Gruppenauslosung für Fußball-WM: Viel Getöse ums Gelose
Anderthalb Stunden Gala, Live-Übertragung in 193 Länder, Lodda und Zidane als Losfeen. Die Fußball-WM in Brasilien beginnt quasi. Es wurde höchste Zeit.
Wie sieht sie aus, die behämmerte Todesmördermonstergruppe, vor der ganz Fußballdeutschland Angst hat?
Etwas anspruchsvoller würde es in der Vorrunde werden, wenn Jogis Jungs auf die Niederlande (alternativ: Frankreich oder Italien), Ghana (oder auch: Elfenbeinküste) und die USA treffen. Kinderleicht wird es mit Algerien, Australien und Griechenland. „Anders als vor acht oder zwölf Jahren macht man sich keine Illusionen mehr, dass man in der WM-Vorrunde zwei oder sogar drei relativ einfache Gegner bekommen könnte“, behauptet Löw. 2010 hatte es die DFB-Elf mit Australien, Ghana und Serbien zu tun bekommen – und wurde Gruppenerster. Wie auch 2002 und 2006.
Wo findet das Gelose eigentlich statt? Und wann?
Heute 17 Uhr geht’s los. Die ARD überträgt. In Costa do Sauípe, einem Badeort im Nordosten Brasiliens ganz in der Nähe von Salvador de Bahia, scheint sehr oft die Sonne. Palmen stehen herum. „Ein paradiesischer Ort mit Temperaturen zwischen 24 und 33 Grad“ sei das, steht in Reisemagazinen. Costa do Sauípe gehört zur Gemeinde Mata de São João, besteht aus fünf Nobelhotels und Pensionen und war von 2001 bis 2011 Gastgeber des Tennisturniers Brasil Open. Für die Auslosung wurde für 4,5 Millionen Euro das Veranstaltungszentrum Arena Sauípe gebaut. Da gehen 3.500 Leute rein. Die Weltmeisterschaft steigt dann im Sommer, vom 12. Juni bis 13. Juli.
Wie lang dauert die Los-Show?
Sage und schreibe 90 Minuten.
Was soll das Ganze?
Nun ja. Obwohl nur in Töpfe gegriffen wird, handelt es sich mittlerweile um ein „Großevent“. Es wird von 79 TV-Stationen in 193 Länder dieser Erde übertragen, damit ja niemand verpasst, warum Portugal gegen Südkorea kickt oder auch nicht. Dortmunds Coach Jürgen Klopp entwickelt eine erstaunliche professionelle Distanz zur Ausloserei der Fifa, wobei man sagen muss: Er ist auch kein Betroffener. „Es gibt nichts, was mich weniger interessiert als eine Gruppen-Auslosung. Es ist schön, dass die Fifa ein Riesenevent daraus macht, aber sie könnten auch einfach losen und die Verbände dann anrufen“, sagte Klopp, der sich auch über die Zuordnung der Schweiz in Topf eins mit den Top-Nationen lustig machte: „Das gibt’s sonst nur im alpinen Sport.“
Neben den Eidgenossen sind auch die Topfersten Brasilien, Argentinien und Kolumbien, Uruguay, Belgien, Deutschland und Spanien privilegiert. Die meisten Trainer, darunter auch Löw und USA-Klinsmann, sind vor Ort, nur der uruguayische Coach Oscar Tabárez und sein mexikanischer Kollege Miguel Herrera werden fehlen. Sie achten auf Kosten und Klimabilanz. Vorbildlich! Ganz anders der DFB. Der schickt nicht nur Löw, sondern auch noch Cotrainer Hansi Flick, DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, Generalsekretär Helmut Sandrock und Teammanager Oliver Bierhoff. Bom dia, DFB-Spesenritter!
Wer zieht denn eigentlich die Lose aus den Pötten?
Nur die Besten der Besten, Weltmeister Cafú, Fabio Cannavaro, Mario Kempes, Alcides Ghiggia, Zinédine Zidane, Fernando Hierro und Geoff Hurst werden an die Töpfe gebeten. Deutschland ist auch vertreten – mit Lodda. Na, das kann ja was werden! Fußballmaskottchen Pelé darf natürlich auch nicht fehlen. Er wollte nicht als Losfee fungieren, weswegen er nun ranghöher auftreten darf. Eine peinliche Panne wie vor einem Jahr bei der Auslosung zum Confederations Cup soll es vor einem Millionenpublikum in aller Welt diesmal nicht geben. Am 1. Dezember 2012 hatte ausgerechnet Starkoch Alex Atala in den falschen Topf gegriffen und Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke völlig aus dem Konzept gebracht.
Was ist sonst noch extrem wichtig zu wissen?
Für den Bühnenaufbau und die Dekoration haben fünf Lastwagen von 20 Metern Länge Material herangeschafft. Das Gewicht der Ausrüstung für Beleuchtung liegt bei 36 Tonnen. Insgesamt werden 2.700 Menschen vor Ort im Einsatz sein, um den reibungslosen Ablauf der Show zu gewährleisten. Hammer!
Und wer wird nun Weltmeister?
Hm, Statistiker haben schon mal ermittelt: In Südamerika wird immer eine südamerikanische Mannschaft Weltmeister. Das passierte zuletzt 1978 in Argentinien. Bei der letzten Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien (1950) schnappte übrigens Uruguay den Gastgebern den Titel weg. Und die DFB-Elf? Der Titel sei wahnsinnig schwer zu gewinnen, sagt Löw, da müsse wirklich alles passen. Klingt wie eine Abmoderation. Oder ist der Bundestrainer einfach nur Realist?
Sonst alles okay?
Nicht wirklich. Das hellhäutige Künstler-Ehepaar Fernanda Lima und Rodrigo Hilbert wird die Auslosung in Costa do Sauípe moderieren. Laut brasilianischen Medienberichten sollen vonseiten eines Staatsanwalts in São Paulo Ermittlungen wegen eines irgendwie gearteten Rassismusverdachts eingeleitet worden sein, weil sie den Vorzug gegenüber den dunkelhäutigen Künstlern Camila Pitanga und Lázaro Ramos erhalten hatten. Als „lächerlich“ bezeichnete das Fifa-Mediendirektor Walter de Gregorio. (mit dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz