Grünen-Politikerin über das KSK: „Gefährliche Art von Korpsgeist“
Ist die Bundeswehr-Spezialeinheit KSK rechtsextrem durchsetzt? Die Grüne Agnieszka Brugger verlangt Aufklärung von der Verteidigungsministerin.
taz: Der Brief eines KSK-Hauptmanns, der rechtsextreme Tendenzen in der Eliteeinheit anprangert, sorgt für einigen Wirbel. Liegt Ihnen das an Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer adressierte Schreiben vor?
Agnieszka Brugger: Die Mitglieder des Verteidigungsausschusses haben von diesem Brief erst aus der Presse erfahren. Das geht überhaupt nicht. Als er am Freitag publik wurde, haben wir ihn umgehend angefordert. Offiziell liegt er uns noch nicht vor. Das ist nicht nur mangelnder Respekt vor dem Parlament, sondern hat auch mit der versprochenen Transparenz und einer schnellen und lückenlosen Aufklärung wenig zu tun.
Wir erwarten, dass sie am Mittwoch in den Verteidigungsausschuss kommt und uns Rede und Antwort steht. Die Enthüllungen zeigen noch einmal besonders drastisch, wie groß und real die Gefahr durch Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden ist.
In dem Brief ist von einer „chronischen Unterwanderung“ des KSK die Rede. Hat Sie ein solch heftiger Befund überrascht?
Ohne irgendwen unter einen Generalverdacht stellen zu wollen: Es haben sich in den letzten Jahren massiv die Anzeichen gehäuft, dass es ernstzunehmende Probleme mit Rechtsextremismus in der Bundeswehr und gerade auch im KSK gibt. Dazu haben wir als Opposition schon vor Jahren Fragen gestellt. Doch damals sind wir einfach abgebügelt worden.
Die Medien, ganz besonders auch die taz, haben wertvolle Aufklärungsarbeit geleistet. Doch auch diese Recherchen wurden viel zu lange nicht ernst genug genommen. Inzwischen kann aber niemand mehr leugnen, dass es ein ernsthaftes Problem gibt. Die Verteidigungsministerin muss das KSK jetzt endlich intensiv durchleuchten und schonungslos die Konsequenzen ziehen.
Der Hauptmann benennt in seinem Schreiben systemische Faktoren, die die angeprangerten Zustände möglich machten. Er spricht von einem Kadavergehorsam, der im KSK herrschen würde und zu einer als „toxisch zu bezeichnenden Kultur des Hinnehmens“ geführt hätte. Deckt sich das mit Ihren Erkenntnissen?
35, ist stellvertretende Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion und Mitglied im Verteidigungsausschuss
Ich nehme den Brief sehr ernst, er ist maximal alarmierend. Und er offenbart eine gefährliche Art von Korpsgeist, der dafür gesorgt hat, dass es im KSK eine Kultur des Verschweigens und des Vertuschens gibt und Rechtsextremisten gedeckt worden sind. Gerade bei Spezialkräften braucht es besonders strenge Kontrollmechanismen. Wer den Spezialkräften angehört, sollte nicht nur körperlich fit sein. Gerade wenn es im Extremfall um Leben und Tod gehen kann, braucht es eine besondere charakterliche Eignung. Da muss man mit aller Festigkeit auf dem Boden des Grundgesetzes stehen.
Halten Sie die KSK für reformierbar?
Auf jeden Fall muss man sich die derzeitigen Strukturen sehr genau anschauen. Rechtsextremisten dürfen weder bei den Spezialkräften noch sonst irgendwo in der Bundeswehr einen Platz haben. Es muss sichergestellt sein, dass entsprechenden Hinweisen sofort in aller Härte und mit aller Konsequenz nachgegangen wird. Da kann es nur eine Nulltoleranzpolitik geben. Einschlägige Personen müssen schnellstmöglich aus der Bundeswehr entfernt werden. Denn sie sind ein riesiges Sicherheitsrisiko.
Da reicht es nicht, wenn der MAD sagt, die Zustände im KSK seien seit einigen Monaten ein Arbeitsschwerpunkt. Es braucht jetzt entschlossenes Handeln. Es braucht jetzt radikale Reformen. Vor dieser riesigen Gefahr kann wirklich niemand mehr die Augen verschließen.
Ihre FDP-Kollegin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat gefordert, das KSK gegebenenfalls neu aufzustellen. Sehen Sie das auch so?
Es müssen alle Optionen auf den Tisch. Auch eine Neuaufstellung darf kein Tabu sein. Entscheidend ist, dass es nicht nur kosmetische Veränderungen gibt. Es reicht offensichtlich nicht aus, nur ein paar kleine Reförmchen im Bereich der politischen Bildung zu machen.
Die Verteidigungsministerin hat eine Arbeitsgruppe zur KSK gebildet, deren Ergebnisse sie noch vor der Sommerpause präsentieren will. Wie hoch sind Ihre Erwartungen daran?
Die Messlatte liegt sehr hoch. Annegret Kramp-Karrenbauer muss jetzt schnell wirksame Maßnahmen präsentieren, die der Schwere des Problems gerecht werden. Das Eigenlob der Ministerin in den letzten Wochen, wie entschlossen sie doch durchgreifen würde, hat mich zutiefst irritiert. Denn ich kann davon bislang kaum etwas erkennen. Annegret Kramp-Karrenbauer muss jetzt endlich handeln. Lippenbekenntnisse reichen nicht, um dieser Gefahr zu begegnen.
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