piwik no script img

Grünen-Strategie zum KlimapaketVon Trittin lernen

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

So ein Schlamassel. Das Klimapaket der Groko ist ein Skandal, nicht zuzustimmen für die Grünen aber keine Option. Verändern geht nur mit Realpolitik.

Politik macht man nicht durch Totalverweigerung, das wissen auch die Grünen Foto: dpa

I m Sommer 2011 steckten die Grünen in der Klemme: Die schwarz-gelbe Regierung, angeführt von Angela Merkel, hatte bei der Atomkraft einen Schwenk hingelegt. Getrieben von der Angst der Deutschen nach Fukushima, wollte sie plötzlich die Atomkraftwerke abschalten. Sollten die Grünen zustimmen – oder weitere Zugeständnisse verlangen? Es war der links-grüne Pragmatiker Jürgen Trittin, der seine Partei damals überzeugte, den historischen Moment nicht Merkel zu überlassen.

Beim Klimapaket der Großen Koalition operieren die Grünen in einem ähnlichen Dilemma. Keine Frage: Das, was CDU, CSU und SPD beim Klimaschutz vorschlagen, ist eine intellektuelle Frechheit – und nicht geeignet, die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen. Aber es ist eben im Moment das Beste, was auf dem Tisch liegt. Die Grünen sollten hart dafür kämpfen, Verbesserungen zu erreichen. Mit einer Blockadestrategie würden sie ihr Ziele ad absurdum führen. Kleine Schritte hin zu mehr Klimaschutz sind besser als gar keine. Mit welchem Argument sollten Grüne im Bundesrat günstige Bahntickets ablehnen, für die sie seit Langem werben?

Der zentrale Hebel des Klimapakets ist der CO2-Preis. Gegen einen solchen haben sich die Anhänger des alten Denkens bei CSU, CDU und SPD mit aller Macht gewehrt, weil er das Potenzial hat, das System wirklich zu verändern. Wenn man das Gute in dem Desaster sehen will, könnte man sagen: Jetzt sitzt die Schraube einmal in der Betonwand. Sie ein paar Umdrehungen fester anzuziehen ist einfacher, als von vorne anzufangen. Die Grünen können sich die dürftige Vorarbeit der Koalition zunutze machen, falls sie in der nächsten Regierung sitzen.

Sicher, es besteht die Gefahr, dass sich manche AnhängerInnen bei so viel Realpolitik abwenden. Das Verständnis der Fridays-for-Future-Bewegung für kleinteilige Kompromisse ist überschaubar. Aber die Furcht, ein paar Prozentpunkte zu verlieren, darf nicht über Politik entscheiden. Von Trittin lernen heißt, in dem Fall, siegen lernen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • „... Von Trittin lernen heißt, in dem Fall, siegen lernen.„

    Siegen wofür?



    In Hamburg, SH, BW und Hessen sind die Grünen schon Jahre an der Macht oder daran beteiligt.



    Keines der Länder fällt durch ambitionierten Umwelt-, Klimaschutz, Verkehrswende oder Regulierung der umweltschädlichen Landwirtschaft auf. Dafür werden Wölfe gejagt und weiterhin der Autoverkehr massiv gefördert.

  • Zustimmung sollte nur unter der Maßgabe geschehen, dass eine Änderung jederzeit mit Bundestagsmehrheit möglich ist.



    Sollte eine Gesetzesänderung dazu führen, dass künftig der Bundesrat als Länderkammer zustimmungspflichtig wird, um z.B. die CO2-bezogene Besteuerung zu erhöhen, sollte unbedingt abgelehnt werden.

  • Das Beste und Klügste wäre, die Regierungsvorschläge als nicht diskussionswürdig abzulehnen, und kommentarlos zurück zu weisen! Keine Verhandlungen darüber im Detail! Sie sind in Gänze unzureichend. Kein Klimaziel wird im definierten Zeitfenster erreichbar sein. Die Subventionen für umwelt- und klimaschädliche Wirtschaftszweige in Höhe von 54 Mrd Euro (lt UBA) sind zudem komplett außen vor. (Regional Flughäfen, MinÖl Steuerbefreiung Flug und Plastikproduktion, Dieselsubventionen, Dienstwagenprivilegien,...)

    Lasst diese Regierung doch bis 2021diesen absolut wirkungslosen Unsinn allein vertreten! Es ist Zeit, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Sagt Nein, zu dieser Wirtschaftsförderung! Lasst euch nicht auf die Ablenkungsdebatte "Pendlerpauschale" ein, die ihr gegen die Verteidiger der Besitzstände und Ignoranten niemals gewinnen könnt! 1 Cent ist für sie schon zu viel!

    Wollt ihr ernsthaft einen Kompromiss finden? Auf Basis von NICHTS? Das wird euch auf die Füße fallen, spätestens wenn ihr diesen Schwachsinn in einer künftigen Regierung verteidigen und mittragen müsst!

    • @Drabiniok Dieter:

      Neue Regierung - neue Verhandlung - neue Gesetze.

      • @meerwind7:

        Wenn es so einfach wäre! Frei kaufen kann sich eine neue Regierung natürlich. Jedes heutige Investitions- und Subventionsversprechen, verpflichtet künftige Regierungen zur Einhaltung. Da diese Maßnahmen sowieso erst ab 2021 gelten sollen, ist die Absicht der gegenwärtigen Regierung doch schon jetzt erkennbar. Es besteht überhaupt kein Grund daran zu zweifeln, dass diese Regierung Investorenschutz für den Fall betreibt, dass eine grüne Regierungsbeteiligung erfolgt und heutige Entscheidungen korrigiert werden müssen. Priorität hat der Wirtschaftsstandort, seine Unternehmen, der Staus quo, das Weiter so (für mindestens noch eine Legislatur) aber nicht das Klima.

        Zudem dauern Gesetzesänderung (mit Ausnahme von Banken- und Unternehmensrettungen) in der Regel recht lange.