piwik no script img

Grundstücksvergabe über ErbbaurechtVolksinitiative erreicht Quorum

Die Initiative „Keine Profite mit Boden und Miete“ schafft es, dass Rot-Grün neu über die Praxis der Grundstücksvergabe in Hamburg nachdenken muss.

Irgendwann reicht's: Beim Mieten-Move vor einem Jahr gingen Tausende auf die Straße Foto: Markus Scholz/dpa

Hamburg taz | Der Zeitpunkt für diese Volksinitiative war nicht günstig. „Wir fingen im Februar gerade an zu sammeln, da kam die Pandemie“, erinnert Mitinitiator Marc Meyer vom Verein Mieter helfen Mietern. Und im August drohte die Polizei sogar zwei Sammlern ein Bußgeld an. Doch nun hat „Keine Profite mit Boden und Miete“ rund 14.000 Unterschriften zusammen, die am Montag früh im Rathaus übergeben werden. „Wir sind glücklich und zuversichtlich, dass wir das Quorum von 10.000 erreicht haben“, sagt Meyer.

Damit beginnt nun eine Frist von fünf Monaten, in der die Bürgerschaft entscheidet, ob sie die Forderung übernimmt und Rot-Grün sich positionieren muss. Denn städtische Immobilienmärkte sind zu attraktiv für Investoren geworden, die lukrative Anlagen suchen. Deshalb will die Volksinitiative, die auch vom Mieterverein zu Hamburg, Attac und der GEW unterstützt wird, für dauerhaft genug bezahlbaren Wohnraum sorgen.

Der Hebel: Städtische Grundstücke sollen nicht mehr verkauft, sondern nur noch über Erbpacht vergeben werden. Die zweite Forderung, für die es eine separate Unterschriftenliste gibt: Die Wohnungen auf diesen Flächen sollen dauerhaft günstig vermietet werden.

Das Problem ist, dass alte Sozialwohnungen ihren Status verloren haben. „Hamburg hatte in den 1970ern mal rund 400.000, heute sind es nur noch 80.000 bis 85.000“, berichtet Marc Meyer. „Dabei ist jeder zweite Hamburger berechtigt.“

4.400 Flächen verpachtet

Das Thema Erbbaurecht ist nicht ganz neu. Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) hatte erst im Oktober 2019 angekündigt, Hamburg werde künftig mehr Grundstücke so vergeben, statt sie zu verkaufen. Damals hatte die Stadt rund 4.400 Flächen mit 1.250 Hektar verpachtet, die 4,3 Prozent aller städtischen Flächen ausmachten. Die SPD und die Grünen forderten den Senat in einem Antrag auf, eine „Leitlinie“ für vorrangiges Erbbaurecht zu erarbeiten.

Im Wahlkampf forderten die Grünen dann sogar, Hamburg möge Flächen nur noch über Erbpacht vergeben. Allerdings setzten sie sich nicht ganz durch. Laut Koalitionsvertrag soll nun das Erbbaurecht „wesentlich stärker als bisher“ angewendet und jeder Einzelfall geprüft werden.

„Es gibt diese Erklärungen, ohne dass hier im großen Stil was passiert“, sagt Meyer. Die Volksinitiative wolle, dass es „dauerhaft“ geregelt ist, dass Erbpacht angewendet wird, auch für den Fall dass wie 2001 mit der CDU eine Partei an die Macht kommt, die viele Immobilien verkauft. Sollte künftig im Ausnahmefall doch eine Fläche verkauft werden, müsse das die Bürgerschaft beschließen.

Bereits beim Start der Volksinitiative schrieb die dpa: „Die Wohnungswirtschaft läuft Sturm.“ Andreas Breitner vom Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) warnte damals wie heute, die Initiative lege „die Axt an den Bau bezahlbarer Wohnungen“. Denn die Wohnungsgenossenschaften hätten in vier Jahren 7.000 günstige Wohnungen errichtet und wollten Grundstücke „kaufen und nicht pachten“.

Eine Frage des Eigenkapitals?

Denn wenn sie Grundstücke nur im Rahmen des Erbbaurechts nutzen könnten, benötigten sie für ein Neubauprojekt statt 20 Prozent 40 Prozent Eigenkapital. So reduzierten sich für die Zukunft geplante Wohnbauprojekte um die Hälfte. „Das kann nicht politisch gewollt sein“, sagt Breitner.

Meyer sagt, das Argument sei bekannt. „Aber wir sind zuversichtlich, dass auch die Genossenschaften mit dieser Lösung leben können, denn sie werden ja bevorzugt die Erbpachtgrundstücke zu akzeptablen Bedingungen bekommen.“ Und da Geld in der andauernden Niedrigzinsphase leicht zu leihen sei, dürften auch Kredite „kein Problem sein“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!