piwik no script img

Grünen-Politikerin über das Bamf„Das Skandal-Gerufe war groß“

Die Grünen fordern ein Qualitätsmanagement für das Bamf. Nur so könne man rechtsstaatliche Verfahren garantieren, sagt Luise Amtsberg.

„Wir sehen ja, wie viele Entscheidungen von den Gerichten kassiert werden“, sagt Amtsberg Foto: dpa
Dinah Riese
Interview von Dinah Riese

taz: Frau Amtsberg, am Freitag diskutiert der Bundestag über einen Antrag der Grünen, ein umfassendes Qualitätsmanagement beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zu implementieren. Ist das Ihre Reaktion auf den sogenannten Bamf-Skandal vom Frühling?

Luise Amtsberg: Naja. Ich wundere mich, dass wir die ersten sind, die mit einem solchen Antrag kommen. Immerhin war im April das Skandal-Gerufe groß, FDP und AfD haben einen Untersuchungsausschuss gefordert und seitens des Innenministeriums wurde die Angelegenheit als „hochkriminell, kollusiv und bandenmäßig“ eingeordnet. Und jetzt – herrscht Ruhe. Keine Vorschläge der Regierung oder von FDP oder AfD. Wir Grüne hingegen beschäftigen uns schon seit Jahren mit dem Bamf und fordern Reformen zur Qualitätsverbesserung. Dieser Antrag fasst zusammen, wo es aus unserer Sicht hakt.

Vieles in Ihrem Antrag liest sich ziemlich selbstverständlich für die Arbeit einer Behörde – so sollen Mitarbeiter*innen etwa qualifizierte Ausbildungen und regelmäßige Fortbildungen erhalten. Wozu braucht es Ihren Antrag?

Ja, so sollten die Dinge laufen – aber es ist leider nicht lückenlos so. Aber nur auf diese Weise kann ein rechtsstaatliches Verfahren garantiert werden. Die Entscheider müssen mit dem Befragungswesen genau so vertraut sein wie mit der Lage in den Herkunftsstaaten. Wir finden gut, dass der jetzige Bamf-Chef dafür sorgt, dass Anhörer und Entscheider wieder ein und dieselbe Person sind. Das ist ein sinnvoller und in der Praxis bewährter Umgang.

Ist das nicht auch kritisch? Angenommen, die anhörende Person hat irgendwelche Vorbehalte gegen einen Schutzsuchenden, wer kontrolliert das?

Das Vieraugenprinzip, also eine weitere Person, die die Entscheidung überprüft, bleibt natürlich erhalten. Dieses Prinzip gehört zu einer selbstkritischen Behörde unbedingt dazu.

Bild: dpa
Im Interview: Luise Amtsberg

34 Jahre, ist flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag.

Steckt denn auch etwas Neues in Ihrem Antrag?

Vieles. Wir fordern zum Beispiel eine flächendeckende unabhängige Asylverfahrensberatung. Asylbewerber*innen müssen wissen, wie das Asylverfahren abläuft und worauf es in der Anhörung ankommt. Viele haben Probleme, über ihre Erlebnisse und Traumata zu sprechen und wissen nicht, dass diese Erlebnisse für die Anhörung hochrelevant sind. Sie müssen gut vorbereitet sein, im Übrigen auch, damit Unregelmäßigkeiten durch Bamf-Mitarbeiter*innen durch die Betroffenen selbst erkannt und angezeigt werden können.

Eine unabhängige und flächendeckende Asylverfahrensberatung ist auch Teil des Koalitionsvertrags zwischen Union und SPD.

Ja. Gesehen haben wir davon aber noch nichts. In den Ankerzentren in Bayern übernehmen Bamf-Mitarbeiter*innen die Beratung. Wir Grüne sagen aber: Das darf keine staatliche Institution machen. Das muss jemand sein, der in erster Linie die Interessen der Schutzsuchenden im Blick hat. und der nicht befangen ist. Da ist das Bamf naturgegebener Weise zu befangen.

Sie wollen, dass neben positiven auch negative Asylbescheide stichprobenartig überprüft werden. Wie groß ist denn das Problem mit fälschlich negativen Bescheiden?

Wir sehen ja, wie viele Entscheidungen von den Verwaltungsgerichten kassiert werden. Das sind mitunter deutlich über ein Viertel der Fälle insgesamt, bei Syrern und Afghanen sogar über 60 Prozent – eine erschreckende Zahl. Diese Quote liegt weit über dem, was in anderen Verwaltungsangelegenheiten üblich sein dürfte und wiegt umso schwerer, als es sich hier um Fragen eines Grundrechts dreht. Von der unnötigen Belastung der Gerichte ganz zu schweigen. Aber das Bamf und die Union meinen, genau dafür seien die Gerichte ja da. Ich bin jedoch der Auffassung, dass es im Eigeninteresse einer Behörde liegen müsste, eventuelle Muster zu erkennen, die zu einer solchen Fülle von Falschentscheidungen führen, um sie abzustellen.

Und wie könnte man diese Muster erkennen?

Wir schlagen vor, diese und weitere Fragen durch eine unabhängige Expert*innen-Kommission bearbeiten zu lassen, bestehend aus Wissenschaftler*innen, Verwaltungsmitarbeiter*innen, Anwälte*innen, Richter*innen, Dolmetscher*innen und NGOs.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Die Überprüfung negativer Bescheide erfolgt doch durch Gerichte, da sehe ich keinen Bedarf.

    Jeder, der sich zu Unrecht abgelehnt sieht, kann klagen.

    • @Dr. McSchreck:

      „Jeder, der sich zu Unrecht abgelehnt sieht, kann klagen.“

      Theoretisch schon, aber auch praktisch? Wenn ein hoher Prozentsatz negativer Bescheide schlicht falsch sind, ist d a s ein Skandal und offenbar mindestens ein Behördenversagen.

  • Der Horst Lorenz kann sich als „Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat“ schließlich nicht um alles hier kümmern. Es gilt immer noch der alte römische Grundsatz: „De minimis non curat praetor.“



    Jetzt muss er doch zunächst mal das Wahlergebnis in Bayern sorgfältig analysieren. „Alles andere ist primär“* «(º¿º)»

    * (Zitat: Rolf Miller)

  • Sach mal so.

    Die Schleifung des! Asylrechts im Grundgesetz 1992/93.



    (“Wir schaffen ohne Not eines der! Grund&Menschenrechte ab!



    Nur weil wir schlecht organisiert sind!“



    Verfassungsrichter Jürgen Kühling im Spiegelinterview).



    Die Verfassubgsänderung! Haben die Altparteien - zu verantworten!



    Nicht die - damaligen - Grünen.



    Soweit so bekannt.



    &



    “…Nur weil wir schlecht organisiert sind!“



    Ist weiterhin seitdem - Fakt. Nothing else.



    Letzter BAMF-Skandal - der keiner war -



    & eben doch ein weiterer ist!



    Kein Zweifel.

    Daher. Hart formuliert im Kohlenpottslang:



    “Aussem Scheißhaus - kannste halt kein Wohnzimmer machen!“ •



    &



    Dennoch. Pragmatisch - Wünsche viel Glück.



    Nur wird das - gegen die derzeitige schwarzbräunliche Drift!



    Allein allemal nicht reichen. Newahr.



    Normal.



    &



    (Betbrüder bei den Grünen - wie Kretsche & Co.



    Ha no. Lassen grüßen! Gellewelle.



    Rest bitte selbst ergänzen……Danke!)



    Njorp.