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Grüner Vorstoß in Autohilfen-DebatteGutscheine für Bike & Ride

Zehn grüne Bundestagsabgeordnete fordern Hilfen für die Radbranche statt eine Pkw-Prämie. Sie wenden sich damit gegen Parteifreund Kretschmann.

Berliner Pop-up-Radweg: Die Infrastruktur für RadfahrerInnen wächst während der Coronakrise Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin taz | Alle reden von Hilfen für die Autoindustrie, sie nicht: Zehn Bundestagsabgeordnete fordern zur Überwindung der Coronakrise massive Unterstützung für die Radwirtschaft und den Radtourismus statt Prämien für Autokäufe. „In Deutschland richtet sich die Aufmerksamkeit geradezu reflexhaft auf die Automobilwirtschaft“, begründet der Radexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Stefan Gelbhaar, den Vorstoß. „In der Fahrradwirtschaft arbeiten fast 300.000 Menschen.“ Hilfen könnten bestehen etwa aus Gutscheinen für den Kauf von Rädern, E-Lastenrädern, Bike&Ride-Angeboten oder anderen Übernachtungen in Unterkünften, zu denen Gäste mit dem Rad anreisen

„Konjunkturprogramme müssen die Fahrradwirtschaft als Teil der Mobilitätswirtschaft und der Verkehrswende stärken“, heißt es in dem bislang unveröffentlichten Positionspapier, das der taz vorliegt. Verfasst haben es neben Gelbhaar unter anderem die ehemalige Verbraucherministerin Renate Künast sowie mit Matthias Gastel, Christian Kühn und Gerhard Zickenheiner drei Abgeordnete aus Baden-Württemberg

Rund 5.800 kleinere und mittelständische Gastbetriebe überwiegend auf dem Land müssten wegen des weggebrochenen Radtourismus erhebliche Einbußen hinnehmen, schrei­ben die AutorInnen. Vielen drohe die Insolvenz. Auch der Fahrradhandel und die Produktion würden unter der Krise leiden, etwa wegen Lieferschwierigkeiten. Zahlreiche Firmen würden nicht unter die Soforthilfeprogramme fallen, weil sie 10 bis 200 Beschäftigte haben.

Aus Angst vor einer Infektion mit dem Coronavirus werden nach den Lockerungen der virusbedingten Maßnahmen möglicherweise mehr Menschen das Auto nutzen, fürchten die Abgeordneten. Das würde die ohnehin bestehenden Platz- und Sicherheitsprobleme für RadlerInnen und FußgängerInnen verschärfen. Mögliche staatliche Anreize für die Nutzung oder den Kauf von Verkehrsmitteln müssten das zwingend berücksichtigen. „Eine Prämie, die zu einem weiteren Anstieg des Autobestands führt, ist daher abzulehnen“, schreiben die AutorInnen. Damit gehen sie auf Konfrontationskurs zum grünen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Er fordert gemeinsam mit den Regierungschefs von Bayern und Niedersachsen eine Prämie für Autoanschaffungen, auch für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor.

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9 Kommentare

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  • Kretschmann und Palmer. Ich hätte immer gedacht, ich sei der Ultrarealo bei den Grünen. Aber Autoprämie und Wirtschaft statt Schutz der älteren Bevölkerung? Schmeisst die beiden raus! Parteiausschlussverfahren jetzt

  • Wäre nen Anfang wenn wir in den Städten (Berlin) vernünftige Wege zum Radfahren hätten. Der Ausbau ist doch eher schleppend. Hat auch bis vor kurzem gedauert bis ein Auto einen einen nicht mehr so gerade nicht Überfahren darf.

    Naja besser als Abwrackprämie 2.0



    Realistisch betrachtet kommen wir wohl nicht drum Rum der Autoindustrie etwas unter die Arme zu greifen.

  • Ich finde einen Anreiz ein Fahrrad zu kaufen auch sinnvoller, als für Autos. Dabei geht es mir weniger um die Wirtschaft, als um den Umweltschutz.



    Die Autoindustrie rund um den nicht aufgearbeiteten Dieselskandal jetzt noch mit Steuergeldern zu subventionieren halte ich für das absolut falsche Signal.



    Zumal die deutsche Autoindustrie beim Thema Elektroautos eh im Hintertreffen ist und die Steuergelder eher in Frankreich oder sogar außerhalb Europas landen würden.

  • Eim aktionistischer Vorschlag, um in die Medien zu kommen.

  • auch wenn ich gegen autoprämien bin sind fahrradprämien noch sinnloser es gibt keine relevante fahrradindustrie in deutschland bzw in europa da könnte das geld gleich nach china überwiesen werden..... und es ist wieder genau das selbe wer kein fahrrad will guck in die röhre ...... wenn dann bloss pauschal und jeder sucht sich selber aus was er gerne hätte..... wenn einzelne branchen dann eher tourismusgutscheine die in deutschland gültig sind.....

    • @Sinulog:

      "es gibt keine relevante fahrradindustrie in deutschland bzw in europa" ist eine gewagte These!



      Schau mal: vsf fahrradmanufaktur Bremen, Gudereit Bielefeld, Rabeneick Bielefeld, Bergamont Hamburg, Stevens Bikes Hamburg, Diamant Hartmannsdorf, Riese und Müller Mühltal und sehr sehr viele mehr...!

      • @stadtlandmensch:

        und alle zusammen haben soviel beschäftigt wie ein mittelgroßer autozulieferer

    • @Sinulog:

      Bosch hat einen großen Markanteil bei Pedelecmotoren und Magura Bremsen kann man gerade auch bei Pedelecs und auch MTB öfter finden. Keine Ahnung wieviel Menschen das ernährt.

      Was allerdings das Anschüren des Konsums mit Steuergeldern betrifft, da kann ich nicht mit. Ich halte weniger Konsum für sinnvoller.

      • 8G
        80198 (Profil gelöscht)
        @Gostav:

        Richtig, da wir uns aber alle irgendwann erholen müssen, finde ich eine Förderung der Fahrradherbergen in ländlichen Gebieten eine tolle Sache