Grünen-Plan für artgerechte Tierhaltung: Die Kuh als Wahlkampfhelferin
Die Partei will die Haltung der Tiere künftig auf der Verpackung kennzeichnen lassen. So will sie den Ausstieg aus der „Massentierhaltung“ erreichen.
Mit ihren Forderungen versuchen die Grünen, im Wahlkampf von der weit verbreiteten Kritik an der Tierhaltung zu profitieren. Nach einer Umfrage im Auftrag des Bauernverbands glauben nur 31 Prozent der Bevölkerung, dass die Landwirte verantwortungsvoll mit ihren Tieren umgehen. Hintergrund sind die Enge in konventionellen Ställen, massenhafte Amputationen von Körperteilen oder teils hohe Verletzungsraten. Gleichzeitig müssen immer mehr Höfe schließen, weil die Preise für ihre Produkte zu niedrig sind.
Mit einer Haltungskennzeichnung wollen die Grünen erreichen, dass die Verbraucher bessere Bedingungen fördern. „0 ist die ökologische Tierhaltung. 1 ist eine Tierhaltung mit mehr Platz, mit höheren Anforderungen an den Stall und definitiv dem Zugang ins Freie. 2 ist mehr Platz und höhere Anforderungen an den Stall. Und 3 ist der gesetzliche Mindeststandard“, schlug Göring-Eckardt vor. Da Produkte mit einer besseren Kategorie in der Regel höhere Preise erzielen, rechnet man damit, dass mehr Tierschutz für die Bauern attraktiver wird.
Bauernverbandschef Joachim Rukwied hatte bereits am Wochenende in der taz gesagt, eine Haltungskennzeichnung würde die Konsumenten nur noch mehr verwirren. Darauf antwortete Göring-Eckardt: „Für mich als Verbraucherin ist es das Ende der Verwirrung, weil ich dann sehen kann: Was kaufe ich. Und ich brauche keine Lesebrille, um zu sehen, welcher Betrieb hat das hergestellt, und dann noch im Smartphone nachzugucken, was bedeutet das vielleicht.“ Mit dem EU-Recht sei so eine von Deutschland erlassene Kennzeichnung für Produkte aus dem In- und Ausland vereinbar.
Niedersachsens grüner Agrarminister Christian Meyer forderte, eine Milliarde Euro EU-Agrarsubventionen in mehr Tier-, Natur- und Klimaschutz umzuschichten. Derzeit bekämen die 20 Prozent Agrarbetriebe mit der größten Fläche 80 Prozent aller Subventionen. „Wir wollen die kleinen und mittleren Betriebe stärken“, so Meyer.
Während es für Bauernpräsident Rukwied „ein akzeptabler Prozess“ ist, dass jährlich 1,5 bis 1,8 Prozent aller Höfe aufgeben, bezeichnete Meyer diese Entwicklung als „fatal“. „Wir haben immer mehr Dörfer in Deutschland, wo nur noch ein oder zwei Bauern sind oder wo große Agrarstrukturen entstanden sind. Das verhindert auch die Akzeptanz der Landwirtschaft.“ Es stimme nicht, dass neue Tierschutzauflagen gerade kleine Höfe aus dem Markt drängen würden. Vor allem große Betriebe hätten oft problematische Haltungsbedingungen. Dagegen ließen sich kleine Höfe leichter etwa auf Weidehaltung umstellen, weil sie genügend Land für ihre Viehbestände hätten.
Beide Grüne wollten sich nicht auf konkrete Tierzahlen festlegen, ab denen ihrer Meinung nach „Massentierhaltung“ beginnt. „Ziel ist eine bodengebundene Haltung“, sagte Meyer. Ein Betrieb soll also nur so viele Tiere haben, dass er beispielsweise die gesamte Gülle auf seinem Land als Dünger nutzen kann.
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