Grünen-Vorstoß gegen Anbindehaltung: „Nicht tiergerecht“
Vier Landesministerinnen der Grünen fordern Bundesministerin Klöckner auf, etwas gegen die Anbindehaltung von Rindern zu tun. Die lässt sich Zeit.
Anfang Juli haben vier Landesministerinnen der Grünen einen weiteren Vorstoß unternommen. Sie haben Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) einen Brief geschrieben. „Bei der Haltung von Rindern in Anbindehaltung sehen wir seit Langem dringenden Handlungsbedarf“, sagen Hessens Landwirtschaftsministerin Priska Hinz, in der Initiative federführend, Bremens Umweltsenatorin Maike Schaefer, Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert und Hamburgs Verbraucherschutzsenatorin Anna Gallina. „Wir fordern Sie daher noch einmal nachdrücklich auf, noch in der laufenden Legislaturperiode zumindest ein erstes Eckpunktepapier für die weiteren Beratungen zur Beendung der Anbindehaltung von Rindern vorzulegen.“
Auf Länderebene sei man jenseits freiwilliger Vereinbarungen und finanzieller Anreizsysteme machtlos. Eine bundesweite Regelung in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sei „überfällig“ und die Anbindehaltung nicht tiergerecht.
Tiere anzubinden, das klingt grundsätzlich nicht gut. Bei einem Rind bedeutet das: Es wird an seinem Standplatz im Stall durch eine Kette oder einen Halsrahmen fixiert. Selbst sich umzudrehen, ist dem Tier verwehrt. Ein Sozialleben ist kaum möglich, jede Umgebungserkundung fällt weg, Teile der Eigenkörperpflege sind unterbunden. Nur Stehen geht. Und Hinlegen. Wenn das Rind Glück hat, liegt es auf einer Matte, ein bisschen Stroh. Hat es Pech, liegt es auf Beton. Rund eine Million Rinder leben in Deutschland so. Vorrangig in kleineren und mittleren Betrieben, und vorrangig im süddeutschen Raum.
Lisa Kainz, Agrarwissenschaftlerin und Fachreferentin bei Peta
„Das ist eine pure Qual für die Tiere“, sagt Lisa Kainz, Agrarwissenschaftlerin und Fachreferentin bei der Tierrechtsorganisation Peta auf taz-Anfrage. „Die Initiative der vier Ministerinnen ist also begrüßenswert. Aber sie wendet sich nur gegen die ganzjährige Anbindehaltung, und das ist nicht konsequent genug.“
Das Problem ist: Viele Tiere, die im Sommer auf der Weide sein dürfen, stehen dann den Winter über angebunden im Stall. „Und das ist ebenfalls schlimm“, sagt Kainz. „Nehmen wir an, jemand hat einen Hund. Der sagt ja auch nicht: Den kann ich ruhig das halbe Jahr über anketten, im Sommer läuft er ja ein bisschen im Park herum.“
Wach sein, schlafen, fressen und gemolken werden. Den Rest verhindert die Fixierung. Lisa Kainz empört das: „Die Anbindehaltung muss komplett abgeschafft werden!“ Dass der Vorstoß der vier Ministerinnen erst so kurz vor dem Ende der Legislaturperiode erfolgt, findet sie „ein bisschen schwach“. Vielleicht, vermutet sie, „ist das ja auch Teil des Wahlkampfs“. Viele Wähler wünschen sich mehr Tierschutz. Hinz, Schaefer, Dalbert und Gallina bedienen das.
Derweil leiden die Tiere weiter, auch im Agrarland Niedersachsen. Ende Juli hat Peta Strafanzeige gegen einen Rinderhaltungsbetrieb aus Burgwedel erstattet. Es war nicht die erste Peta-Strafanzeige gegen Anbindehaltung in Niedersachsen.
„Wir haben das Bundeslandwirtschaftsministerium noch einmal an sein Versprechen erinnert, bis Ende der Legislaturperiode eine Regelung vorzulegen“, sagt Dennis Sulzmann, Sprecher der Behörde für Justiz und Verbraucherschutz, Hamburg, auf taz-Anfrage. Das Bundesministerium sei in einer „Bringschuld“. „Wir sind uns sicher, dass dieses deutliche Signal so auch in Berlin angekommen ist.“ Das Thema bleibe „auch über die Bundestagswahl hinaus“ wichtig.
Die ganzjährige Anbindehaltung sei „nicht mehr zeitgemäß und wird auslaufen müssen“, räumt Silke Brandt, Sprecherin des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL), auf Nachfrage ein. Sie sei „kaum mehr mit einem modernen Tierschutzverständnis vereinbar“. Das sei „auch die uneingeschränkte Haltung der Bundesministerin“.
Und dann fliegt der Ball zu den Ländern zurück: Das BMEL habe „im Rahmen des Bundesratsverfahrens zur siebten Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung daher in einer Protokollerklärung zugesichert, Vorschläge zu künftigen Regelungen zur Anbindehaltung von Rindern vorzulegen. Die Beratungen mit den Ländern zur Umsetzung der Protokollerklärung laufen.“ Und das klingt nicht so, als ob bald etwas passieren würde.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links