Grüner Parteivorsitz: Volker hört die Signale
Führende Grüne drängen den Berliner Fraktionschef Volker Ratzmann zur Kandidatur um die Bundesspitze. Der 48-Jährige fühlt sich "gebauchpinselt". Seine Fraktion traut ihm den Posten zu.
Wer Volker Ratzmann in letzter Zeit erlebt hat, dem ist aufgefallen, dass den Grünen-Fraktionschef etwas umtreibt. Bei Sitzungen überließ er die Leitung bereitwillig der anderen Fraktionsvorsitzenden Franziska Eichstädt-Bohlig. Seine Meinung tat er zwar weiterhin kund - aber mit spürbar weniger Elan. Und bei so manch einer Debatte im Abgeordnetenhaus war Ratzmann anzumerken: Gedanklich ist er nicht ganz bei der Sache.
Am Mittwochnachmittag lüftete der 48-Jährige sein Geheimnis. Via E-Mail informierte er seine Fraktionskollegen: "Es stimmt: Ich bin angesprochen worden - von verschiedenen -, und im Gegensatz zu anderen habe ich nicht gleich abgewunken." Es geht um den Posten des Bundesvorsitzenden der Grünen.
Volker Ratzmann, der ewige Oppositionsführer, der Antifa-Anwalt, der mit Schwarz-Grün liebäugelt und einst in der linken Szene von Kreuzberg verankert war, inzwischen aber ein überzeugter Grüner im Realo-Kreisverband Pankow ist - nun wurde er gefragt, ob er im November beim Bundesparteitag die Nachfolge des scheidenden Grünen-Bundesvorsitzenden Reinhard Bütikofer übernehmen will. "Ich fühle mich sehr gebauchpinselt", gestand Ratzmann der taz. Er habe sich aber noch nicht entschieden. Doch gleich im nächsten Satz fügte er hinzu: "Der Parteivorsitz ist eine der spannendsten Aufgaben, die es gibt."
Die Reaktionen seiner Fraktionskollegen fielen unterschiedlich aus. Eichstädt-Bohlig, die sich als ehemalige Bundestagsabgeordnete im Bundesverband der Grünen sehr gut auskennt, zeigte sich nicht überrascht. "In der Reihe der bundesweit infrage kommenden Kandidaten wird er als ein respektierter Kandidat angesehen", sagte sie. Sollte Ratzmann den Posten tatsächlich bekommen, sei das für die Fraktion im Abgeordnetenhaus aber ein großer Verlust.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Ramona Pop, bezeichnete es aus Berliner Sicht als "einen großen Verlust". Fraktionsintern wird sie selbst als Nachfolgerin von Eichstädt-Bohlig oder Ratzmann gehandelt. Dazu wollte sie sich aber nicht äußern. "Ich denke nicht daran, unseren Fraktionschef vorzeitig zu einer ,lame duck' zu machen."
Im linken Lager der Grünen wird Ratzmanns mögliche Kandidatur kritischer gesehen. Seit er offen mit Schwarz-Grün liebäugelt, wird er nicht mehr diesem Flügel zugerechnet. Es könnte auch durchaus sein, dass er linke Positionen übernimmt - etwa wenn die angeschlagene Parteilinke im Bundesvorstand, Claudia Roth, doch noch abgewählt würde und Ratzmann inhaltlich an deren Stelle rückt. Die Grünen-Abgeordnete Lisa Paus bezeichnete Ratzmann sogar als "Multiwaffe". Eins ist aber sicher: Er wäre für die Parteilinke kein verlässlicher Kandidat, der Schwarz-Grün auf Bundesebene verhindern würde.
Ob sich Ratzmann im Falle einer Kandidatur von der Berliner Landespolitik verabschiedet, wollte er am Donnerstag nicht beantworten. Im Prinzip gilt bei den Grünen die Trennung von Amt und Mandat. Ausnahmen werden beim Bundesvorstand gemacht. Ratzmann müsste zwar vom Fraktionsvorsitz zurücktreten, aber nicht von seinem Mandat als Berliner Abgeordneter.
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