piwik no script img

Gutachten zu „Planetarer Gesundheit“Umweltschäden gefährden Gesundheit

Forscher:in­nen untersuchen im Auftrag der Bundesregierung, wie sich der Zustand der Natur auswirkt.

Kohleabbau in Dhanbad, Indien: der Zustand der Natur wirkt sich stark auf die Gesundheit aus Foto: Joerg Boethling/imago

Man möchte denken, Wohlstand und technologischer Fortschritt hätten die menschliche Gesundheit weltweit verbessert. Die Pandemie sowie die Zunahme an Übergewicht, Dia­betes, Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen zeugen vom Gegenteil. Gründe sind zum Beispiel der Überkonsum von Nahrungsmitteln. Aber auch die Zerstörung von Ökosystemen, Luftverschmutzung, Hitzewellen, Flutkatastrophen.

Mensch und Natur sind eng verbunden. Darauf fußt das Konzept der „Planetaren Gesundheit“ – das zentrale Thema eines in Arbeit befindlichen Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU). Am Mittwoch brachten dazu rund 400 Teil­neh­me­r:in­nen aus Wissenschaft, NGOs, Politik und Bildung in einem Webinar ihre Anregungen und Ideen ein.

Das Gutachten soll drei Thesen überprüfen:

1. Unsere Lebensweise macht krank und zerstört den Planeten.

2. Gesunde Menschen gibt es nur auf einem gesunden Planeten.

3. Wir müssen eine zivilisatorische Wende für planetare Gesundheit einleiten.

In einem Impulspapier nennt der WBGU als Hauptfelder, in denen Gesundheit und Klimaschutz gemeinsam angegangen werden sollen: Ernährung, Gesundheitssystem, Lebensräume, Mobilität und Wirtschaft. Und fordert, planetare Gesundheit institutionell zu verankern. Individuell Verantwortung zu übernehmen, reiche nicht. Was braucht es also?

Auch die mentale Gesundheit ist gefährdet

„Die Ärmsten sind besonders gefährdet, letztendlich sind aber alle betroffen“, appelliert Sabine Gabrysch, Professorin für Klimawandel und Gesundheit an der Charité. „Die zunehmenden Umwelt- und Gesundheitsprobleme haben vielfach gemeinsame Wurzeln.“ Sie könnten und müssten somit gemeinsam angegangen werden.

Viel Zeit bleibe aber nicht. „Der Klimawandel hat schon jetzt konkrete Folgen, was Gesundheit angeht“, sagt Catharina Boehme von der WHO. Jährlich gebe es fast 13 Millionen Todesfälle, die auf ungesunde Umweltbedingungen zurückzuführen seien.

Aletta Bonn vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung in Leipzig betont: „Auch die psychische Gesundheit spielt eine wesentliche Rolle.“ Biodiversität müsse stärker in die Stadtplanung eingebunden werden. Je dichter die Straßenbaumdichte, desto geringer das Risiko, Antidepressiva verschrieben zu bekommen, habe etwa eine Studie von 2020 gezeigt.

Die Wichtigkeit des Zusammenhangs zwischen Gesundheit und Umwelt scheint im Diskurs angekommen zu sein. Die Veröffentlichung des WBGU-Gutachtens ist für die erste Hälfte des Jahres 2023 geplant.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Halte ich für einen sinnvollen Weg die Diskurs über Nachhaltigkeit zu erweitern.

  • Kleiner Datenpunkt:

    In der zweiten Woche des August 2020. als fast nur von Corona die Rede war und den rund 30000 Toten des Frühjahrs, gab es eine kleine und kurze Hitzewelle.

    Die hat eine deutlich messbare Übersterblichkeit verursacht mit etwa 19000 Todesopfern (zu einer Zeit, zu der die Infektionszahlen mit Coronavirus sehr gering waren).

    Die Hitzewelle 2003 hat lt. Wikipedia in Europa zwischen 45000 und 70000 Todesopfern, und in Deutschland etwa 3500 Menschen das Leben gekostet:

    de.wikipedia.org/w...lle_in_Europa_2003

    Die Hitzewelle in Nordamerika 2021 hat ungefähr 1000 direkte Todesopfer gefordert - in Breitengraden, die im Sommer etwa Dänemark oder Schweden bei uns vergleichbar sind.

    en.wikipedia.org/w...eaths_and_injuries

    Schwere und längere Hitzewellen können mühelos ein Vielfaches der Todesopfer verursachen. Die Hitzewelle auf der Nordhalbkugel hat über 50000 Todesopfer verursacht:

    en.wikipedia.org/w...isphere_heat_waves

    • @jox:

      also die letztgenannte war 2010 - und die Zahlen beruhen meist anscheinend nicht auf einer Analyse der Übersterblichkeit, sie wären dann vermutlich weit höher.

  • 1. Welche Überraschung.



    2. "Wir müssen eine zivilisatorische Wende für planetare Gesundheit einleiten."



    Ein Gutachten einer Institution in D, soll planetare Auswirkungen haben? Kleine Überschätzung der Möglichkeiten.



    3. Das Ergebnis steht fest. Was noch als "These" getarnt ist, ist eigentlich schon das Endergebnis. Zumindest das gewünschte Ergebnis. Wissenschaft sieht anders aus.



    4. Grundsätzlich ist es so, kaputte Umwelt macht krank.

  • "Die neun Mitglieder des WBGU werden vom Bundeskabinett für eine Dauer von vier Jahren berufen. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) sowie das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzieren den Beirat gemeinsam und teilen sich die Federführung.

    Der WBGU arbeitet unabhängig und sucht sich seine Themen selbst. Er wird durch einen Interministeriellen Ausschuss der Bundesregierung begleitet, in dem alle Ministerien und das Bundeskanzleramt vertreten sind."



    Bei der Studie immer dran denken vier Jahre sind schnell rum. Deshalb bitte die Erwartungen der jetzigen Regierung ja nicht enttäuschen.