Großer Stellenabbau bei Gruner + Jahr: Lustloses Imperium
RTL will über 20 Titel des früheren Verlags Gruner + Jahr einstellen. Rund 500 Stellen sollen wegfallen. Die Belegschaft hat aber Kampfgeist.
Als vor rund zwei Wochen mehr als 250 Mitarbeitende der RTL-Zeitschriften in Hamburg gegen den befürchteten Ausverkauf zahlreicher Magazine protestierten, hatten Redakteur*innen eines Brigitte-Ablegers folgenden Slogan kreiert: „Brigitte Be GREEN – Themen: Überleben des Planeten – Eigenes Überleben: Ungewiss.“
Wie lange der Planet noch überlebt, bleibt bekanntlich ungewiss. Dass Brigitte Be Green nicht überlebt, ist dagegen seit Dienstagmorgen gewiss. Das Magazin für Nachhaltigkeitsthemen gehört zu den 23 Titeln des früheren Verlags Gruner + Jahr, die RTL Deutschland komplett einstellt, neben zahlreichen weiteren Ablegern von Brigitte. Auch die Print-Ausgabe des 1966 gegründeten Magazins Eltern verschwindet vom Markt, es erscheint künftig nur noch digital.
Die Mitarbeitenden erfuhren die Hiobsbotschaften in Hamburg von Thomas Rabe persönlich. Der Bertelsmann-Vorstandschef steht seit Sommer 2022 auch bei RTL Deutschland an der Spitze. 13 Titel will der als „Rabenvater“ verspottete Konzernlenker dagegen weiter führen, unter anderen Stern, Gala und die Brigitte- und Geo-Haupttitel. Im Unternehmenssprech klingt das so: Man „fokussiert sich auf die Kernmarken, die insgesamt etwa 70 Prozent der heutigen Publishing-Umsätze ausmachen“.
Diese „Fokussierung“ bedeutet den Abbau von rund 500 Stellen, nach Unternehmensangaben überwiegend im nichtredaktionellen Bereich. 200 weitere Stellen sollen im Zuge von geplanten Titel- oder Gesellschafteranteilsverkäufen an andere Unternehmen übergehen. Mehr als zwanzig sind zum Verkauf vorgesehen, darunter Business Punk und Art. Bisher habe es aber „keinerlei Sondierungs- oder Verkaufsgespräche“ gegeben, sagte Rabe der dpa.
Eine Tragödie
Keine Zukunft bei RTL hat auch das Fußballmagazin 11 Freunde, dessen Chefredakteur Philipp Köster kürzlich bereits getwittert hatte, es sei „eine Tragödie“, wie das kreative Potenzial des alten Verlags Gruner + Jahr „gerade abgewickelt und demontiert wird“. Zu den Interessenten für den RTL-Mehrheitsanteil an 11 Freunde soll die Klambt-Gruppe (Petra, Für Sie) gehören.
Die galt als expansionsbereit. Sie hat im vergangenen Sommer den Verlag Delius + Klasing (D+K) gekauft und damit auch eine Reihe von Sportzeitschriften. Teil des D+K-Kaufpakets war auch der Verlag Die Werkstatt, dessen Fußballbuchprogramm zu 11 Freunde passen würde. Ein Klambt-Sprecher sagte am Dienstag, der Verlag könne zu der Frage, ob Klambt an 11 Freunde interessiert sei, keine Stellung nehmen. Köster twitterte am Dienstag, um 11 Freunde müsse „sich niemand Sorgen machen. Wir arbeiten bereits an einer guten Lösung für den Verlag und das Magazin.“
Eingestellt werden dagegen unter anderem Guido, Barbara und Hirschhausens Stern Gesund Leben, also die Zeitschriftenableger der TV-Marken beziehungsweise TV-Gesichter Guido Maria Kretschmer, Barbara Schöneberger und Eckart von Hirschhausen.
Das kann man mindestens mittelbar als Indiz für den Bedeutungsverlust von Fernsehprominenten werten. Bemerkenswert ist auch, dass Landlust nicht mehr zum Imperium von RTL Deutschland gehören wird. RTL will seine Beteiligung an der Deutschen Medien-Manufaktur (DMM), bei der das Magazin erscheint, verkaufen.
Noch nicht protestmüde
Der Erfolg von Landlust wurde im Laufe der 2000er und 2010er Jahre immer wieder gern als Beispiel für die These herangezogen, dass Print nun ja doch noch nicht tot sei. Mit monatlich mehr als 800.000 verkauften Exemplaren ist Landlust auch heute alles andere als ein Branchenzwerg.
Christoph Schmitz, für den Bereich Medien zuständiges Mitglied im Bundesvorstand von Verdi, sagte zur Entscheidung von Bertelsmann: „Aus Unfähigkeit, ein profitables und europaweit beachtetes Zeitschriftenhaus in die digitale Transformation zu führen, zerschlägt Bertelsmann jetzt den Magazinverlag RTL in Hamburg. Die fehlgeleitete Strategie aus Gütersloh schneidet dem Medienstandort Hamburg und der Presselandschaft ein großes Stück Vielfalt heraus.“
Investieren will RTL auch: 20 Millionen in neue Räumlichkeiten, 60 Millionen in Redaktionelles. Die Hälfte soll davon in den Stern fließen, damit dessen Online-Bezahlangebot endlich mal in die Hufe kommt.
Protestmüde sind die von der Zerschlagung betroffenen Redakteur*innen immerhin noch nicht. Dienstagmittag demonstrierten einige vor ihnen vor dem Hamburger Rathaus gegen die Einstellung ihrer Zeitschriften.
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