Großbritanniens Brexit-Minister: David Frost tritt zurück
Der Staatsminister für den Brexit legt mit sofortiger Wirkung sein Amt nieder – nicht ohne Kritik an Premierminister Boris Johnson.
Frost geht nicht wegen des Brexits, sondern wegen der Frage, was danach kommt. „Der Brexit ist jetzt gesichert. Nun steht die Regierung vor der Herausforderung, die daraus entstehenden Chancen zu nutzen“, schreibt Frost in seinem Rücktrittsbrief an den Premier: „Du kennst meine Besorgnis über die gegenwärtige Ausrichtung. Ich hoffe, wir werden uns so schnell wie möglich dorthin bewegen, wo wir hinmüssen: eine wenig regulierte, unternehmerorientierte Niedrigsteuerwirtschaft, an der Spitze moderner Wissenschaft und ökonomischen Wandels.“ Frost macht sich mit dieser Abschiedskritik zum Sprachrohr der Tory-Rechten, denen Boris Johnson an der Macht nicht rechts genug ist.
Als Hardliner in Sachen Brexit hat Frost in den vergangenen Jahren ein ums andere Mal Johnson auf Kurs halten müssen. Dabei ist der einstige Karrierediplomat eigentlich vom Werdegang her kein Ideologe. Direkt von der Universität Oxford aus, wo er Geschichte und Französisch studiert hatte, stieß er 1987 im Alter von 21 Jahren zum diplomatischen Dienst und stieg auf, bis zum persönlichen Sekretär des obersten Diplomaten Sir David Kerr, der den berühmten EU-Austrittsartikel 50 in den EU-Verträgen entwarf. Er war auch in Brüssel stationiert und war zeitweise Vizechef der EU-Abteilung im britischen Außenministerium.
Zwischendurch unterwegs in Sachen Whisky
2013 schmiss Frost hin, quittierte den Dienst und tauchte als Geschäftsführer des schottischen Whiskyverbands wieder auf. Boris Johnson holte ihn nach seiner Berufung zum Außenminister 2016 als Berater zurück, und als Johnson 2019 Premier wurde, machte er Frost zum Chefunterhändler für den Brexit.
Mit seiner intimen Kenntnis der EU-Befindlichkeiten und seinem schroffen Auftreten handelte er wichtige Konzessionen aus – erst beim Austrittsabkommen 2019, dann beim Handelsabkommen Ende 2020. Zuletzt mühte er sich damit ab, das Nordirland-Protokoll des Brexit-Vertrags neuzuverhandeln.
Kenner beschreiben David Frost – Lord Frost seit seiner Ernennung ins britische Oberhaus 2020 – als perfektes Gegenteil von Boris Johnson: dröge, charismafrei, ohne Drang nach Öffentlichkeit. Sie ergänzten sich. Er machte für den Premier die Drecksarbeit in Brüssel – nur um zu erleben, wie die Ziele, die er mit dieser Drecksarbeit verband, vom Premier ignoriert wurden.
Nun ist Frost der bislang prominenteste Johnson-Fan, der aus seiner Enttäuschung die Konsequenz zieht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier