Güterverkehr der Deutschen Bahn: Die Lage ist desaströs
Immer weniger Güterwagen, immer weniger Zugang zum Schienennetz: Die Deutsche Bahn hat ihre Alternative zum Transport per Lkw abgewirtschaftet.
Berlin taz | Rangierloks der Deutschen Bahn sind im Schnitt stolze 42 Jahre alt, LokführerInnen im Güterverkehr verbringen nur 35 Prozent ihrer Arbeitszeit fahrend im Führerstand eines Zugs. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage des grünen Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel hervor. Danach ist die Lage bei der DB Cargo desaströs, besonders im sogenannten Einzelwagenverkehr.
Im Schienengüterverkehr gibt es den Ganzzugverkehr, bei dem Firmen einen ganzen Zug ordern, und den Einzelwagenverkehr, bei dem Güter auf einzelnen Waggons transportiert werden, sowie die Kombination von Schiene und Lkw. Der Einzelwagenverkehr steht in direkter Konkurrenz zum Transport per Laster. „Für die Verkehrswende und die Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene benötigen wir ein modernes und leistungsfähiges Einzelwagensystem“, sagt Gastel.
Aber gerade hier ist die Verkehrsleistung – also das Güteraufkommen plus zurückgelegter Distanz – von 27,1 Milliarden Tonnenkilometern im Jahr 2006 auf 20,3 Milliarden im Jahr 2018 eingebrochen. Der Einzelwagenverkehr erholte sich nicht von Rückgängen im Zuge der Weltwirtschaftskrise nach 2008, auch wenn er zuletzt leicht zugelegt hat. Insgesamt hat der Gütertransport auf der Schiene zwischen 2006 und 2018 von 107 auf 136 Milliarden Tonnenkilometer zugelegt. Anders als im Einzelwagenverkehr sind im Ganzzugverkehr viele Wettbewerber aktiv.
Ausgerechnet im Rahmen ihres Programms „Zukunft Bahn“ stellte der Konzern seit 2006 167 Güterverkehrsstellen ein, mit denen Unternehmen einen direkten Zugang zum Schienennetz hatten. Der Bestand an eigenen und angemieteten Waggons ist zwischen 2010 und 2018 von 65.434 auf 49.246 gesunken, die durchschnittliche Jahresleistung pro Wagen ging um mehr als 670 Kilometer auf 14.922 zurück.
„Das ansteigende Durchschnittsalter der Güterwagen und das hohe Alter der Rangierloks zeigen exemplarisch, dass die Deutsche Bahn über viele Jahre zu wenig investiert hat“, sagt Gastel. Zwar will die DB Cargo 3.500 neue Güterwagen anschaffen. Doch damit würde nicht einmal das Niveau von 2014 erreicht. Das Problem: Je kleiner die transportierten Mengen, desto höher die Kosten. Im Schnitt braucht eine Ladung 80 Stunden vom Absender zum Empfänger – Lkws sind schneller.
Gastel fordert ein Investitionsprogramm zur Modernisierung des Einzelwagenverkehrs. „Überfällig ist die europaweite Einführung einer automatischen Kupplung, mit der Betriebsabläufe im Güterverkehr weitgehend automatisiert werden können“, sagt er. „Dies würde dem Einzelwagenverkehr einen enormen Schub in der Wirtschaftlichkeit verleihen.“ Dafür sei eine Anschubfinanzierung durch den Bund erforderlich. Darüber hinaus plädiert der Abgeordnete mit Blick auf Lkw für faire Wettbewerbsbedingungen: „Es ist ein Unding, dass wir jährlich noch Milliardenbeträge für die Subventionierung von Dieselkraftstoff ausgeben.“
Leser*innenkommentare
@Verkehrswender
"Güteraufkommen plus zurückgelegter Distanz" müsste "Güteraufkommen MAL zurückgelegter Distanz" heissen.
Sonntagssegler
Wenn man mal ganz grob von außen draufschaut, hat sich im Güterverkehr seit 1871 nicht wirklich viel geändert.
Da kann was nicht stimmen.
90946 (Profil gelöscht)
Gast
Woher kommen die Verkehrsminister in unserem Land? Und welche Industriezweige sind dort wesentlich etabliert? Wo arbeiten die Wähler der tonangebenden Partei? Was fahren die Herren, die Einfluss haben und nehmen? (Bahn fahren sie - wenn überhaupt - nur für´s Wahlkampffoto.)
Der Erwin
Statt zu lamentieren, empfehle ich den Praxistest: Man versuche, eine Tonne Stückgut (5 Kolli) von Neuruppin nach Berlin Prenzlauer Berg via SCHIENE zu transportieren...
frank
Alles kein Wunder.
Wenn seit der "Bahnreform" 1994 und vor allem beginnend mit Mehdorn 1999 nur noch Manager aus der Daimler-Benz Kaderschmiede mit einer LKW-fördern-DNA an der Spitze mit tatkräftiger Unterstützung des Polittheaters ihr Unwesen treiben - dann heisst es für den Masterplan Verlagerung des Güterverkehrs auf die Strasse MISSION ACCOMPLISHED.
Grüsse aus der Stadt mit dem 21er Bahnhof.
07400 (Profil gelöscht)
Gast
Von Frau Nikuta erst beraten mit den richtigen Thules Ressourcen gespart und das auf der Akademie als Führungskreise weitergelebt.
Fachleute sagten auch: Das wird sich nicht ändern. Den dieselben Leute dieselben Führungskreise sind wie in der DDR? Eben.
Eine automatische Kupplung.
Und Digital überwacht.
Gute Nacht.
Automatische Kupplungen gibt es längst.
An fast allen Rangierloks, Schwergütterverkehre.
Wo kein Gleis da kein Wagen mehr.
Dauer 25 Jahre. Zeit Minus 100 Jahre.
Strassen? Minus 40 Jahre.
Ein Beispiel der Experten Minister und Lobbyisten.
2019. Ein Parkplatz wird mit 2,00 m gebaut.
In dem Papieren steht 1,80 - 2,00 breite Fahrzeug.
Die Türen haben einen Aufschlag von 0,60m.
Wie breit muss ein Parkplatz sein das ein jedes gut und gefahrlos aussteigen kann?
Eben. Und solche Planer sitzen überall. Formalien ausfüllen. Dummschwätzen. Workshopen.
Und wenn sie schon am Parkplatz scheitern.
Scheitern sie erst auch an ... .
railfriend
@07400 (Profil gelöscht) Herr Gastel und andere Bahnlobbyisten fordern alles, was Geld kostet. Dabei wäre erst einmal die richtige Reihenfolge dieser Maßnahmen zu beachten.
Die Einführung der automatischen Kupplung nach US-Vorbild bei zugleich Entfall der Puffer wäre die erste EU-weit notwendige Maßnahme nach dem WKII gewesen, um Zeit, Kosten und (gefährdetes) Rangierpersonal einzusparen. Stattdessen wurden Jahrzehnte lang hauptsächlich Steuergelder in die Elektrifizierung gepumpt und Nebenstrecken stillgelegt. Im Ergebnis haben wir heute eine Rumpfbahn mit total überlasteten Hauptstrecken, wo mit elektrischer Hochleistung auf Verschleiß gefahren wird, weil Mischverkehr nahezu gleiches Tempo für alle Züge erfordert.
noevil
@railfriend Mit Ihrem Resumée haben Sie direkt ins Schwarze getroffen! Japan soll ja nicht das Maß aller Dinge sein. Aber im Bahnverkehr hat man uns dort mehr als eine Nasenlänge voraus. Güter- und Personenverkehr laufen getrennt. Gleisanschlüsse ausreichend vorhanden, von der sprichwörtlich sagenhaften Pünktlichkeit ganz zu schweigen. Jeder japanische Urlauber hier versteht die Welt nicht mehr. Und die ungezählten verschiedenen Bahngesellschaften, sie machen etwas, was in unserer gierigen Gesellschaft undenkbar zu sein scheint: Sie arbeiten harmonisch zusammen und stimmen sich ab, anstatt durch Konkurrenzkämpfe auch noch sich selbst das Wasser abzugraben. Das Wichtigste ist wohl der dringend notwendige Gleisausbau, damit wenigstens rumpfweise wieder eine Gleisinfrastruktur entsteht, die in Jahrzehnten ebenso emsig wie dumm abgerissen wurde.
Gegen Japan sind wir hier in Deutschland ein armseliges Entwicklungsland!
7964 (Profil gelöscht)
Gast
Mag sein, dass der LKW aus bestimmten betriebswirtschaftlichen Perspektiven billiger erscheint. Allerdings verursacht ein LKW enorme Schäden - denken wir nur an seinen Wirkungsgrad von unter 20%. Das heißt 80% der Energie wird ungenutzt rausgeblasen und heizt das Klima absolut unnötig auf.
Also müssen wir die Frage stellen: Wer profitiert? und: Wer entscheidet wirklich?
noevil
@7964 (Profil gelöscht) Abgesehen davon, dass AdBlue-Technik in den meisten LKW's zwar eingebaut ist, aber von den meisten aus- aber auch inländischen kostengebeutelten Fahrern schlicht "vergessen" wird, stellt sich mir doch auch die Frage nach den Instandhaltungskosten für die Autobahnen. Die und auch die Lanstraßen werden hauptsächlich durch den LKW-Verkehr innerhalb kurzer Zeit immer wieder aufs Neue beschädigt. Ob die Kosten durch die Maut gedeckt sind, das ist mir bislang noch nie aufgedröselt worden.
Aber den Rest legt ja generös und unter eifrigem Zuspruch der Autoindustrie der jeweils aktuelle (CSU-) Verkehrsminister drauf. Es sind ja nur Steuerzahlers Gelder...