HAMBURG ZEIGT, WIE TIEF DIE KRISE DER SPD IN DEN LÄNDERN IST: Partei ohne Grund
Die Hamburger SPD zerlegt sich in aller Öffentlichkeit selbst. Und in Wiesbaden hat sie kürzlich vergessen, ihren Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl anzumelden. Dies sind zwei besonders schrille Fälle von Unfähigkeit, aber es sind keine Zufälle. Sie offenbaren, in welchem miesen Zustand sich die SPD mancherorts befindet.
In Hamburg ist die Fallhöhe besonders groß. Die Partei hat dort 44 Jahre die Stadt geprägt. Nun sind Wahlniederlagen in Hochburgen oft Quittungen für Machtarroganz und Klientelismus. Außerdem sind Stammwähler seltener und die Wähler insgesamt wankelmütiger geworden. Insofern gehören Wahldebakel, wie in NRW oder Hamburg, zum Normalbetrieb der Mediendemokratie.
Doch alarmierend für die SPD ist etwas anderes – nämlich dass die Dialektik von Machtverlust und Wiederaufstieg außer Kraft gesetzt ist. Die SPD regeneriert sich, wie Hamburg zeigt, nicht mehr in der Opposition – sie versinkt in Bedeutungslosigkeit und Intrigen des Apparates. Sonst drängen nach verheerenden Niederlagen oft Nachwuchskräfte nach vorne. Die Partei lernt, sie öffnet sich neuen Themen oder gewinnt, befreit von den Zwängen des Regierens, enttäuschte Stammwähler zurück. Doch in Hamburg, Frankfurt, Köln und manchen Ruhrgebietsstädten geschieht nichts dergleichen. Warum?
Ein Grund scheint zu sein, dass die interne Elitenbildung nicht mehr funktioniert. Früher waren Gewerkschaften und Betriebsräte der quasi natürliche soziale und personelle Nährboden der SPD. Das ist heute vorbei. Die Gewerkschaften sind auf Distanz zur Partei gegangen, ohne dass die SPD ein anderes Milieu für sich erschlossen hat.
Außerdem wirkt die SPD wie eingeklemmt: Ihre Traditionswähler hat sie mit dem Sozialsstaatsabbau unter Rot-Grün nachhaltig abgeschreckt – ohne deshalb bei den urbanen, neobürgerlichen Milieus viel zu gewinnen.
Die SPD regiert im Bund seit 1998 mit. Der Mitgliederschwund, den Schröder der Partei bescherte, hat an Tempo verloren. Uns, versichert die SPD-Parteispitze, geht es doch gut. Aber das täuscht. Die Krise in Ländern und Großstädten wird auch die SPD in Berlin erreichen. STEFAN REINECKE
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