jenseits der oft schadenfreudigen Ironie.

    Es gibt, diese Tage gelernt, nun auch gute und schlechte Whistleblower, gute und schlechte sog. Leaks. Bislang waren die eigentlich immer gut, per Definition die Guten.

    Ok, Assange sitzt auch deswegen immer noch exterritorial in London und Snowden gar weiterhin beim bösen Putin. Lediglich Chelsea Manning ist nach Verbüßung einer Teilstrafe wieder frei - aber auch nicht so richtig. Australien verbot ihr kürzlich die Einreise.

    Und jetzt gibt es auch hierzulande einen richtig guten, bösen(?) Whistleblower. Der hat sich sogar gleich freiwillig geoutet und geht mit einer ausführlichen Erklärung zur Causa, geht mit seinem Anwalt proaktiv in die Offensive, Seine erwartbare Exmatrikulierung als Beamter dürfte ein sehr spezielles Medienereignis, absolut bigott zelebriert werden; weil ja eigentlich ein Guter ...

    • @90857 (Profil gelöscht):

      Whistleblower machen illegale Abläufe innerhalb von Organisationen der Öffentlichkeit zugänglich.



      Daniel Z ist mithin kein Whistleblower .

      • 9G
        90857 (Profil gelöscht)
        @Rider:

        Gibt es zum Begriff und zur Tätigkeit allgemein gültige, verbindliche Definitionen?

        Meine schwache Erinnerung sagt mir, dass Wikileaks auch Unterlagen von privaten Firmen veröffentlicht hat.

        Und diejenigen, welche sich beispielsweise undercover bei einem Schlachthof etc. anstellen lassen und dann die Tierquälerei und/oder die damit einhergehende Menschenverachtung dokumentieren und veröffentlichen

        die sind dann was?

        Der erste Whistleblower, obwohl es den Namen damals hier noch garnicht gab, das war Gunther Wallraff mit seinem Türken "Ali".

        Ist also wohl eher das Gute, das Hehre was bislang und ungeschrieben hinter Begriffen wie "Whistleblower" oder "Leak" stand.

        • @90857 (Profil gelöscht):

          "Gibt es zum Begriff und zur Tätigkeit allgemein gültige, verbindliche Definitionen?"

          Sie meine eine die die Straftat dieses Justitzbeamten doch noch zum Wistleblowing veredelt? Nö.

          • 9G
            90857 (Profil gelöscht)
            @Rudolf Fissner:

            Manche sind gleich, andere gleicher; und oft auch nur im sehr selektive virtuellen Schwarm.

            Behaupte sogar Folgendes:



            Wenn Snowden die hiesigen, gut gemeinten Ratschläge (auch von Ströbele & Co.) befolgt hätte und nach Deutschland gekommen wäre,

            dann dürfte ihm Puigdemonts Schicksal sicher gewesen sein, mindestens ...

            Nur sind die US-Amerikaner härter als die Spanier, auch nicht so sehr durch EU-Benefits zu locken.

            Also tat und tut Snowden gut daran, sich nicht auf die hier weiter unten genannte "Rechtsgüterabwägung" zu verlassen, seine Existenz dahingehend "zu veredeln".

            • @90857 (Profil gelöscht):

              Sie kommen vom Hundertste ins Tausendste. Was haben den plötzliche Sprüche über Gleichheit hier zu suchen? Oder der „virtuelle Schwarm“?

            • @90857 (Profil gelöscht):

              Ihre Argumentationsstruktur behandelt nie diesen Justizbeamten, immer nur andere.



              Finde ich auch nicht weiter verwunderlich. Was soll an der Behinderung der Aufklärung eines Todschlags auch irgendwie positives dran sein.

              • 9G
                90857 (Profil gelöscht)
                @Rudolf Fissner:

                Etwas Positiver in meiner Beurteilung werden Sie nicht finden, wohl aber von Anfang an Vergleichendes.

                Man mag sich ja sehr selektiv und mit gutem Gewissen einreden, dass es in der Strafbarkeit gewaltige Unterschiede gäbe,

                in der Realität draußen aber eben kaum.

    • @90857 (Profil gelöscht):

      Ihr Vergleich ist nicht zutreffend, da es hier in erster Linie um die Persönlichkeitsrechte des Verdächtigen geht. Schon mal was von Unschuldsvermutung gehört? Sobald es zur Anklage kommt, sind die Informationen zugänglich, vorher gehen sie nur die Betroffenen etwas an.

      Herr Snowdon und Frau Manning haben über geheime Vorgänge berichtet, aber keine Namen genannt.

      • 9G
        90857 (Profil gelöscht)
        @Adele Walter:

        Habe ich das Tun dieses "bösen" Whistleblowers auch nur mit einem Wort verteidigt?

        In allen genannten Fällen sind es, der jeweils geltenden Rechtsordnung geschuldet, strafbare Handlungen.

        Um dieses Prinzip geht es mir , wenn ich es Bigotterie nenne.

        • @90857 (Profil gelöscht):

          Stell dich nicht dümmer, als du bist. Deine Intention ist die Rechtfertigung und Bagatellisierung des Vorfalls. Die von dir gesetzten Anführungsstriche sollen darlegen, dass der JV-Beamte nichts schlechtes gemacht habe.

        • @90857 (Profil gelöscht):

          Es geht immer um Rechtsgüterabwägung. Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie alles über einen simplen legalisten Kamm scheren.

          • 9G
            90857 (Profil gelöscht)
            @Adele Walter:

            "Rechtsgüterabwägung"

            Objektiv, wenn es das gäbe, oder lediglich subjektiv?

            Unsere us-amerikanischen Partner hatten und haben zur Causa Snowden offensichtlich eine andere Auffassung.

            Wie Sie mit Sicherheit wissen, datiert die Sache mit Snowden aus 2012, der Ägide von Obama. Und der hatte als Präsident -soweit ich richtig rechne- dann noch rund vier Jahre Zeit, die Angelegenheit in dem Sinne zu regeln, den ich mir erlaube, aus Ihren Worten zu entnehmen.

            Ok, jetzt ist der "böse" Trump d'ran; und über Obamas Tun oder Nichttun kann man den gnädigen Mantel der Geschichte wehen lassen.

            Auch das nenne ich Bigotterie!

        • @90857 (Profil gelöscht):

          Wenn du das "Tun dieses 'bösen' Whistleblowers" nicht verteidigst, soll das wohl heißen, dass Snowden und Manning sich brav an die Gesetze hätten halten sollen und ruhig sein, oder was?

  • Die BILD schrie heute, was für ein Skandal das sei, dass die Messerstecher nicht schon zuvor abgeschoben worden seien.



    Der Justiztyp wird gelobt.