Großdemo in Zeiten der Pandemie: Todmüde, aber voller Wagemut

Videoleinwände, eine Bühne, mehrere Demozüge, die sich nicht begegnen sollen: Seit Wochen organisieren Aktivist*innen die heutige Hamburger Großdemo.

Ein Mensch sitzt auf einem Lautsprecherwagen mit grüner Fahne, im Hintergund der Turm der Hauptkirche St. Michaelis

Unüberhörbar: Der Lautsprecherwagen ist auch bei der Demo heute Foto: FFF Hamburg

HAMBURG taz | Es ist Samstagabend, in den Räumen des Asta der Uni Hamburg sitzen 15 Aktivist*innen von Fridays for Future. Drei Stunden geht das Treffen schon, es wird bis in die Nacht gehen. Die „Klimabewegung“ plant ihre Großdemonstration, für die Aktivist*innen bedeutet das wochenlang Ausnahmezustand.

Die „Klimabewegung“, damit sind wir gemeint. Schüler*innen, Studierende und Azubis aus Hamburg und Umgebung, alle zwischen 13 und 28 Jahren alt. Wir haben in den vergangenen Wochen viel Zeit und Mut investiert, um den sechsten globalen Klimastreik möglich zu machen. Schon eine normale Großdemonstration ist in der Organisation eine Herausforderung, die Coronabedingungen und die Diskursverschiebung der letzten Monate machen die Planungen jetzt für uns alle noch einmal schwieriger.

Klima ist so 2019, jetzt dominiert überall die Pandemie. Nur die eine, medial omnipräsente Krise hat es mit an den Küchentisch geschafft. Die andere läuft wie die Sturmfluten, die sie mit sich bringt, in unsere Kellergeschosse hinein. Konkrete Maßnahmen wurden auf unbestimmte Zeit verschoben. Das müssen und wollen wir ändern.

Zu den Aktivist*innen in den Räumen des Asta gehört auch Matthes. Er ist 23 Jahre alt und der Versammlungsleiter der Großdemo. Konzen­triert blickt er auf seinen Laptop: „Am Dienstag machen wir die Ortsbegehung. Wer ist dabei?“ Bei den anderen Anwesenden gehen vereinzelt die Hände nach oben. „Leute, das ist wichtig“, sagt Matthes. Dann werden es deutlich mehr Meldungen.

Diesmal kein Festival-Charakter

In der Vergangenheit hatten die Großdemonstrationen von Fridays for Future oft Festival-Charakter. Ernst in der Sache, aber bunt und laut in der Durchführung. Zehntausende Menschen, dicht an dicht. Durch Corona wird dieses Mal alles anders, was auch die Ortsbegehungen noch wichtiger macht. Es gibt drei Zubringerdemos, die die Teilnehmenden ab 14 Uhr aus der ganzen Stadt auf die Ludwig-Erhard- und die Willy-Brandt-Straße bringen.

Auf einer Länge von 1,5 Kilometern erstreckt sich dort der Endkundgebungsort. Neben einer Bühne werden mehrere Videoleinwände, alles durch Spenden finanziert, auf der Versammlungsfläche stehen, damit alle Teilnehmenden genug Abstand halten können. „Für diese Demo müssen wir noch einmal in ganz anderen Dimensionen denken, das macht alles aufwendiger“, sagt Matthes. Zum Vergleich: Im Februar, bei der Großdemonstration vor der Bürgerschaftswahl, war die Kundgebungsfläche nur 500 Meter lang.

Ortswechsel, ein paar Tage später: Das Klimacamp von Fridays for Future am Speersort. Mitte August sind wir anderen Ortsgruppen gefolgt und haben ein Protestcamp aufgebaut, weil der Senat die Klimakrise weiter missachtet. Sechs Wochen steht es jetzt und ist Dreh- und Angelpunkt unserer Mobilisierungsarbeit für den globalen Streiktag. „So, das muss jetzt trocknen. Sieht doch aber sehr gut aus“, sagt Henrike und blickt auf ein zwischen Europaletten liegendes Transparent. „Kein Grad weiter!“ steht drauf, das ist das Motto für den 25. September.

Zur Organisation einer FFF-Großdemo braucht es immer eine Menge Personal, die Aufgabenverteilung ist vielfältig. Logistik, Sicherheit, Programm, Pressearbeit oder dieses Mal auch Infektionsschutz. Jede*r kann wichtige Aufgaben übernehmen, rund 30 Menschen arbeiten derzeit rund um die Uhr und ehrenamtlich, damit die Demo reibungslos abläuft. „Wir waren erst skeptisch, weil die Pandemie auch unserer Motivation zugesetzt hatte. Aber jetzt ist der Schwung wieder da“, sagt Henrike.

Wie zuletzt im Februar oder vor einem Jahr im September ist uns Aktivist*innen klar: Auch diese Demo ist ein einziges Wagnis. Ob wirklich viele Menschen kommen, weiß niemand. Zu Hause war zuletzt kaum eine*r mehr, jeden Tag gab es stundenlange Treffen. Der in der Ortsgruppe sonst sehr beliebte Telegram-Sticker mit dem Spruch „Nur ausgeschlafene Klimaaktivistis sind gute Klimaaktivistis“ wurde kurzerhand verdrängt. Sein Nachfolger ist aber ebenso deutlich. „Das ist ja der absolute Oberhammer!“ wird sich jetzt Orga-intern als Motivationsbotschaft auf die Handys geschickt.

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23, macht die Pressekoordination für FFF-Hamburg und studiert VWL.

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Klima-Aktivist*innen übernehmen die taz: Am 25. September erscheint eine taz. die klimazeitung – geschrieben und konzipiert von Aktivist*innen. Sie schreiben, was die Klimakrise mit Rassismus gemeinsam hat und entwickeln konkrete Utopien. Alle Texte dazu finden Sie online in unserem Schwerpunkt Klimagerechtigkeit.

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