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Grüner VorstoßLand Berlin als Mieter

Arme Wohnungsuchende haben auf dem angespannten Mietmarkt kaum eine Chance. Deshalb soll das Land Wohnraum an- und an Benachteiligte weitervermieten.

Bausenator Geisel bei einer Grundsteinlegung. Mietet er selbst? Foto: dpa

Mal braucht das Jobcenter zu lange, bis der Mietvertrag geprüft ist; mal will eine Wohnungsbaugesellschaft eine vierköpfige Familie nicht in eine Dreiraumwohnung ziehen lassen, weil diese angeblich zu klein ist. Für Flüchtlinge ist die Suche nach einer Bleibe noch unerfreulicher als für die meisten anderen Wohnungsuchenden. Die Grünen wollen deshalb das Land stärker in die Pflicht nehmen: „Berlin sollte in diesen Fällen als Wohnungsmieter auftreten“, sagte Stephan von Dassel, derzeit Sozialstadtrat in Mitte, zur taz.

Die Grünen haben aus diesem Grund ein sogenanntes Generalmietmodell entwickelt. Über eine gemeinnützige GmbH könnte das Land als Mieter auftreten – gegenüber landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ebenso wie bei privaten Vermietern. Viele Eigentümer hätten Hemmungen, ihre Wohnungen an Bedürftige zu vermieten, so von Dassel. Wenn aber Berlin als Mieter auftrete, würde das den Vermietern eine gewisse Sicherheit geben. Das Land wiederum könnte Flüchtlinge, aber auch Wohnungslose, ehemalige Häftlinge und Drogenabhängige dort unterbringen.

Vertraulich oder öffentlich

Nur wenige inhaltliche Details dringen aus den derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Linkspartei und Grünen an die Öffentlichkeit. So hatte am Montag Verkehrssenator Andreas Geisel (SPD) erklärt, seine Partei wolle den Preis für das Sozialticket von 36 Euro auf 25 Euro senken.

Für den Vorstoß, der den designierten Koalitionspartnern via Medien übermittelt wurde, kassierte Geisel ordentlich Schelte. Linke-Chef Klaus Lederer kritisierte die „komische Art der Verhandlungsführung“. Geisel habe Dinge öffentlich gemacht, über die die mögliche Koalition noch gar nicht gesprochen habe. Auch Grünen-Chef Daniel Wesener erklärte: „Das nächste Mal würden wir aber lieber vorher und mit allen drei Koalitionsparteien darüber sprechen.“ (taz)

Wohnungen für Flüchtlinge

Von Dassel hat die Schwierigkeiten, Wohnungen für anerkannte Flüchtlinge zu bekommen, schon früh mitbekommen. Als Stadtrat hat er in Mitte deshalb eine „Wohnbegleitung“ initiiert, bei der Ehrenamtliche anerkannten Flüchtlingen bei der Wohnungssuche helfen. Seine Rechnung ist einfach: Bei jedem Flüchtling, der eine eigene Wohnung hat, spart das Land die hohen Kosten für die Unterbringung in Sammelunterkünften.

Bislang ist für diese Menschen lediglich ein Kontingent von 270 Wohnungen pro Jahr bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften vorgesehen. „Aber das haut nicht hin“, sagt von Dassel. Außerdem vermieten viele Wohnungsbaugesellschaften bereits an Flüchtlinge, deren Asylverfahren noch läuft. Deshalb spricht sich von Dassel dafür aus, auch die Wohnungen privater Vermieter für Bedürftige zu nutzen – ähnlich wie es freie Träger tun, die etwa Behinderten-WGs betreiben.

Für das Land Berlin würde das viele Vorteile bieten, so von Dassel: „Wir hätten damit mehr Einfluss auf die Wohnverhältnisse.“ Auch bestünde mit den Bewohnern kein normales Mietverhältnis. Würde sich jemand danebenbenehmen, könnte schneller Druck auf ihn ausgeübt werden als auf Bewohner mit normalem Mietvertrag.

Das ist ein Argument, das auch der Verband Berlin Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) interessant findet. „Wir finden das einen erwägenswerten Vorschlag“, sagte BBU-Sprecher David Eberhart der taz. Allerdings solle man sich davon nicht die Lösung des Problems versprechen. Dafür seien zu viele Fragen noch ungeklärt. „Was passiert bei eventuellen Schäden?“, fragt Eberhart. „Interessant wird es für Vermieter erst, wenn das Land auch dafür aufkommt.“ Außerdem müsse noch geklärt werden, ob die Tatsache, dass eine gemeinnützige GmbH des Landes, die de facto als Zwischenmieter auftritt, nicht unter den Tatbestand der Zweckentfremdung fiele.

Eine erste Hürde hat das Generalmietmodell inzwischen genommen. Am Montag hat von Dassel seine Idee bei den Koalitionsverhandlungen vorgestellt. Offiziell will sich weder die SPD noch die Linke zu den Vorschlägen äußern, auch deshalb, weil über die Inhalte der Verhandlungen Stillschweigen vereinbart wurde.

Neuer Senat soll prüfen

Nach Informationen der taz haben sich die drei Parteien darauf geeinigt, die Idee als Prüfauftrag in den Koalitionsvertrag aufzunehmen. Nun muss sich noch die Arbeitsgruppe Wohnen und Mieten mit dem Thema beschäftigen.

Ähnliche Modelle gibt es auch in anderen Kommunen, etwa in Lindau am Bodensee oder in Frankfurt (Oder), wo vor allem kommunale Wohnungsunternehmen daran beteiligt sind.

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6 Kommentare

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  • „Was passiert bei eventuellen Schäden?“

     

    nicht nur Banken und Industrie auch Vermieter versuchen eben gerne ihre Risiken zu verstaatlichen während Sie vom Ertrag nichts abgeben wollen.

     

    Was passiert mit der Miethöhe wenn das Land als Vermieter auftritt und damit Mietausfallrisiken beseitigt? Das wäre die richtige Frage gewesen...

  • Sowohl STADTLANDMENSCH als auch MARGIT ENGLERT haben mit ihren Einwänden zweifelsohne recht.

     

    Nur, diese Idee nicht zu prüfen und sie nicht weiter zu verfolgen hiesse, alles beim Jetzigen zu belassen und den jetzt Wohnungssuchenden nicht zu helfen.

     

    Denn die von beiden angesprochenen Probleme sind weder zeitnah "aus der Welt" zu schaffen noch können sie in Berlin alleine gelöst werden (weil bspw. der Bund für entsprechende Gesetze zuständig ist).

     

    Insofern stellt sich jetzt die Frage, ob es etwas, was helfen könnte, die Wohnungssuchenden zu unterstützen, geben kann oder ob es ausreicht, über alles Mögliche zu diskutieren und darüber dann "den Stab zu brechen", weil nun doch wieder das berühmte und berüchtigte "Haar in der Suppe" gefunden wurde.

     

    Ich fände es besser, wenn den Wohnungssuchenden jetzt geholfen würde, denn von kritischen Diskussionen, so berechtigt diese auch sind bzw. sein mögen, bekommt niemand "ein Dach über'm Kopf".

     

    Vielleicht wird ja bei der Prüfung und der Weiterverfolgung des Vorschlags auch ein Weg gefunden, der der berechtigten Kritik Rechnung trägt.

    • @Der Allgäuer:

      Dass kein besserer Vorschlag auf dem Tisch liegt, ist ja nicht das persönliche Versagen derer, die daran gearbeitet haben. Es ist ja nur ein Ausdruck der bürgerlich-kapitalistischen Verhältnisse. Bürgerliches Recht wird an vielen Stellen nur nach Einkommen zuerkannt, und oft können sich Menschen auch die selbstverständlichsten Grundbedürfnisse nur erfüllen, wenn sie derartige sozialchauvinistische Diffamierung in Kauf nehmen, wie sie mit diesem Vorschlag verbunden sind. Dies dann allerdings als „Haar in der Suppe“ zu verharmlosen, finde ich verächtlich.

       

      Ich wäre dafür, ein solches Vorhaben auch in quantitativer Hinsicht realistisch darzustellen. An eine Umverteilung von Ressourcen in großem Stil ist ja offenbar nicht gedacht. Es würde also nicht „den jetzt Wohnungsuchenden“ geholfen, sondern nur einigen von ihnen.

       

      Insgesamt zeigt sich hier ja nichts Geringeres als die Begrenztheit parlamentarischer Politik in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft. Diese Begrenztheit resultiert aus der privaten Aneignung des Mehrwerts. Gäbe es diese nicht, dann würde in Parlamenten über die gerechte Verteilung gesellschaftlich erarbeitete Ressourcen wie Wohnraum diskutiert und beschlossen werden.

      • @Margit Englert:

        Auch wenn ich Sie nun vermutlich überrasche: Ich stimme Ihnen zu, dass die parlamentarische Politik in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft begrenzt ist (durch das Prinzip "wer zahlt, der bestimmt auch") - und sich seit längerer Zeit gerne vom Kapital, maskiert als Lobbyismus, begrenzen lässt.

         

        Ich wollte nur sagen, dass in unserer heutigen Welt - in der sich die Politik gerne vom Kapital begrenzen lässt, was wir zur Zeit nicht ändern können - den Wohnungssuchenden helfen müssen, auch mit "halbfertigen" Lösungen, weil sie, die Wohnungssuchenden ansonsten in ihrer jetzigen Situation bleiben.

         

        Und ich wollte (nach meiner Meinung, die subjektiv ist: habe) sozialchauvinistische Diffamierungen nicht, und schon gar nicht verharmlosend, als "Haar in der Suppe" charakterisieren; allerdings stimme ich zu, mich missverständlich ausgedrückt zu haben.

  • So schafft man Mieterrechte zweiter Klasse.

     

    Nötig ist stattdessen sozialer Wohnungsneubau mit dauerhafter Sozialbindung und dauerhaften Belegungsrechten für das Land in großem Stil.

  • Dieser Vorschlag bedeutet, dass das Mietrecht für die Menschen, die dann in den Wohnungen dieses grünen Generalvermieters wohnen würden, ausgehebelt wäre. Gerechtfertigt wird das mit dem sozialchauvinistischen „Argument“, Arme benähmen sich eben öfter mal daneben und dann müsse man sie schließlich auch wieder loswerden können. Ach ja? Und wohin möchten die Herrschaften die Menschen dann wieder entsorgen? Jetzt reichen den Herrschaften die Ungerechtigkeiten, die in das bürgerliche Mietrecht eh schon eingeschrieben sind und durch die derzeit Tausende von Menschen ihre Wohnungen verlieren, nicht mehr aus. Jetzt soll das bürgerliche Mietrecht für Arme gleich überhaupt nicht mehr gelten. Eine Steigerungsstufe im menschenunwürdigen Umgang.

    Egal, wie die man es dreht und wendet, die Wohnungsnot ist Folge einer immer ungerechteren Verteilung gesellschaftlich erarbeiteter Ressourcen. Löhne, Renten, Transferleistungen stagnieren, der Mehrwert für Kapitalanleger_innen steigt, und dies insbesondere durch den Anteil des Mehrwerts, der den Menschen über die Mieten abgepresst wird.