Gutachten zu digitaler Vorstandswahl: Grünes Licht für die CDU

Der CDU-Parteitag wird wohl digital stattfinden. Für die Wahl per Internet ist laut Gutachten keine Grundgesetzänderung nötig.

Norbert Röttgen, Friedrich Merz und Armin Laschet stehen mit Mund-Nasenbedeckung nebeneinander

Die Kandidaten Röttgen, Merz und Laschet könnten sich per digitalen Parteitag zur Wahl stellen Foto: Michael Kappeler/reuters

LEIPZIG taz | Der Gesetzgeber kann digitale Vorstandswahlen auch ohne Grundgesetzänderung einführen. Zu diesem Schluss kamen jetzt die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags. Die Experten empfehlen eine Abgabe der Stimme per verschlüsselter DE-Mail.

Die Nachricht dürfte vor allem die CDU erfreuen, die dringend einen Parteivorsitzenden wählen will. Der für Anfang Dezember geplante Wahlparteitag wurde wegen der Pandemie abgesagt. Ziel ist jetzt ein Termin im Januar. Ob es ein Präsenz-Parteitag wird oder eine Online-Veranstaltung, soll im Dezember entschieden werden.

Sinnvoll wäre in diesen Zeiten ein digitaler Parteitag, bei dem sich die Kandidaten (zur Zeit Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen) per Video vorstellen und befragen lassen. Die Stimmen müssten dann anschließend per Brief oder per App übermittelt werden. Da es mehrere Wahlgänge geben kann, gilt eine Briefwahl als zu schwerfällig. Allerdings ist eine elektronische Vorstandswahl bisher nicht erlaubt.

Zwar sind digitale Parteitage inzwischen weitgehend möglich. Die Delegierten können online über das Wahlprogramm oder das Parteilogo abstimmen. Das hat der Bundestag Anfang Oktober durch eine Änderung im „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie“ klargestellt. Allerdings sieht das Gesetz eine ausdrückliche Ausnahme für die „Schlussabstimmung“ bei Vorstandswahlen vor. Diese darf also nicht per Email oder App erfolgen.

„Zuverlässige Richtigkeitskontrolle“

Dieses Verbot ließe sich aber leicht ändern. Der Bundestag müsste nur mit einfacher Mehrheit das Parteiengesetz oder das Covid-19-Gesetz anpassen. Hierfür bräuchte die CDU/CSU im Bundestag also nur die Stimmen des Koalitionspartners SPD, der sich bereits gesprächsbereit zeigte.

Allerdings gab es bisher immer wieder verfassungsrechtliche Bedenken gegen digitale Vorstandswahlen. Hintergrund ist Artikel 21 des Grundgesetzes, der den Parteien innerparteiliche Demokratie vorschreibt. Bei der Wahl von Parteivorständen sollen damit im wesentlichen die gleichen Wahlgrundsätze gelten wie bei der staatlichen Wahl von Abgeordneten. Die Wahlen müssen insbesondere frei, gleich und geheim ablaufen.

Für staatliche Wahlen hat das Bundesverfassungsgericht 2009 den Einsatz von Wahlcomputern vorerst verboten, weil nicht richtig kontrollierbar sei, ob die Wahl sauber ist. Kein Wähler könne erkennen, ob ein Wahlcomputer, der die elektronisch abgegebenen Stimmen selbst auszählt, defekt oder manipuliert ist. Deshalb müsse bis auf weiteres die Stimme per Wahlzettel abgegeben werden.

Am Ende des Wahltags könne dann der Inhalt der verschlossenen Urne öffentlich ausgezählt werden und im Zweifel könne die Auszählung der Stimmzettel jederzeit wiederholt werden, so das klassische Modell. Nur wenn ein digitales System ähnlich gut kontrollierbar ist, genüge es verfassungsrechtlichen Anforderungen, erklärten die Karlsruher Richter vor elf Jahren.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) wollte nun wissen, was das damalige Karlsruher Urteil für die heutige Diskussion um digitale Vorstandswahlen bedeutet. Er gab deshalb bei den Wissenschaftlichen Diensten des Bundestags zwei Kurzgutachten in Auftrag, die jetzt vorliegen. Danach sehen die Experten keine verfassungsrechtlichen Probleme, wenn auch bei der digitalen Stimmabgabe eine „zuverlässige Richtigkeitskontrolle“ möglich ist. Die Bundestags-Gutachter schlagen den fast schon in Vergessenheit geratenen Dienst DE-Mail vor, mit dem eindeutig identifizierte Personen rechtssicher und verschlüsselt Nachrichten und Dokumente austauschen können.

Sollte es Zweifel geben, ob die DE-Mail oder ähnliche digitale Lösungen den hohen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genügen, müsste sicherheitshalber doch das Grundgesetz geändert werden, so die Gutachter. In Artikel 21 könnte dann der Satz eingefügt werden: „Für parteiinterne Wahlen können Abweichungen von den Wahlrechtsgrundsätzen zugelassen werden.“ Hierfür wäre dann aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und Bundesrat erforderlich. Die Koalition müsste sich also mit den Grünen einigen, die in elf Ländern mitregieren und deshalb anders als FDP, Linke und AfD jede Grundgesetzänderung blockieren können.

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