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Großer Durchbruch des FrauenfußballsImmer gleicher und niemals gleich

Der Frauenfußball hat dieses Jahr eine stille Revolution erstritten. Er steht vor einer Zeitenwende.

Alexandra Popp, Kapitänin der Fußball-Nationalmannschaft, Star bei der EM Foto: Sebastian Gollnow/dpa

A m Ende des Jahres gab es noch einmal eine dieser Meldungen. Da wurde Alex Popp vom Kicker zur Persönlichkeit des Jahres erkoren, als erste Frau überhaupt. Es ist ja erst 2022. Aber ganz ernsthaft gilt: Der Fußball der Frauen hat in diesem Jahr den lange erwarteten, lange angezweifelten großen Sprung geschafft. Er ist jetzt ein bisschen Mainstream. Die deutsche Bundesliga adaptierte verspätet das Konzept der Highlight-Spiele und versammelte so etwa 23.000 Fans zum Eröffnungsspiel Bayern gegen Frankfurt, 20.000 zu Bremen gegen Freiburg und immer noch 14.000 zu Wolfsburg gegen Frankfurt.

Die Arenen der Männer zu erobern, hatte etwas Subversives. Vom Boykott vieler Ultras gegen die Katar-WM profitierten vor allem die Frauen. Derweil haben Italien und Spanien seit dieser Saison erstmals eine Profiliga. In England wurde die EM zum großen Katalysator. Kaum ernsthaft gesät, ist die Saat förmlich aus dem Boden geschossen. Keine andere Sportsendung hatte im deutschen TV so gute Einschaltquoten wie das EM-Finale – mehr als das Männer-Nationalteam, mehr als das WM-Finale mit Lionel Messi. Vor einigen Jahren unvorstellbar. Und mit der WM in Australien und Neuseeland steht 2023 ein Turnier vor der Tür, das in ein relativ egalitären Sportländern ohne Männerfußball-Hegemonie stattfindet und erneut Rekorde purzeln lassen könnte.

Das ist eine stille Revolution. All die, die über Jahrzehnte behaupteten, Frauenfußball-Desinteresse liege quasi in der menschlichen DNA, haben sich nun offiziell geirrt. Fußballliebe ist natürlich ein Gesellschaftsprodukt, Fußball-Ausschluss nicht weniger. Aber wie es so ist mit marktkonformen Revolutionen: Oft sind sie befreiend und fesselnd zugleich. Die Champions League der Frauen kann nun Vollzug vermelden: Endlich spielen auch hier dieselben reichen Superklubs weniger westeuropäischer Staaten. Endlich auch hier aufgeblähte, sportlich sinnlose Gruppenphasen. Der FC Barcelona holte Keira Walsh für eine Rekordablöse von einer halben Million Euro. Und bei Viktoria Berlin sind Investorinnen nach US-Vorbild bei den deutschen Frauen angekommen.

Vor einer Zeitenwende

Der Frauenfußball steht vor einer Zeitenwende: Weg aus den biederen Jahren, als alte Männer à la Siggi Dietrich und Bernd Schröder ein verkrustetes Geschäft formten und vor allem alte Männer und Kita-Publikum im Stadion saßen. Hin zu einzelnen liberalfeministischen Frauengruppen im Stile des Angel City FC und Viktoria, mehr Ultras, jüngerem und weiblicherem Publikum. Und Strategien aus den Chefetagen der Männerklubs. Es ändert sich viel – und doch vieles nicht. Denn wer sitzt in den Spitzenpositionen der Großklubs? Wer berät die Spielerinnen? Wer hat genug Geld, um in Klubs zu investieren? Wer steht den Sponsoren-Unternehmen vor und wer den Sportredaktionen der TV-Anstalten? Ja, Sie haben es erraten. Fußball bleibt Männerfußball.

Das belegen nicht nur die Altherren-Taskforce des DFB und die im Normalbetrieb gleichbleibend dürftigen Besuchszahlen der Bundesliga. Wollten die Männerverbände Frauenfußball wirklich gleichwertig machen, würden sie etwa egalitäre Spielpläne gestalten – und Frauen und Männer je ein Wochenende abwechselnd spielen lassen. Oder mixed. Fußball der Frauen ist kein gleichwertiges Produkt, sondern lediglich eine Erweiterung der Palette. Das Interesse endet da, wo er das Geldverdienen der Männer stört.

Frauen sind zum großen Fußball gekommen wie die DDR zur BRD. Debatten über einen dritten Weg, klügeren Fußball haben die Frauen nie interessiert. Die Dominanz des VfL Wolfsburg in der Bundesliga lässt Ungutes erwarten. Das große Erwachen von den prallgefüllten Schaufenstern des Männerfußballs steht noch aus. Und trotz Revolution die Erkenntnis, dass man in diesem Fußball gleicher werden kann, aber niemals gleich.

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Alina Schwermer
freie Autorin
Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de
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1 Kommentar

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  • Den Gleichheitsanspruch verstehe ich nicht. Gleichmacherei schafft doch nichts Neues.

    Der Frauenfussball sollte seinen eigenen Charakter weiterentwickeln. Wichtig wäre allerdings, das sich Frauen breiter und tiefer in die Verbandsstrukturen hinein entwickeln. Dann purzeln auch irgendwann die Männer aus den Führungspositionen.