HSV feuert Trainer Fink: 12 Trainer seit 2001
Nach der Entlassung von Trainer Thorsten Fink wird beim HSV nun ein Nachfolger gesucht. Kommt es zur Rückkehr von Felix Magath?
HAMBURG taz | „Wir machen jetzt drei Tage frei“, hatte Thorsten Fink in einem Anflug von Galgenhumor nach der 2:6-Niederlage des HSV bei Borussia Dortmund gesagt. Damit spielte er auf die Diskussionen über die Reisebewegungen seiner Spieler nach der 1:5-Klatsche gegen die TSG Hoffenheim an.
Er selbst reiste dann am Sonntag tatsächlich noch vor dem Auslaufen zu seiner Familie nach München. Diesmal flog ihm allerdings Sportdirektor Oliver Kreuzer am Montag hinterher und teilte ihm mit, dass er nicht mehr Trainer des HSV ist.
„Wir haben einen Fehlstart hingelegt“, sagte Kreuzer am Dienstag zu seiner Entscheidung. Der HSV liegt nach dem 5. Spieltag mit lediglich vier Punkten auf Platz 15 der Bundesliga-Tabelle. „Wir hatten nicht mehr das 100-prozentige Vertrauen, dass Thorsten die Power hat, den Umschwung zu schaffen.“
Den letzten Ausschlag gab offensichtlich die Tatsache, dass Kreuzer seinem alten Kumpel Fink nicht mehr die taktische Kompetenz zusprach, der Schießbude der Bundesliga – 15 Gegentore in fünf Spielen – die nötige Stabilität zu verleihen. „Es war keine klare Linie und Konstanz zu erkennen, es gab immer kleines Wirrwarr“, so Kreuzer.
Kritik von Van der Vaart
Damit hat der HSV seit 2001 nun bereits den 12. Trainer verschlissen. Fink, der sich Dienstag noch von der Mannschaft verabschiedete, war dabei mit 23 Monaten sogar der mit der längsten Verweildauer. In seiner ersten Saison hatte er nicht nur den befürchteten Abstieg vermieden, sondern die Mannschaft sogar fast noch in die Europa League geführt.
Selbst Mannschaftskapitän Rafael van der Vaart, der sich Montagabend von der Bild-Zeitung aus dem Bett klingeln ließ, hatte erwartet, dass Fink am Samstag beim Nordderby gegen Werder Bremen noch auf der Bank sitzen würde. „Das ist unglücklich zu dem Zeitpunkt“, sagte der Niederländer und wurde dafür sofort von Oliver Kreuzer zurechtgewiesen. „Das steht ihm nicht zu.“
Es ist seit Langem ein Kernproblem beim HSV, dass in einer bemerkenswerten Vielstimmigkeit durcheinandergequatscht wird. Und da bildete Thorsten Fink keine Ausnahme. Schon bei seiner Vorstellung verkündete er forsch „einer wie Klopp“ zu sein. Und zuletzt stellte er gleich zweimal öffentlich Entscheidungen des Sportdirektors infrage.
Zum Verhängnis wurde ihm aber, dass er – ausnahmsweise im Gleichklang mit der offiziellen Vereinsdoktrin – für die laufende Saison in völliger Verkennung der Kaderstärke einen Platz in der Europa League in Aussicht stellte. Dabei wirkte der 7. Platz der Vorsaison wie Sand in den Augen aller Beteiligten. Es wurde verdrängt, dass dieser Erfolg der Schwäche der Konkurrenten, einer Menge Glück und einem Weltklasse-Torwart zu verdanken war.
Ein riesiger Schuldenberg
Der Realitätsschock kam bereits nach dem 5. Spieltag. Aber statt nun die Saisonziele den Gegebenheiten anzupassen, wird einmal mehr der Trainer zum Bauernopfer einer verfehlten Vereinspolitik. Die hechelt seit Jahren kurzatmig mit beträchtlichem finanziellem Einsatz alten Triumphen hinterher.
Das Ergebnis ist ein Schuldenberg, dessen wahres Ausmaß im Dunkeln liegt, und eine zusammengewürfelte Mannschaft, die von keinem Trainer der Welt kurzfristig auf Europa-Kurs gebracht werden kann.
Aber genau das wird auch von Finks Nachfolger erwartet werden. Wer das sein wird, war am Dienstag noch unklar. Kurzfristig werden der bisherige Ko-Trainer Rudolfo Cardoso und U19-Coach Otto Addo das Training übernehmen. Ein genaues Profil für den neuen Trainer gibt es noch nicht. „Er muss Deutsch sprechen“, war das einzige Kriterium, das Oliver Kreuzer nennen konnte. „Wir müssen sehen, was der Markt hergibt.“ Und so wird über alle Namen spekuliert, die der Markt so hergibt, von Markus Babbel über Franco Foda bis zu Holger Stanislawski.
Dem HSV steht mal wieder ein unruhiger Herbst bevor. Eine starke Gruppe von HSV-Mitgliedern um Ex-Aufsichtsratsboss Ernst-Otto Rieckhoff und ehemaligen Spielern fordert die Ausgliederung der Profiabteilung als AG. An der könnte dann auch der Investor und Van-der-Vaart-Finanzier Klaus-Michael Kühne Anteile erwerben. Der hat eine ganz klare Forderung für weitere Finanzspritzen: Felix Magath for President.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
Habecks Ansage zur Kanzlerkandidatur
Pragmatismus am Küchentisch
Belästigung durch Hertha-BSC-Fans
Alkoholisierte Übergriffe im Zug
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk
Solidaritätszuschlag in Karlsruhe
Soli oder Haushaltsloch