Grün-Schwarz in Baden-Württemberg: Bitte recht bürgerlich
Grüne und CDU einigen sich auf ein ausgeglichenes Regierungsprogramm. Ressortzuschnitt und Personalien werden am Montag bekanntgegeben.
Der Koalitionsvertrag steht in allen wesentlichen Punkten und zeichnet das Bild einer breiten bürgerlichen Koalition. In dem Vertragswerk, das über 150 Seiten schwer sein soll, findet sich sowohl das Bekenntnis, dass in der Drogenpolitik das Prinzip „Hilfe vor Strafe“ gelten muss, als auch Passagen zu Heimatvertriebenen. Eine der härtesten Auseinandersetzungen in den streng abgeschirmten Verhandlungen war offenbar das Thema Stuttgart 21. Die CDU wollte den von der früheren Landesregierung beschlossenen Kostendeckel aufweichen, um das Land an künftigen Mehrkosten zu beteiligen. Damit konnte sie sich offenbar nicht durchsetzen. Auch wird die Bildungspolitik der früheren grün-roten Regierung offenbar unter grün-schwarz fortgesetzt.
Die Gemeinschaftsschulen erhalten eine Bestands- und Entwicklungsgarantie, dafür setzte die CDU eine Stärkung der Realschulen durch. Bei der inneren Sicherheit konnte die CDU mit mehr Stellen für die Polizei und dem Verzicht auf die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamten punkten. Lauschangriff und Vorratsdatenspeicherung kommen, stehen aber immerhin unter Richter-Vorbehalt.
Insgesamt ist die künftige grün-schwarze Regierung stark von der Schuldenbremse geprägt, die ab 2020 bundesweit gilt, für Baden-Württemberg – Stichwort nachhaltige Finanzpolitik – aber schon ab 2017 gelten soll. Vor allem für die CDU war der Blick in die Haushaltskasse eine frustrierende Erfahrung. Viele ihrer Wahlversprechen fallen der Schuldenbremse zum Opfer. Einig wurden sich die potenziellen Koalitionspartner darin, die freien Mittel für Infrastrukturprojekte, wie schnelleres Internet im ländlichen Raum, aber auch Schnellradwege in Ballungsgebieten und eine Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs einzusetzen.
Offen ist bisher der Zuschnitt der Ministerien, wie auch das Personaltableau. Beides soll am Wochenende fixiert werden. Spannend wird sein, ob die CDU ihr Wahlversprechen einhalten kann, die Hälfte ihrer Ministerposten mit Frauen zu besetzten. Seit sich abzeichnet, dass sowohl der Landesvorsitzende Thomas Strobl als auch der glücklose Spitzenkandidat Guido Wolf ins Kabinett einziehen, bleibt für einen angemessenen Frauenanteil immer weniger Spielraum. Auch bei den Grünen gelten bisher nur männliche Minister als gesetzt.
Am kommenden Montag wollen Strobl und Kretschmann den grün-schwarzen Koalitionsvertrag der Öffentlichkeit präsentieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“