HSV-Sieg über Hannover 96: Heilsame Haltung
Die Proteste gegen seinen Spieler Bakery Jatta stärken den Zusammenhalt beim Hamburger SV. Gegen schwache Hannoveraner traf Jatta zum 3:0.
Der öffentliche Druck hat bei Jatta Spuren hinterlassen. Das zeigte sich beim Heimspiel gegen Hannover 96 an seiner Körperhaltung. Manchmal versprang ihm der Ball oder er verstolperte Offensivaktionen. Jatta wirkte nervöser als sonst. Er will den großen Rückhalt seines Klubs und seiner Anhänger mit guten Leistungen zurückzahlen.
Es dauerte bis zur 75. Minute, dann belohnte Jatta sich und seinen HSV mit einem Tor. Er schoss das Team zum 3:0-Endstand gegen erschreckend schwache Hannoveraner.
Was danach passierte, sagt so einiges über den aktuellen Zustand des Hamburger SV aus, der mit mittlerweile 13 Punkten aus fünf Spielen seine Rolle als Spitzenanwärter auf die Aufstiegsplätze untermauert hat. Jatta rannte sofort zu Trainer Dieter Hecking und verschwand dann in einem Pulk gelöst jubelnder Hamburger.
Dieter Hecking, HSV-Trainer
Neu an diesem HSV ist nicht nur die Souveränität, mit der er auf dem Platz auftritt. Sondern auch die Souveränität im Umgang mit der noch immer ungeklärten Frage nach der „wahren“ Identität seines Spielers, dem an diesem Nachmittag fast alle im Stadion einen Treffer gegönnt haben. Vielleicht auch deshalb, weil er sich wie ein Treffer gegen all jene anfühlt, die die Debatte politisch missbrauchen.
Der Fall Jatta hat sich für den HSV deshalb zu einer perfekten Vorlage entwickelt, um endlich, nach vielen Jahren gefühlter Orientierungslosigkeit, Haltung zu zeigen, die sich spürbar positiv auf die Mannschaft auswirkt und den Zusammenhalt stärkt. „Wie Bakery damit umgeht, ist sensationell“, lobte Hecking. Darüber, wie das Tor gefallen sei, „da kann man ein Drehbruch schreiben“, sagte der Trainer über die emotionale Schlussphase des Spiels.
Für dieses Drehbuch kam mit Hannover 96 ein passender Gegner, dem als Absteiger aus der Bundesliga deutlich mehr zugetraut wird, als er im Augenblick zu leisten im Stande ist. Das Team von Mirko Slomka ist weit davon entfernt, sich selbst zu den Favoriten auf den Aufstieg zu zählen.
Das ist bei genauerer Betrachtung der Transferpolitik in der aktuellen Wechselperiode auch nicht wirklich verwunderlich. Die „Roten“ haben vor der Saison ihre besten Spieler für knapp 25 Millionen Euro verkauft und nur fünf Millionen in Neuzugänge investiert. Offenbar reicht das nicht, um in der aktuellen Phase mehr Punkte zu holen. Vor allem nicht gegen einen Gegner wie den HSV, der unter Hecking zwar noch nicht in jedem Spiel über 90 Minuten zu gefallen weiß, aber immer dann zuschlägt, wenn die Gegner nachlässig werden.
Mehr Reife, mehr individuelle Klasse
Mit Spielern wie Sonny Kittel oder Adrian Fein verfügt der HSV über die individuelle Klasse, um die in der Regel von vielen Defensivszenen geprägten Spiele für sich zu entscheiden. Und noch wichtiger: Das Team ist spürbar reifer geworden, was sich daran bemerkbar macht, dass es Druckphasen besser übersteht und selbst nach Gegentoren nicht in sich zusammenfällt.
Dafür haben die Hamburger allerdings tief in die Tasche gegriffen: Der ohnehin schon rekordverdächtige Personaletat in der letzten Saison wurde noch einmal erhöht und liegt nun bei über 30 Millionen. Für den Moment scheint diese Rechnung aufzugehen.
Obwohl in der Zweiten Liga mit Stuttgart, Nürnberg und Hannover sogar drei Klubs mitspielen, die finanziell mit dem HSV mithalten können, hinken sie den Erwartungen noch hinterher. Und nach fünf Spieltagen ist es nicht zu früh, um festzuhalten, dass der HSV seine Hausaufgaben im Sommer im Vergleich zur Konkurrenz am gründlichsten erledigt hat.
Aber genau das haben in der vorigen Saison zum gleichen Zeitpunkt schon einmal fast alle über den HSV gedacht.
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