Grüne Jugend hat Redebedraf: „In Parteiforen ist die Hölle los“
Hamburg schiebt wieder Menschen nach Afghanistan ab. Für Johannes Müller von der Grünen Jugend ein Unding, denn der rot-grüne Senat hätte sich weigern können
taz: Herr Müller, warum protestiert die Grüne Jugend gegen die Abschiebungen nach Afghanistan?
Johannes Müller: Weil das Land von Krieg und Konflikten zerrüttet ist. Sicherheit kann dort nirgendwo gewährleistet werden. Selbst der Bundesinnenminister trägt beim Besuch eine kugelsichere Weste und Helm. Dort herrscht Bürgerkrieg und Minderheiten werden verfolgt.
Ihre Partei regiert in Hamburg mit. Warum schiebt Hamburg dann seit Mittwoch wieder nach Afghanistan ab?
Wir sind momentan in der Klärung mit unseren Senatoren, wie das abgelaufen ist. Unsere Kritik richtet sich aber zuerst an die große Koalition auf Bundesebene und auch an das CDU-geführte Bundesinnenministerium, das diese Abschiebung verantwortet. Sehen Sie sich mal die heutige Tagesordnung für den Bundestag an. Ein fast schon zynischer Zufall: Gestern wird Afghanistan von der Bundesregierung für sicher gehalten und heute beschließt man, dass dort weiter bewaffnete deutsche Streitkräfte bleiben sollen.
24, studiert Internationales Wirtschaftsingenieurwesen in Harburg, Sprecher der Grünen Jugend in Hamburg.
Schleswig-Holstein und Niedersachsen schieben nicht ab.
Eben. Die Innenminister unserer Nachbarländer wie Schleswig-Holstein haben dort nicht mitgemacht und es geschafft, eine Aufschiebung zu erwirken.
Gibt es verstehbare Gründe für Hamburgs Linie?
Der Innenminister von Schleswig-Holstein, Stefan Studt (SPD), hat beim Bundesinnenministerium eine Überprüfung der Sicherheitslage in Afghanistan angefordert. Laut unseren Hamburger Senatoren hätte dies nur aufschiebende Wirkung gehabt. Für uns von der Grünen Jugend ist es aber trotzdem die richtige Reaktion.
Wie sollten sich Ihre grünen Senatoren, die ja in der Minderheit sind, gegen die SPD-Senatoren durchsetzen?
Dass wir stimmenmäßig unterlegen sind, heißt nicht, dass man nicht auf uns als Koalitionspartner Rücksicht nimmt. Nach den mir vorliegenden Informationen wurde der Flug nach Kabul diesmal vom Bundesinnenministerium organisiert und bezahlt. Die Hamburger Regierung hätte sich allerdings weigern können, Personen aus Hamburg zur Abschiebung zu melden. Immerhin konnte unsere flüchtlingspolitische Sprecherin durch Einzelprüfungen die Zahl der abzuschiebenden Menschen aus Hamburg von 14 auf sieben halbieren.
Wo liegt für die Grüne Jugend die Schmerzgrenze?
Die ist hier erreicht. Als die Hauruck-Abschiebung am Mittwoch bekannt wurde, war in den Parteiforen die Hölle los. Auch unsere Landesvorsitzende hat ja ihren Protest erklärt. Wir haben mit unserem Koalitionspartner erheblichen Redebedarf. Es ist auch die Frage, ob man die Ausländerbehörde einfach machen lässt, oder gegenüber dem verantwortlichen Innensenator der SPD Stellung bezieht und sagt, dass das in einer Koalition mit den Grünen nicht läuft. Das einzige, was Hamburg tut, ist, im Einzelfall zu gucken, ob für die Abschiebung aufschiebende Gründe vorliegen. Also Erkrankungen, Reiseunfähigkeit und dergleichen. Das wird in Hamburg stark durchgeführt.
Es gibt diesmal keinen Landes-Winter-Abschiebestopp in sogenannte sichere Herkunftsländer, wie ihn 2009 sogar ein CDU-Senator Alhaus verfügte. Hätten Sie nicht schon vor Wochen Alarm schlagen müssen?
Abschiebungen sind immer kritisch. Wenn dann noch widrige Umstände dazukommen – welche das auch immer sind –, sollte man darauf verzichten. Wir haben aus humanitären Gründen die Pflicht, Menschen auch menschenwürdig zu behandeln.
Wird dieses Thema auf einem Parteitag besprochen werden?
Es wird sicher auf dem nächsten Landesausschuss zur Sprache kommen.
Wie zufrieden ist die Grüne Jugend denn insgesamt nach zwei Jahren rot-grüner Koalition? Es war ja keine Liebesheirat.
Sagen wir so: Die Zusammenarbeit läuft nicht immer reibungsfrei. Etwa bei Themen wie Luftverschmutzung und Verkehrspolitik muss die SPD deutlich mehr Zugeständnisse machen. Die Entscheidung, Geflüchtete zur Abschiebung nach Afghanistan zu melden, kritisieren wir jedenfalls aufs Schärfste. Das darf keinesfalls noch mal vorkommen, unsere Senatoren müssen da klare Kante im Senat zeigen.
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