Vor dem Brexit-Sondergipfel: Spanien droht mit Absage
Kurz vor dem Brexit-Gipfel müssen die Unterhändler noch einen „Affenfelsen“ aus dem Weg räumen: Spanien könnte wegen Gibraltar ein Veto einlegen.
Tags drauf dann sollen bei einem Sondergipfel der Vertrag über den britischen EU-Austritt im März 2019 und eine Absichtserklärung über eine künftige Wirtschafts- und Sicherheitspartnerschaft beschlossen werden. Das seit mehr als eineinhalb Jahren währende Auseinandersetzung zwischen London und Brüssel wäre damit zwar abgeschlossen, die schwierigste Aufgabe für May würde aber danach noch warten: Die Premierministerin müsste den ausgehandelten Deal im Dezember durch das britische Parlament bringen.
In Sachen Brexit-Deal hatte der spanische Ministerpräsident Sánchez zuletzt eine neue Konfliktlinie aufgemacht. Er verlangte Änderungen am Entwurf für den Austrittsvertrag mit Großbritannien, weil Spanien Festlegungen über den künftigen Status von Gibraltar fürchtet. Das Gebiet am Südzipfel der Iberischen Halbinsel steht seit 1713 unter britischer Souveränität, wird aber von Spanien beansprucht.
EU-Kommissionschef Juncker war nach Angaben eines Sprechers in ständigem Kontakt mit Sanchez. Regierungsvertreter der 27 EU-Staaten versuchten bei einem Treffen, den Konflikt zu entschärfen – zunächst ohne greifbares Ergebnis, wie Diplomaten berichteten. Sánchez sagte in Havanna, bei den in Brüssel hinter verschlossenen Türen laufenden Verhandlungen habe seine Land „noch keine ausreichenden Garantien“ erhalten. Immerhin schienen andere Bedenken – darunter der Zugang zu Fischgründen – wenn nicht ausgeräumt, so doch verschoben.
DUP tagt in Belfast
Obendrein tagt am Samstag im nordirischen Belfast die DUP, von deren Stimmen die konservative Minderheitsregierung von May in Großbritannien abhängt. Als Gastredner ist ausgerechnet der Tory-Politiker Boris Johnson eingeladen, der aus Protest gegen Mays Brexit-Pläne als Außenminister zurückgetreten war. Die DUP lehnt den von May ausgehandelten Deal wie auch etliche Politiker aus Mays Konservativer Partei ab. Kritiker werfen May vor, schlecht verhandelt zu haben.
CSU-Europapolitiker Weber
DUP-Chefin Arlene Foster drohte am Freitag damit, die Zusammenarbeit mit den Tories zu beenden. „Noch sind wir nicht soweit“, sagte Foster in einem BBC-Radio-Interview. Sollte sich May aber mit ihrem Abkommen im Parlament durchsetzen, würde die Zusammenarbeit auf den Prüfstand kommen. Ohne die Unterstützung der DUP wäre Mays Regierung gescheitert.
Die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Evelyne Gebhardt, plädierte dafür, den Gipfel nicht an der Gibraltar-Frage scheitern zu lassen. Das Thema sei ebenso schwierig wie Nordirland. „Da muss natürlich eine vernünftige Lösung gefunden werden“, sagte die SPD-Politikerin am Samstag im Bayerischen Rundfunk.
Der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn gab sich optimistisch: „Ich glaube, da kommt man raus“, sagte er am Samstag im Deutschlandfunk. „Da wird man höchstwahrscheinlich eine interpretative Erklärung des Europäischen Rates ausarbeiten“, der zufolge Gibraltar-Themen von Madrid und London auszuhandeln seien. „Die Spanier haben Angst, dass eine Verlängerung der Übergangsphase nach 2020 auch auf Gibraltar angewandt wird“, sagte Asselborn. Das sei aber mit einer entsprechenden Erklärung zu lösen.
Auch der CDU-Europapolitiker David McAllister sieht das Abkommen trotz aller Querelen nicht in Gefahr. Das Verhalten des spanischen Ministerpräsidenten hängt seiner Ansicht nach mit den anstehenden Regionalwahlen in Andalusien zusammen. Dort grenzt Gibraltar an Spanien. Das Selbstbestimmungsrecht gelte auch für das britische Überseegebiet, sagte McAllister in MDR aktuell. „Ich glaube, dass man mit gutem Willen auch hier zu einer Lösung kommen kann.“
CSU-Europapolitiker Manfred Weber, der die europäischen Konservativen als Spitzenkandidat in die Europawahl 2019 führt, verlangte, es dürfe trotz allem keine Nachverhandlungen mehr am Brexit-Papier geben. „Die Brexiteers haben die Menschen angelogen. Deswegen ist jetzt viel Enttäuschung da“, sagte Weber der Passauer Neuen Presse.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!