piwik no script img

Grünen-Abgeordneter über EU-Taxonomie„Olaf Scholz muss Farbe bekennen“

Auf ihrem Parteitag haben die Grünen nach einigem Hin und Her ihre Position geschärft. Rasmus Andresen hofft jetzt auf eine Klage der Bundesregierung.

Greenpeace-Protest gegen die Taxonomie-Pläne vor dem Kanzleramt Foto: dpa
Tobias Schulze
Interview von Tobias Schulze

taz: Herr Andresen, Der Grünen-Parteitag hat am Wochenende einen Beschluss gegen die geplante EU-Taxonomie gefasst. Der Bundesvorstand wollte ursprünglich einen Satz darin streichen, der kritisiert, dass die EU neben Atomenergie auch Erdgas als nachhaltig labeln möchte. Bevor es zu einer Kampfabstimmung kam, lenkte er aber doch ein. War es dahin ein harter Weg?

Rasmus Andresen: Das Thema hat in den letzten Tagen eine gewisse Dynamik bekommen. Es gab eindeutige Anträge aus der Basis. Auf der anderen Seite gab es den Wunsch des Bundesvorstands, die ablehnende Position unserer MinisterInnen im Beschluss zu verankern. Deswegen haben wir als Europa-Abgeordnete am Schluss noch eigene Änderungsanträge gestellt. Es hat ein bisschen Diskussionen gebraucht. Aber da wir uns in der Zielvorstellung einig sind, hat es mit einem tragbaren Kompromiss geklappt, der unsere klare Ablehnung zur Aufnahme von Atom und Gas in der Taxonomie untermauert.

Auch wenn sich der Parteitag jetzt sehr klar gegen die Aufnahme von Atom- und Gasenergie ausgesprochen hat: Zu stoppen sind die Pläne wohl kaum noch. Nötig wäre eine Mehrheit im Europaparlament oder ein Beschluss von 20 Mitgliedsstaaten.

Im Europaparlament kämpfen wir hart dafür, die Mehrheit noch zu erzielen. Die Chance ist dort deutlich größer als bei den Mitgliedsstaaten, da könnte es noch Überraschungen geben. Auf der anderen Seite ist in Deutschland erst mal wichtig, dass sich SPD und FDP klar positionieren und das Ganze nicht zu einer grünen Debatte machen, sondern Farbe bekennen. Gerade von den Sozialdemokraten erwarte ich da noch etwas mehr Engagement als in den vergangenen Wochen.

Im Interview: Rasmus Andresen

35, ist Sprecher der deutschen Grünen im EU-Parlament. Vor seinem Wechsel nach Brüssel 2019 saß er zehn Jahre lang im Landtag von Schlewsig-Holstein und war zuletzt dessen Vizepräsident.

Woher nehmen Sie bei der SPD die Hoffnung?

Es gibt in der SPD sehr viel Kritik an der Atomkraft und zum Teil auch an der Aufnahme von Erdgas. Irgendwann muss Olaf Scholz Farbe bekennen und den Weg dafür freimachen, dass die Bundesregierung Einspruch einlegt und grundsätzlich offen für eine Klage gegen die Taxonomie ist.

In diesem Punkt ist die Formulierung im Grünen-Beschluss jetzt weicher als in den ursprünglichen Basisanträgen. Die grünen Regierungsmitglieder werden nicht mehr zur Klage aufgefordert, sondern erst mal eben nur zu deren Prüfung. Lässt ihnen das nicht ein Schlupfloch?

Bei der Klage gibt es unterschiedliche Baustellen. Man kann kritisieren, dass die Kommission in dem Verfahren, das sie gewählt hat, ihre Kompetenzen überschreitet. Es gibt aber auch die Möglichkeit, inhaltlich zu klagen, weil Atomenergie nicht den Nachhaltigkeitskriterien der Taxonomie entspricht – so wie Österreich es plant. Ich finde es richtig, zu klären, was da rechtlich am sinnvollsten ist und wie die Koalitionspartner dazu stehen. Von Brüssel aus wünschen wir uns aber auch, dass die deutsche Bundesregierung zusammen mit anderen Mitgliedsstaaten in diese Richtung geht und am Ende bereit ist, den Rechtsweg zu gehen, falls der Plan der Kommission nicht politisch gestoppt werden kann.

Was macht Sie zuversichtlich, dass Klimaminister Robert Habeck in dieser Frage innerhalb der Koalition hart genug auftritt?

Unsere Minister haben sich in den letzten Wochen deutlich positioniert. Entscheidend ist jetzt tatsächlich, dass sich SPD und FDP bewegen. Da hilft der klare Beschluss vom Parteitag, der sicherlich auch bei unseren Koalitionspartnern gelesen wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!