Großbritanniens Brexit-Pläne: Zitterpartie EU-Gipfel
Die „politische Erklärung“ zwischen Großbritannien und EU stößt bei den Briten auf wenig Freude. Der nächste Schritt zum Brexit soll Sonntag folgen.
Brexit-Hardliner, die einen klaren Bruch mit der EU fordern, sprachen von einer „Kapitulation“ und forderten Nachverhandlungen. Labour-Oppositionsführer Jeremy Corbyn nannte die Erklärung „26 Seiten Gelaber“. Der Fraktionsführer der in Schottland regierenden Nationalistenpartei SNP, Ian Blackford, warf May einen Ausverkauf schottischer Interessen beim Schutz der Fischereigewässer vor.
Aus Sicht der Premierministerin löst die „politische Erklärung“ allerdings die wesentlichen Ziele des Brexit ein. Sie „beendet Freizügigkeit ein für allemal“, sagte sie zu lautstarker Zustimmung ihrer eigenen Partei. Sie „beendet die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs im Vereinigten Königreich“, fügte sie hinzu und erntete lautstarken Protest aus ihrer eigenen Fraktion. Dort gibt es Empörung darüber, dass der Austrittsvertragsentwurf dem EuGH das letzte Wort bei Rechtsstreitigkeiten zwischen Großbritannien und der EU zugesteht. May betonte, dass anders als von vielen Kritikern befürchtet Großbritannien nach dem Brexit sehr wohl eine unabhängige Außenhandelspolitik einschlagen könne.
Vorwurf: Widerspruch in sich
Das Dokument spricht von einem „Gleichgewicht zwischen Rechten und Verpflichtungen“ beider Seiten: Jedes zukünftige Abkommen müsse sowohl die Prinzipien der EU und die Integrität des europäischen Binnenmarktes als auch die Souveränität und Einheit des Vereinigten Königreiches einschließlich einer unabhängigen Handelspolitik respektieren. Dies halten Kritiker wie der konservative Abgeordnete Bill Cash für einen Widerspruch in sich.
Theresa May, Premierministerin
Im Einzelnen wird ausgeführt, dass ein zukünftiges Freihandelsabkommen auf den in Großbritannien sehr umstrittenen Vorgaben des sogenannten „backstops“ für Nordirland aufbauen soll, das das gesamte Vereinigte Königreich in einer unbefristeten Zollunion mit der EU belässt, sofern keine andere Regelung zur Beibehaltung offener Grenzen auf der Insel Irland gefunden wird. Außerdem solle ein Abkommen gemeinsame Standards in zahlreichen Politikfeldern von Arbeitsrecht bis zu Steuerkooperation und staatlichen Beihilfen anstreben.
Das 26 Seiten lange politische Papier ist eine Ergänzung zum 585 seitigen Austrittsvertrag, auf dessen Entwurf sich die beiden Seiten vorletzte Woche geeinigt hatten, und soll den Rahmen für ein Freihandelsabkommen sowie eine Sicherheitspartnerschaft setzen. Der Austrittsvertrag soll samt „politischer Erklärung“ vom EU-Gipfel am kommenden Sonntag verabschiedet werden – eine Zitterpartie. „Die Verhandlungen befinden sich jetzt in einer kritischen Phase“, sagte May. Die nächsten 72 Stunden seien entscheidend.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Selenskyj bringt Nato-Schutz für Teil der Ukraine ins Gespräch
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
Überraschende Wende in Syrien
Stunde null in Aleppo
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär