piwik no script img

Großeinsatz wegen SchlangeHilfe, eine Kobra! Oder?

In Schwaben hat eine vermeintliche Kobra für einen Großeinsatz gesorgt. Aber egal, ob heimische Natter oder echte Giftschlange: Kein Grund zur Panik!

Eine ungefährliche Schlange: die Ringelnatter Foto: Imago

N ach jeder Katastrophe ganz wichtig: „Lessons learned.“ Vielleicht deshalb wollte man unter dem Eindruck der verheerenden Starkregenfluten dieses Sommers im schwäbischen Kirbachtal jetzt mal ganz sichergehen. Und hat die Einwohner vergangenes Wochenende mittels Warn-App Nina und Lautsprecherdurchsagen vor einer tödlichen Gefahr gewarnt: einer Kobra!

Nanu, wegen einer durch die Gegend kriechenden Kobra soll man das Haus nicht mehr verlassen? Eine interessante Information für wahrscheinlich Milliarden Menschen in Asien und Afrika, die jederzeit damit rechnen müssen, im Garten oder im Keller auf eine dieser recht weit verbreiteten Giftschlangen zu treffen, die als „Kulturfolger“ nicht mal scheu sind. Warnt Nina demnächst vor allen Todesgefahren? Etwa, wenn sich irgendwo ein Auto nähert? Ach, richtig: Ein solches Warnsystem gibt es bereits, es heißt Verkehrsfunk.

Im Städtchen Sachsenheim jedenfalls ging man auf Nummer sicher und schickte Polizei, Feuerwehr und Hubschrauber mit Wärmebildkameras aus, um der Schlange (Bild-Zeitung: „Wenn sie spuckt, kann das tödlich enden“) habhaft zu werden.

Und dann das: Die Kobra war … – eine ganz normale einheimische Ringelnatter, wie man sie an jedem besseren Froschtümpel überall in Deutschland findet. Eine Ringelnatter zumal, die auf dem Handy-Video, das den ganzen Alarm ausgelöst hat, ganz normale Ringelnatter-Sachen macht: schnell wegschlängeln und dabei aufgeregt den Hals abspreizen, um größer zu wirken. Immerhin, Evolution funktioniert bestens – die beabsichtigte abschreckende Wirkung hatte das offenbar.

Alle paar Jahre bis Jahrzehnte kommt es in Deutschland tatsächlich vor, dass eine entfleuchte Giftschlange aktenkundig wird. Zahl der dabei zu Schaden gekommenen Menschen bislang: exakt null. Verglichen mit der Wahrscheinlichkeit, hierzulande von einer Kobra gebissen zu werden, ist die Spekulation auf einen Sechser im Lotto eine seriöse Altersvorsorge. Also bitte: ganz ruhig bleiben. Und womöglich im Schulunterricht künftig ein bisschen mehr Wert auf Grundkenntnisse der heimischen Fauna legen.

Tierhalter können übrigens zur Kasse gebeten werden, wenn ihre Pfleglinge entwischen und die Feuerwehr deswegen anrückt. Vielleicht sollte man Ähnliches auch erwägen für das Auslösen von Großeinsätzen, nur weil jemand im Freien auf etwas ganz Merkwürdiges gestoßen ist, womit er gar nicht gerechnet hat: Natur.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Heiko Werning
Autor
Heiko Werning ist Reptilienforscher aus Berufung, Froschbeschützer aus Notwendigkeit, Schriftsteller aus Gründen und Liedermacher aus Leidenschaft. Er studierte Technischen Umweltschutz und Geographie an der TU Berlin. Er tritt sonntags bei der Berliner „Reformbühne Heim & Welt“ und donnerstags bei den Weddinger „Brauseboys“ auf und schreibt regelmäßig für Taz und Titanic. Letzte Buchveröffentlichung: „Vom Wedding verweht“ (Edition Tiamat).
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Kobra? Wärmebildkamera? Echt jetzt?

    Die Leute sollten weniger "Bild" lesen.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Die Feuden des Federalismus. Nicht in allen Bundesländern ist das Halten von Giftschlangen verboten.



    Fast jeder, der ein Terrarium besitzt, dürfte davon berichten, wie das ein oder andere Tier mal plötzlich weg war und zum Glück wiedergefunden wurde.



    KOMPLETT VERBIETEN!



    Außerdem ist das nicht artgerecht.

  • Als ich einmal in einem schweizer Tagesflugblatt las, wie die Polizei einen ganzen Briefkasten demontierte, weil sich eine Schlange in einer Fuge verklemmte, und diese anschließend in der Wildnis aussetzte, kamen mir tatsächlich die Tränen vor Rührung. So muss das eigentlich sein: Die Großen beschützen die Kleinen, die Starken die Schwachen.

  • Letztens bei uns am Wegesrand (Hitze, Steilhang, trocken)



    Wanderer mittleren Alters zu seinem Enkel: "Schau ein Salamander!"



    Ich stellte fest: "Zauneidechse!"

    Letztens bei uns am Wegesrand (Winter, Schnee, trocken)



    Radler: "Achtung Glas!"...



    Ich stellte fest: "Pfütze, gefroren, zersplittertes Eis!"

    Vielleicht nehme ich es zu genau.