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Grünen-Politiker Stefan GelbhaarGrünen-Vorsitzende drohen angeblichem Opfer mit Konsequenzen

Die Identität einer mutmaßlich Betroffenen in der Causa Gelbhaar ist fraglich. Die Grünen-Spitze erwägt nun einen Parteiausschluss für die angeblich Geschädigte.

Sind die Belästigungsvorwürfe gegen den Grünen-MdB Stefan Gelbhaar haltlos? Foto: Julian Weber/dpa

Berlin afp/dpa | Wende im Fall des Berliner Grünen-Politikers Stefan Gelbhaar: Die im Dezember gegen den Bundestagsabgeordneten bekannt gewordenen Belästigungsvorwürfe waren womöglich frei erfunden. Weil inzwischen erhebliche Zweifel an entsprechenden Darstellungen bestehen, zog der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) „sämtliche Beiträge, in denen es um konkrete Vorwürfe geht“, aus dem Netz zurück. Dies teilte der Sender am Freitagabend mit.

Demnach gebe es massive Bedenken im Zusammenhang mit der Identität einer mutmaßlich betroffenen Frau, die dem rbb eine eidesstattliche Versicherung zu ihren Darstellungen abgegeben hatte. „Mit hoher Wahrscheinlichkeit existiert diese Frau gar nicht“, hieß es vom rbb. Weitere Recherchen hätten zu einer Grünen-Bezirkspolitikerin geführt, die sich als die betroffene Frau ausgegeben haben und unter falschem Namen die eidesstattliche Versicherung abgegeben haben soll. Der Sender erstattete Strafanzeige gegen die Grünen-Bezirkspolitikerin.

„Nicht alle Vorwürfe, über die wir berichtet haben, sind damit automatisch nichtig – ein wesentlicher Vorwurf allerdings schon“, teilte der rbb weiter mit. Daher habe sich der Sender entschlossen, entsprechende Beiträge von der Internetseite zu entfernen. Gelbhaar hatte die Vorwürfe gegen ihn bereits bestritten und ging von einer „geplanten Aktion“ gegen seine Person aus, wie er auf seiner Webseite schrieb.

Gelbhaar, der seit 2017 für die Berlin-Pankower Grünen im Bundestag sitzt, war bei einer ersten Wahlversammlung am 12. November mit 98,4 Prozent der Stimmen zum Direktkandidaten gewählt worden. Nachdem Mitte Dezember die Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gegen ihn bekannt wurden, setzte der Kreisverband eine Wiederholung an. Als neue Direktkandidatin gewählt wurde dort Julia Schneider.

Grünen-Spitze erwägt Parteiausschlussverfahren

Die Bundesvorsitzenden der Grünen drohen mit einem Parteiausschlussverfahren, sollte sich der Verdacht einer parteiinternen Intrige gegen den Berliner Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar bestätigen. „Der Verdacht, dass gegenüber der Presse eine falsche Erklärung gegen ein anderes Parteimitglied mit schweren Vorwürfen erhoben wurde, ist gravierend“, erklärten Franziska Brantner und Felix Banaszak auf Anfrage der dpa und der „Welt am Sonntag“.

„Wer in einem solchen Verfahren falsche Aussagen an Eides statt tätigt, begeht im Zweifelsfall nicht nur eine Straftat, sondern fügt der gemeldeten Person, der Partei, aber auch den auf Vertrauen aufbauenden Strukturen und den anderen meldenden Personen erheblichen Schaden zu“, so die Vorsitzenden.

„Sobald die Person, gegen die sich dieser schwere Verdacht richtet, uns namentlich bekannt wird und der schwerwiegende Verdacht nicht unverzüglich ausgeräumt wird, werden wir ein Parteiausschlussverfahren einleiten.“ Dass der RBB strafrechtliche Schritte eingeleitet habe, halte man für richtig.

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19 Kommentare

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  • Das ist eine riesen Sauerei ! Vor allem gegenüber Herrn Gelbhaar. Die Verantwortlichen haben einiges zu erklären. Widerlich ist an der Geschichte, dass ein solcher Rufmord nicht wirklich zu reparieren ist. Ein Bärendienst in Sachen Glaubwürdigkeit, insbesondere an der Sicherheit von Strukturen, die so einen Mist nicht verhindern. Wie fahrlässig ist man denn mit diesen Anschuldigungen um gegangen ?! Anschuldigungen einer erfundenen Person ? Irre. Im Nebensatz ist mit Sicherheit zukünftige Anzeigen zum Thema zu erwähnen, aber das ist der geringste Schaden der entstanden ist. Meine Enttäuschung ist riesengross, dass dies in einer Partei passieren kann, die einiges richtig sieht, aber scheinbar den eigenen Ansprüchen in der Realität, konkret im richtigen Handeln, nicht nur hinter her läuft, sie kontaktiert. Nur eine umfassende Aufklärung und Konsequenzen kann den in meiner Wahrnehmung erheblichen Schaden mindern.

  • Nur eine von einer dazu berechtigten Behörde abgenommene Eidesstattliche Versicherung ist m.W. rechtlich bindend. Demnach ist die beim rbb abgegebene EV völlig irrelevant, die haben sich da möchtig hinter die Fichte führen lassen. Finde ich grob fahrlässig, man hat dadurch leichtfertig den Ruf eines Menschen beschädigt.

  • Was passiert denn jetzt?



    Wird Herr Gelbhaar wieder Kandidat?

  • Im Laufe der Berichterstattung musste ich lernen, dass es auch Mickey-Maus-Eidesstaatliche Versicherungen gibt. So etwas hat anscheinend der RBB erhalten. Wie kann es sein, dass sich ein(e) Journalist(in) eine Eidesstaatliche Versicherung geben lässt und nicht die Identität prüft - mittels Personalausweis?

    Ich bitte bei den Forumteilnehmern um Entschuldigung, die ich in vergangenen Diskussionen zu diesem Thema zurecht gewiesen hatte. Sie hatten Recht, ich hatte Unrecht.

  • Die Berliner Grünen auf einem Niveau, für das sich selbst die CSU (heute) schämen würde. Traurige Sache - vor allem, dass so oder so die Rechnung der mutmaßlichen "Verschwörer_innen" voll aufgeht.

  • Die taz war von Beginn des Skandals ja eher zurückhaltend und prognostizierte einen großen Skandal, wenn die Unschuldsvermutung nicht mehr gilt.



    Was passiert jetzt mit Gelbhaar - da wurde seitens der Grünenspitze ja eine Existenz zerstört…

  • Die Berliner Grünen starten also mit dem Verdacht der Vetternwirtschaft (Kreuzberg) und der Intrige (Pankow) in den Wahlkampf. Da ist es schon fast schade, dass Herr Habeck nicht an einem Kanzlerduell teilnimmt.

    Sollte sich der im Raum stehende Verdacht erhärten, werden sich die Grünen hoffentlich bei Herrn Gelbhaar entschuldigen und ihn finanziell entschädigen.

  • Was für eine Überraschung... nicht!

    Die Indizien das im Fall Gelbhaar etwas im Argen lag haben sich bereits vor der Entscheidung seiner Partei, ihn abzusägen, bis zur Decke gestapelt.

    - Zeitlich gehäufte Beschwerden gegen Gelbaar aus anonymer Feder



    - Im zeitlich kritischen Kontext der nun anstehenden Bundestagswahl



    - Durchgestochene Informationen an die Presse, als die Beschwerden keine Wirkung zeigen



    - Eidesstattliche Versicherungen gegenüber der Presse als Beleg für Authentizität der Anschuldigungen (Rechtsgültig angenommen werden können diese NUR von Behörden)

    Die "Journalisten" beim RBB haben sich scheinbar nicht einmal ein Ausweisdokument zeigen lassen, um die Identität der Frau zu prüfen, bevor sie die "Eidesstattliche Aussage" aufgenommen haben. Peinlich hoch zehn!

    Als Rätsel verbleibt nun die Frage warum Journalisten offenbar aus den Fehlern ihrer Kollegen nicht lernen. Ich bin mir unschlüssig darüber ob dies aus progressiver Haltung heraus, aus Faulheit oder aus dem Wunsch entsteht die nächste, große Story zu bringen.

  • Hoppla!



    Wenn sich das bestätigt, wäre es wirklich skandalös und eine politische Intrige naheliegend.



    Wir sollten uns grundsätzlich wieder mehr an unserem Rechtssystem orientieren und Menschen, die an den Pranger gestellt werden, nicht per Akklamation (vor-) verurteilen.

  • "Weitere Recherchen hätten zu einer Grünen-Bezirkspolitikerin geführt, die sich als die betroffene Frau ausgegeben haben und unter falschem Namen die eidesstattliche Versicherung abgegeben haben soll. " Bei Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung vor einem Notar ist es üblich, sich auszuweisen. Man sollte sich also in Zukunft bitte zurückhalten, sich auf eidesstattlichen Versicherungen zu berufen, die vor "Journalisten" und nicht vor einem Notar abgegeben wurden.

    • @PeterArt:

      Für eine eidesstattliche braucht man keinen Notar. Jeder kann schriftlich etwas an Eides statt versichern und unterschreiben, dann ist es rechtsverbindlich.

  • Ich möchte daran erinnern, dass auch hier über jeden hergefallen wurde, der vorschlug, erst einmal abzuwarten, was an den "Vorwürfen" dran ist, bevor die öffentliche Hinrichtung stattfindet.

    • @PeterArt:

      Danke. Das selbe ging mir eben auch durch den Kopf.

  • Den Bach rauf - mit dem Rücken an der Kante zum Wasserfall...



    Die Grünen im Januar 2025

  • Eine eidesstattliche Versicherung muss doch, je nach Bundesland, gegenüber einem Notar oder vor Gericht abgegeben werden.



    Und das geht nur mit existierenden Personen, die sich ausweisen können.



    Was also hat der rbb veröffentlicht?

  • Bereits der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Vorwürfe gegen Gelbhaar während der Nominierungsverfahren



    irritierte, ebenso die



    Anonymität der angeblich Betroffenen mit der Begründung, die



    eigene politische Karriere nicht zu beschädigen.



    Gelbhaar störte offensichtlich politische Wettbewerber und mußte



    durch Intrigen aus dem Weg geschafft werden. Dabei hat der



    Parteivorstand offensichtlich kräftig mitgeholfen.

    • @behr Behr:

      Ja, aber die viel schlimmeren Folgen dieser Katastrophe, wenn die jetzt erhobenen Vorwürfe stimmen, wird darin bestehen, dass sich Opfer sexueller Belästigung nun wieder mit verstärktem Misstrauen konfrontiert sehen werden.

      In den meisten Fällen steht ja Aussage gegen Aussage, was die Beweisführung nicht gerade erleichtert.

      Diese möglichen und gravierenden Folgen aus persönlichem Ehrgeiz und Eitelkeit ignoriert zu haben, ist erschreckend, gerade für Mitglieder einer sich als links und feministisch verstehenden Partei.

      Natürlich gilt mein Kommentar nur, wenn sich die Vorwürfe bestätigen.

      • @ PeWi:

        Wirklich PeWi ? Die schlimmste Folge ist erst mal dass jemand persönlich mit wahrscheinlich falschen Anschuldigungen platt gemacht wurde. Wie kann so etwas so einfach passieren in einem Umfeld, dass sich eigentlich Wachssamkeit und Ernsthaftigkeit im persönlichen Umgang verschrieben hat ? Der missbräuchliche Einsatz falscher Anschuldigen schädigt mehr als nur Opfer von Sexualdelikten. Eine Riesen Sauerei dieser Vorgang !

      • @ PeWi:

        Eine Eidesstattliche Versicherung muss rechtssicher vor einem Notar abgegeben werden! Einfach zu behaupten, es liege ein Zettel von Irgendjemanden irgendwo rum darf einfach nicht für eine Rufmord aktion ausreichen. Aber wie iist die Steigerung von Feind:



        Feind - Erzfeind - Parteifreund.



        Wer denkt eigendlich bei der Schmutzkampanie anb die Famielie von Gelbhaar??



        Für mich sind die Grünen nach dieser Aktion nicht mehr wähbar!