Grüner Vorsitz in Schleswig-Holstein: Er will die Grünen diverser machen

Gazi Freitag ist Geschäftsführer der Kieler Grünen und bewirbt sich als Landesvorsitzender. Dabei setzt er vor allem auf soziale Themen.

Grünen-Politiker Gazi Freitag im Wollpullover

Möchte in die Landespolitik: der Geschäftsführer der Kieler Grünen, Gazi Freitag Foto: Anne-Lena Cordts

Mit einem Zitat von Pippi Langstrumpf beendete Gazi Freitag vor einigen Monaten seine Bewerbungsrede für die grüne Wahlliste zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein: „Ich habe das noch nie versucht, also bin ich mir völlig sicher, dass ich es schaffe.“ Herausgekommen war damals nur ein hinterer Listenplatz und er verpasste den Einzug in den Landtag. Jetzt will der Kieler sich mit derselben Einstellung erneut um einen Platz bei den mitregierenden Grünen im Norden bewerben: Der 42-Jährige will Landesvorsitzender werden.

Freitag möchte die Grünen diverser und Lebensrealitäten sichtbar machen, die in der Politik sonst unterrepräsentiert seien. „Die Menschen sollen nicht bloß das Gefühl haben, dass wir für sie Politik machen – sie sollen wissen, dass wir mit ihnen Politik machen“, sagt Freitag. Von sozialen Problemen, die viele Menschen im Alltag haben, könne er aus eigener Erfahrung erzählen. „Erfahrung kann zwar Expertise nicht ersetzen, sie kann aber auch nicht durch Expertise ersetzt werden.“

Freitag kann umfassend über seine Kindheit erzählen, die früh von finanzieller Armut und häuslicher Gewalt geprägt war. Als er zehn Jahre alt war, floh seine Mutter mit ihm und seiner Schwester vor häuslicher Gewalt. Aus Nordrhein-Westfalen kamen sie nach Schleswig-Holstein. Über ein Jahr lang wohnten sie zu dritt im Frauenhaus Preetz auf wenigen Quadrat­metern. Die erste Zeit dort erhielt die Familie Sozialhilfe, später fand die Mutter Arbeit in einer Fabrik und sie zogen in eine Zwei-Zimmer-Wohnung. „Geld für Urlaub gab es nicht, unsere Klamotten haben wir von der Diakonie bekommen“, sagt Freitag.

Trotzdem möchte er seine familiäre Situation im Nachhinein nicht als „sozial schwach“ bezeichnen: „An sozialer Stärke hat nicht viel gefehlt, aber an der finanziellen.“ Diesen Unterschied macht Freitag in seinen Reden immer wieder deutlich. Dass Freitag aus dieser Situation heraus auf das Gymnasium geht und später sein Abitur macht, „war für viele Menschen in meinem Umfeld überraschend“, sagt er.

Das Fehlen von sozialer Teilhabe soll sichtbar werden

Diese sozialen Realitäten möchte Freitag in die Politik bringen: „Ich möchte, dass diese Kinder nicht übersehen werden.“ Soziale Teilhabe soll nicht nur ermöglicht, ihr Fehlen soll auch sichtbar gemacht werden. Er selbst habe vor allem durch seine Frau und seinen Sohn einen Grund gefunden, an das Gute in der Welt zu glauben. „Viele Menschen haben das aber nicht“, sagt Freitag. „Und da sehe ich die Politik in der Verantwortung, alles mögliche zu unternehmen, dass diese Menschen ihren Lebenssinn aufrechterhalten.“

Dass viele zivilgesellschaftliche Organisationen wichtige Sozial- und Nachhaltigkeitsarbeit leisten, wisse Freitag aus eigener Erfahrung. Er selbst arbeitete in verschiedenen ehrenamtlichen Einrichtungen. 2015 führte der Weg Freitag vom außerparteilichen Engagement zu den Grünen. Seit 2017 ist er als Geschäftsführer des Kieler Kreisverbandes der Grünen tätig.

Wie hoch seine Chancen sind, es tatsächlich zum Landesvorsitzenden zu bringen, ist noch unklar. Weitere Be­wer­be­r*in­nen können noch kommen. Bislang haben sich mit Anke Erdmann und Katharina Bartsch zwei erfahrene Politikerinnen als gemeinsame Doppelspitze beworben.

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