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Grünen-Co-Chef auf SommertourNouripour und das Wunderfahrzeug

Der Grünen Co-Chef trifft auf GSG9-Polizisten und Frauenhaus-Mitarbeitende. Die Grünen wollen das Thema Innere Sicherheit stärker besetzen.

Will Zivilschutz und innere Sicherheit zu grünen Themen machen: Nouripour beim BBK in Bonn Foto: Ute Grabowsky/imago

Bonn/Troisdorf/Mannheim taz | Richtig begeistert sieht Omid Nouripour aus, als er selbst in das kleine, schwarze ATV, das All-Terrain-Vehicle, steigen darf. Eine Stunde haben die Leute vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) vorgeführt, was sie so alles können.

Da fährt ein Zivilschutzfahrzeug mit Blaulicht vor, zwei Einsatzkräfte in voller Schutzmontur samt Masken und Helm springen heraus und prüfen, ob die neongelbe Flüssigkeit, die aus den mit Totenkopf markierten Tonnen läuft, chemischen Kampfstoff oder radioaktives Material enthält. Da demonstrieren Sanitäter, wie ungleich schwerer es ist, geborgene Patienten in den über 20 Jahre alten und noch im Einsatz befindlichen Rettungswagen zu hieven im Vergleich zu einem neuen – und wie miserabel die Patienten in dem alten gelagert sind. Da wird ein Unimog vorgeführt, der durch 1,20 Meter tiefes Wasser fahren und noch vieles andere kann, von diesen Spezialfahrzeugen hat das BBK nur zwei. Da dampft und piepst und knallt es.

Der Grünen-Chef hat interessierte Fragen an alle gerichtet und häufig dafür gedankt, „dass Sie mit Kompetenz und Leidenschaft für unseren Schutz sorgen“. Und dann fährt er, die Zunge zwischen die Zähne geklemmt, mit dem ATV über die extrem unebene, mit kleinen Hügeln und großen Schrägen gespickte Probestrecke, steigt schließlich aus und grinst: „Das ist ein Wunderfahrzeug, das kann sogar ich.“

Das „Wunderfahrzeug“ wurde etwa bei der Flut im Ahrtal vor zwei Jahren eingesetzt, um Wege zu erkunden – oder wenn die Rettungskräfte mit den größeren und schwereren Fahrzeugen nicht mehr weiter kamen. Dann kann man Gerät und Material auf die kleine Ladefläche umpacken. Auch die Mitarbeiter des BBK sind von dem Gefährt angetan.

Nouripour will wissen, „wo der Schuh drückt“

Omid Nouripour ist auf Sommerreise, wie viele Po­li­ti­ke­r*in­nen derzeit. „Stärken, die uns schützen“ ist das Motto der Tour, es geht um innere Sicherheit. Fünf Tage fährt er durch den Westen und Südwesten der Republik, bis er am Ende Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, treffen wird. Davor unter anderem, jenseits des BBK: Besuche bei der GSG9 und der Freiwilligen Feuerwehr, beim Technischen Hilfswerk, einem Frauenhaus in Troisdorf und der Wasserschutzpolizei am Bodensee.

Bei vielen Terminen ist die Presse zur Begleitung eingeladen. Warum diese Tour? In diesen Zeiten großer Unsicherheit wolle er denen danken, die Schutz geben, und auch fragen, wo der Schuh drücke, sagt Nouripour. Und weil er dabei „Präventions- und Exekutivansatz“ zusammenbringen wolle, sei die Tour so breit geworden.

Was Nouripour nicht sagt, nicht direkt zumindest: Die Grünen wollen sich inhaltlich breiter aufstellen, neben der Sozialpolitik gehört dazu die innere Sicherheit. Wer, allen schlechten Umfragen derzeit zum Trotz, weiter mit dem Kanzleramt liebäugelt, kommt an dem Thema nicht vorbei. Auch Außenministerin Annalena Baerbock hat ihre Deutschland-Tour in diesem Sommer dem Thema Resilienz gewidmet.

Die Kompetenz, die die Bevölkerung den Grünen laut Umfragen bislang bei der inneren Sicherheit zuschreibt, ist miserabel. Dass die Partei in Berlin nach der Randale in der Silvesternacht keine Antwort fand, hat auch zu ihrem schlechten Wahlergebnis beigetragen, in der Hauptstadt regiert jetzt bekanntlich Schwarz-Rot. Zwar haben die Grünen anerkannte Innenpolitiker*innen, aber das Innenministerium haben sie bislang weder im Bund noch in einem der Länder besetzt, obwohl die Forderung parteiintern immer wieder zu hören ist. Doch wenn es ernst wird, ziehen die Grünen andere Ministerien vor – vielleicht auch, weil ihnen das Innenressort dann doch zu heikel ist.

„Reibungsverluste“ bei der Ahrflut

Auf seiner Tour bekommt Nouripour eines immer wieder zu hören: Dass sich die Zusammenarbeit verbessern müsse. „Wir haben kein Ressourcenproblem, wir haben ein Koordinationsproblem“, sagt etwa Jochen Stein, der Leiter der Feuerwehr in Bonn. „Da müssen die Bundesländer besser werden.“ Bei der Ahrflut habe es „unheimliche Reibungsverluste“ gegeben: „Da sind Schäden entstanden, die hätten nicht entstehen müssen.“ Stein fordert eine Änderung bei der Zusammenarbeit von Bund und Ländern: Entscheidend dürfe nicht sein, wer zuständig ist, „sondern wer etwas beitragen kann“.

Auch Monika John-Koch, Leiterin des Gemeinsamen Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz von Bund und Ländern, beklagt, dass sich die Beteiligten „nicht gern in die Karten gucken lassen“. Das Vertrauen dafür zu schaffen, sei „vielleicht das schwierigste“. Das Kompetenzzentrum hat vor gut einem Jahr die Arbeit aufgenommen, um die Kooperation zu verbessern.

BBK-Präsident Ralph Tiesler betont zwar, dass seine größte Herausforderung die Finanzen seien, der aktuelle Haushaltsentwurf der Bundesregierung sieht deutliche Kürzungen vor. Aber auch er macht klar, dass die Zusammenarbeit von Bund und Ländern nicht ausreiche. Es gebe zum Beispiel „keinen kompletten Überblick über alle Ressourcen, die wir in Deutschland haben“.

Es könne nicht sein, dass man erst in den Keller steigen müsse, um zu schauen, ob dort Schlauchboote seien, wenn diese bei Rettungseinsätzen gebraucht würden, so kommentiert Nouripour das später auf der Tour. „Es gibt Zögerlichkeiten und Kompetenzgerangel, die am Ende zu großen Schäden führen können. Der Bund muss deutlich mehr Koordination übernehmen können.“ Da sei man sich in der Ampel einig, mit den Ländern müsse geredet werden. Es ist wahrlich nicht der erste Versuch.

Besuch im Frauenhaus

Auch im Frauen- und Kinderschutzhaus in Troisdorf wünschen sich die Mitarbeiterinnen eine bessere Zusammenarbeit – mit Familiengerichten etwa, mit dem Ausländer- und Wohnungsamt. Dass sie nicht frühzeitig von frei werdenden Wohnungen erfahren würden, trage wegen der Wohnungsnot auch dazu bei, dass die Frauen so lange blieben, häufig sechs bis zwölf Monate. Auch Finanzen sind hier ein Thema, ein drittes Haus im Rhein-Sieg-Kreis werde dringend gebraucht, sagt Geschäftsführerin Michiko Park.

Vor zwei Jahren ist das Frauenhaus in einen Neubau umgezogen, ein lichtes Gebäude mit einladenden Wohnungen und einem großen Spielraum für Kinder. Das sei nicht der Standard für Frauenhäuser, sagt Park fast entschuldigend. Eine Investorenfamilie habe das Haus im sozialen Wohnungsbau geplant und dem Verein zur Miete angeboten, ein Glücksfall. Während die Mitarbeiterinnen von ihrer Arbeit erzählen, schaut Nouripour kurz aus dem Fenster, wo Kinder spielen und Frauen im Schatten sitzen. „Hier wird auch viel gelacht“, sagt er. „Ja“, sagt Park. „viele sind hier auf dem Weg in ein besseres Leben“.

Als Nouripour später beim THW in Mannheim gefragt wird, wo er schon überall gewesen sei, erzählt er zuerst vom Troisdorfer Frauenhaus.

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1 Kommentar

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  • Da könnte man ja mal eine Anpassung der Definition der "inneren Sicherheit" vornehmen, weg vom Polizeistaatdenken der früheren Unionsminister.



    Katastrophenschutz im Hinblick auf Klimawandel, Versorgungssicherheit z.b. durch Ressourcenschutz beim Wasser usw.



    Damit können die vielleicht mal wieder ein paar positive Punkte setzen.

    Was man auch mal wieder ins Auge fassen muss, ist eine staatliche Elementarschadenversicherung finanziert aus Teilen der Grundsteuer. Da wäre angesichts der derzeitigen verschiedenen Katastrophenszenarien in den EU Staaten jetzt sicher der Zeitpunkt gekommen, dass es aus Brüssel keinen Gegenwind für solche Massnahmen auf nationaler Ebene geben wird.



    Den dort wo die Katastrophen zugeschlagen haben wird es künftig kaum noch Versicherungsschutz geben, den sich die Leute leisten können und allgemein werden die Prämien steigen oder man bekommt einfach keine Versicherung mehr.