Grünen-Parteitag: Die Vermittler
Vor der Vorstandsneuwahl am Samstag gibt es flügelübergreifend Lob für das Berliner Grünen-Spitzenduo Bettina Jarasch und Daniel Wesener.
Thomas Birk gilt bei den Grünen als bedächtiger Abgeordneter. Als seriöser Typ, als einer, der nicht viel Tamtam macht, sondern auf Fakten setzt. Was schon daran abzulesen ist, dass er im Parlament Experte für das eher dröge Thema Verwaltungsreform ist. Kurz vor dem Parteitag am Samstag mit der Vorstandsneuwahl aber greift auch er zu einem Superlativ. „Wir haben den besten Landesvorstand, den es je gab“, sagt Birk der taz über das Spitzenduo Bettina Jarasch und Daniel Wesener. „Das ist unser absolutes Dream-Team.“ Das ist bei Weitem keine Einzelmeinung, sondern quer durch alle Parteiflügel zu hören.
Das war nicht unbedingt zu erwarten, als Jarasch und Wesener vor zwei Jahren ins Amt kamen. Jarasch, zuvor Mitarbeiterin der Bundestagsfraktion, war und ist Vorsitzende eines katholische Pfarrgemeinderats. Wesener war bis dato Fraktionschef im Bezirksparlament von Friedrichshain-Kreuzberg und enger Mitarbeiter von Linken-Ikone Christian Ströbele. Die realpolitische Kirchentante und der dogmatische Linke – wie sollte das gehen?
„Wir sind alle professionell genug und wissen, dass die Zusammenarbeit funktionieren muss“, versprach Wesener vor seiner Wahl. Das klang wie eine Politphrase – war es aber nicht, wie sich zeigte. „Das sind außergewöhnliche Kommunikatoren“, erklärt sich die Neuköllner Abgeordnete Anja Kofbinger, wieso es bei dem Spitzenduo klappt. Beide hätten zudem ein „heiter-gelassenes Naturell“ und würden auch dann in Ruhe miteinander reden, wenn sie sich mal übereinander geärgert hätten. Für Kofbinger ist die Leistung des Duos auch von grundsätzlicher Bedeutung: „Die beiden haben gezeigt, dass Realos und Linke zusammenarbeiten können.“
So sieht das auch die der Parteilinken zuzuordnende Lisa Paus von ihrer Warte als Bundestagsabgeordnete: „Die machen einen sehr guten Job, sie haben die Partei wieder zusammengeführt, das sind auch tolle Menschen.“ All das beruhe auf einem Vertrauensverhältnis, das die beiden aufgebaut hätten. Und der Zehlendorfer Kreisvorsitzende Norbert Schellberg, einer der Oberrealos im Landesverband, lobt den linksstämmigen Wesener als „grundgut“ und überzeugend. „Er nimmt keine Flügelposition ein, auch wenn er die vielleicht im Herzen trägt. Er ist sehr konziliant“, sagt Schellberg.
Das deckt sich durchweg mit taz-Beobachtungen aus den vergangenen beiden Jahren. Ob bei Parteitagen, Pressekonferenzen, Interviews oder sonstigen Veranstaltungen – Jarasch, heute 44, war in Äußerungen und Auftritt genauso wenig „die Reala“ wie Wesener, 37, „der Parteilinke“. Beide teilten sich die Themen auf, nicht aber in Flügel. Ihre Körpersprache und viele Witzeleien bestätigen bei solchen Gelegenheiten immer wieder, was Jarasch jüngst im taz-Interview sagte: „Es macht uns Spaß zusammen.“ Es passierte auch in vertraulichen und hintergründigen Gesprächen nicht, dass die eine Hälfte der Doppelspitze negativ über die andere sprach.
Dem Lob schließt sich auch die frühere Landesvorsitzende Irma Franke-Dressler an. Sie erklärt sich die gute Zusammenarbeit mit der intensiven Arbeit im Wahlkampf und in den später gescheiterten Koalitionsgesprächen nach ihrer Abgeordnetenhauswahl. „Das bringt schon mit sich, dass man sich gut kennen lernt“, sagte Franke-Dressler. Sie war 2011 nach vier Jahren an der Parteispitze mit dem Satz „Ich leiste mir jetzt eine Rente mit 65“ abgetreten. Ihr Ko-Chef Stefan Gelbhaar trat ebenfalls nicht mehr an und wurde ein halbes Jahr später ins Abgeordnetenhaus gewählt. Als Parteivorsitzender wäre das nicht möglich gewesen – die Parteisatzung hält an der Trennung von Amt und Mandat fest.
Jarasch und Wesener wirken öffentlich und in den Medien präsenter als frühere Vorstände, stehen weniger als ihre Vorgänger im Schatten der Abgeordnetenhausfraktion und ihrer Chefinnen. Die Hauptarbeit aber leisteten sie nach innen, beim Befrieden des Landesverbands.
Gespalten und weitgehend arbeitsunfähig stand die Abgeordnetenhausfraktion nach der gescheiterten Spitzenkandidatur von Renate Künast dem gegenüber Umfragewerten von 30 Prozent enttäuschenden Wahlergebnis von 17,6 Prozent und einem heftigen Flügelstreit im Herbst 2011 da. Mediatoren waren notwendig, um überhaupt einen normalen Sitzungsablauf zu gewährleisten. Doch auch die Partei bot vor allem bei einem kleinen Parteitag ein Bild tiefer Gespaltenheit. „Der große Graben“, titelte die taz damals. Jarasch und Wesener sprachen mit vielen, leiteten einen Aussöhnungsprozess ein.
Nur einmal wurde in ihrer Amtszeit ein Konflikt zwischen beiden öffentlich, Ende 2012 zur Grünen-Gretchenfrage „Wie hälst du’s mit der CDU?“. Jarasch wollte aus der Abhängigkeit von der SPD raus, für Wesener hingegen war Schwarz-Grün de facto ausgeschlossen. Jaraschs Position dazu im taz-Interview im Februar: „Wir kämpfen für Rot-Grün. Und wenn’s nicht reicht, kann auch Frau Merkel gern mit uns reden. Aber dass aus diesen Gesprächen etwas rauskäme, bezweifle ich.“
Währenddessen wuchs die Partei seit ihrem Amtsantritt im März 2011 von 4.800 Mitgliedern auf derzeit fast 5.500. Die beiden Chefs wissen das natürlich, und auch wenn man bei den Grünen für Eigenlob schnell abgestraft wird, reden sie ihre Erfolge nicht klein. „Wir haben als Landesvorsitzende unserer Partei in den vergangenen zwei Jahren öffentlich Stimme und Gesicht gegeben“, schreibt Jarasch in ihrer erneuten Vorsitzbewerbung. Wesener formuliert in seiner Kandidatur: Parteichef sei das schönste Amt, das die Berliner Grünen zu vergeben haben. Das hörte sich fast so an wie einst beim früheren SPD-Chef Franz Müntefering: Der nannte seinen Job mal „das schönste Amt neben Papst“.
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