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Gutachten zu Zschäpe im NSU-ProzessDie Schlammschlacht geht weiter

Beate Zschäpes Verteidiger blockieren im NSU-Prozess: Die Anhörung eines Psychiaters muss erneut verschoben werden.

Manipuliert sie wieder? Klar ist nur, Zschäpe versteht sich nur noch mit einem ihrer Verteidiger Foto: reuters

München taz | Das Manöver hatte Erfolg: Auch am Mittwoch ist es den Verteidigern von Beate Zschäpe im NSU-Prozess gelungen, den Vortrag des Psychiaters Henning Saß zu verhindern. Über Stunden blockierten sie die Verhandlung mit einem Befangenheitsantrag.

Saß sollte eigentlich bereits am Dienstag sein Gutachten über Zschäpe vorstellen. Schon da aber hielten die Verteidiger mit Anträgen gegen. Saß sei „wegen fachlicher Ungeeignetheit“ zu entbinden. Dessen vorläufiges Gutachten über Zschäpe enthalte „methodische Mängel“ und „nicht nachvollziehbare“ Wertungen. Auch habe Saß nie direkt mit Zschäpe gesprochen. Allein: Es ist Zschäpe, die dies bis heute verweigert.

Richter Manfred Götzl lehnte den Vorstoß der Verteidiger am Mittwoch denn auch ab: Eine Entlassung von Saß sei nur im Einvernehmen mit allen Prozessbeteiligten möglich. Bundesanwaltschaft und einige Opferanwälte aber seien dagegen. Zudem könne man das Gutachten von Saß erst beurteilen, wenn dieses vorgetragen worden sei.

Zschäpes Anwälte stellten daraufhin ihr Ablehnungsgesuch gegen die Richter. Die Gründe, mit denen ihre Anträge zurückgewiesen wurden, seien „völlig abwegig“, sagte Verteidiger Wolfgang Stahl. Wenn man Mängel im Gutachten entdecke, könne man diese doch nicht ignorieren. Den Richtern gehe es allein um eine rasche Prozessführung, „mit Fokus auf einer Verurteilung“.

Dann kommt es zur Posse. Denn der Antrag ist vorerst ein Alleingang. Der Hintergrund: Zschäpe ist mit Stahl und zwei weiteren Verteidigern seit Langem zerstritten. Erst nach 20 Minuten Beratung mit ihren beiden neuen, zusätzlichen Anwälten schließt sich die 41-Jährige dem Antrag an. Da aber interveniert Bundesanwältin Anette Greger: Das komme zu spät, ein Befangenheitsantrag müsse „unverzüglich“ gestellt werden. Dieser sei nun unzulässig.

Der Streit bleibt ungelöst. Richter Götzl unterbricht den Prozess erst erneut, dann vertagt er ihn am Nachmittag. Eines aber haben die Verteidiger da schon bewirkt: Die Verhandlung wurde wiedermals ausgebremst.

Liest man das vorläufige Gutachten von Saß, erklärt sich der Widerstand der Anwälte. Der Psychiater hält Zschäpe für voll schuldfähig, beschreibt sie als „antisozial“ und „manipulativ“. Er hält eine jahrelange Sicherungsverwahrung für möglich. Sein Gutachten stützte er letztlich auf Prozessakten und seine Beobachtungen im Gerichtssaal. Nun wird der Psychiater erst im kommenden Jahr vorsprechen. Bis zum 10. Januar herrscht Weihnachtspause im Prozess.

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4 Kommentare

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  • Wie lange sitzt die jetzt eigentlich schon in U-Haft ? Ist das überhaupt zulässig ? Sie hat die Bude der beiden Uwes abgefackelt; das kann man ihr wohl nachweisen. Mehr aber offensichtlich nicht. Man scheint darob verägert zu sein und möchte sie nun für verrückt erklären lassen, oder ?

  • @ "…Hier braucht es dringend eine sinnvolle Änderung." &

    "…Die Verhandlung wurde wiedermals ausgebremst.…"

     

    kurz - Wie sich klein Fritzchen den Rechtsstaat vorstellt - oder -

    Mit Wolfgang Neuss -

    "Es genügt nicht - keine Gedanken zu haben - man muß auch unfähig sein

    Sie auszusprechen.."

    • @Lowandorder:

      Haben Sie evtl. eigene Gedanken, die zielführend sind? Oder merken Sie nicht, dass hier der Rechtsstaat ad absurdum geführt wird?

  • Der Prozess trägt zwar bis jetzt nicht besonders viel dazu bei, die Verbrechen des NSU aufzuklären, er offenbart aber zahlreiche Merkwürdigkeiten der Strafprozessordnung.

     

    Es ist doch absurd, dass die Angeklagte Verteidiger behalten muss, die sie nicht mehr haben will und die Anträge ohne Abstimmung mit den eigentlichen Verteidigern stellen. Das kostet nicht nur sinnlos Geld, sondern behindert auch massiv die Wahrheitsfindung.

     

    Dazu kommt, dass es offenbar möglich ist, mit sinnlosen Befangenheitsanträgen einen Prozess immer wieder zu verzögern. Hier braucht es dringend eine sinnvolle Änderung.

     

    Schon weil die Begründung des völlig absurd ist. Wenn jemand die Mitarbeit an einem Gutachten verweigert, so kann er oder sie sich nicht darauf berufen, dass niemand mit ihm oder ihr gesprochen hat. Und schon garnicht verlangen, dass der Gutachter nicht gehört wird. Schließlich hat die Verteidigung genug sinnvolle Möglichkeiten, das Gutachten anzuzweifeln. Wie wäre es mit einem Gegengutachten? Oder einfach einer Befragung des Gutachters?

     

    Wenn Prozesstaktik die Wahrheitsfindung massiv behindern kann, so ist es Aufgabe der Politik, sich Gedanken darüber zu machen, wie so etwas künftig verhindert werden kann.