Grüne Spitzenkandidaten: Vier gewinnt?
Bei ihrem Parteitag schicken die Berliner Grünen erstmals ein Vierer-Spitzenteam aus ihren Landes- und Fraktionsvorsitzenden in den Abgeordnetenhauswahlkampf 2016. Das passt nicht allen
Das Experiment hat begonnen: Die Grünen haben am Wochenende für die Abgeordnetenhauswahl erstmals in Berlin eine Viererspitze beschlossen. Nicht eine Spitzenfrau allein soll die Partei 2016 nach 15 Jahren Pause wieder in die Regierung führen, sondern ein Team aus den Chefs von Partei und Fraktion, Bettina Jarasch, Daniel Wesener, Ramona Pop und Antje Kapek.
Kapek steht wenige Minuten, nachdem die rund 150 Delegierten das Team bei weniger als zehn Gegenstimmen beschlossen haben, hinten in der Tagungshalle im Wedding und wirkt erleichtert. Grünen-Parteitage können eine besondere Dynamik entwickeln – und das Vierer-Team grundsätzlich und schon jetzt zu benennen, war nicht unumstritten: Es binde eine Mitgliedervollversammlung, die im nächsten Frühjahr offiziell die Liste mit den Parlamentskandidaten aufstellt.
Andere hielten es sogar für komplett falsch, nicht auf eine Person zu setzen. „Das macht uns viel langsamer“, bemängelte eine Delegierte, die sich auch um TV-Präsenz sorgt: „Bevor wir denen das Team erklärt haben, ist die Sendezeit schon vorbei.“
Gegenüber der taz rechnet Kapek vor, dass das nicht stimmen muss. „Nach dem Rücktritt von Klaus Wowereit beispielsweise hat es nur 23 Minuten gedauert, bis wir zu viert eine Stellungnahme fertig hatten“, sagt sie. Schon jetzt säßen sie einmal die Woche mehrere Stunden zusammen, gingen jeden Morgen telefonisch die Medienlage in Zeitungen und Rundfunk durch.
Kritik einer Delegierten am Vier-Team
Aber wie wollen sie es denn nun klären, welcher Name im März, wenn es um die offizielle Kandidatenliste für die Landeswahlleitung geht, ganz oben steht? „Das haben wir schon geklärt“, sagt Kapek – und behält das Ergebnis dieser Klärung leider für sich. Und wenn nur einer oder eine die Partei bei einer Fernsehdiskussion vertreten könne, „dann sitzen die anderen drei anfeuernd in der ersten Reihe im Publikum“.
Und da sei keine Gefahr, dass dann ab März drei der vier nur noch Spitzenkandidaten zweiter Klasse sind? Kapek sieht das anders: Entscheidend sei, dass alle strategischen Entscheidungen zu viert fielen. „Wir klären alle Fragen gemeinsam“. Wahlplakate mit allen vier oder einzelnen Köpfen erwartet sie nicht. Dabei gibt es an diesem Nachmittag einen Moment, der zumindest andeutet, wer diese Erste unter Gleichen sein wird: Als Ramona Pop ans Mikro tritt. Die spricht dann nach ein paar Sätzen nicht von „wir“, sondern ist in der „Ich“-Form: Dass sie zusammen „mit Euch“ die Grünen in die Regierung bringen will – und dieses „Euch“ richtet sich an die Delegierten, nicht an ihre Spitzenteamkollegen.
Pop als Nummer Eins der Landesliste wäre das, was die anderen Parteien erwartet hätten. Sie ist von den Vieren die mit der größten Erfahrung im Parlament, dem sie seit 2001 angehört, sie ist die bekannteste unter ihnen, sie hat die längste Führungserfahrung. Aber ein Viererteam soll eben mehr bringen als einsame Beschlüsse von „Alpha-Männchen“, wie es die Grünen bei SPD und CDU beobachten. „Es gibt die Mutter, es gibt die Katholikin, es gibt den Schwulen, die Migrantin, die Stadtentwicklerin“, rühmt Jarasch vor Journalisten die Vielfalt des Teams.
Von einer Modellstadt, die Berlin mit grüner Regierungsbeteiligung werden könne, hat zu Beginn des Parteitags Toni Hofreiter gesprochen, der Chef der Bundestagsfraktion, von einer Art Labor. Das, sagt Kapek, passe doch auch für das Vierer-Team.
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