Krise des britischen Premierministers: Boris Johnson angezählt

Großbritanniens Regierungschef droht ein ähnliches Schicksal wie seiner Vorgängerin. Theresa May stolperte über den Brexit – Johnson über Corona.

Premierminister Boris Johnson weht der wind in die Haare.

Der Gegenwind wird stärker: Boris Johnson vor der Downing Street 10 am 16. Dezember Foto: Dylan Martinez/reuters

Erst zwei Jahre ist es her, da schien Boris Johnson unschlagbar. Die britischen Parlamentswahlen vom 12. Dezember 2019 gewann der konservative Premierminister mit dem besten Tory-Wahlergebnis seit Margaret Thatcher und setzte damit einer mehrjährigen politischen Instabilität unter seiner glücklosen Vorgängerin Theresa May ein Ende. Der Weg schien frei für mindestens zehn Jahre Johnson-Dominanz, mit einer fundamentalen Neuordnung der britischen Politik.

Dann kam Corona, und alle politischen Strategien lösten sich in Luft auf. Und jetzt hat Boris Johnson innerhalb weniger Tage erst die größte parteiinterne Revolte seiner Amtszeit erlitten und dann eine der größten Niederlagen bei einer parlamentarischen Nachwahl in der Geschichte. Nun steht Boris Johnson ähnlich angeschlagen da wie vor ihm Theresa May. Die blieb in ihren drei Jahren im Amt heillos im Gestrüpp des Brexit hängen.

Sie vermochte es nicht, ein Austrittsabkommen mit der EU auszuhandeln, das im eigenen Land mehrheitsfähig war. Ein ums andere Mal einigte die Premierministerin sich mit Brüssel, nur um in London im Parlament zu scheitern. Nach dem dritten Mal stürmte Boris Johnson an die Macht und bewies dann mit seinem fulminanten Wahlsieg unter der Parole „Get Brexit Done“, was er drauf hatte. Der Brexit ist nun vollzogen.

Aber an seine Stelle ist die Coronapandemie gerückt – als Dauerkrise, die in immer neuen Varianten die britische Politik überschatttet und in der sich dieser Premierminister heillos verheddert. Corona offenbart Boris Johnsons politische Schwachstellen ähnlich gnadenlos wie der Brexit die von Theresa May.

So wie May ein ums andere Mal mit einer neuen Brexit-Idee ankam und sich eine blutige Nase holte, präsentiert Boris Johnson jetzt ein ums andere Mal neue Coronastrategien und erleidet damit Schiffbruch. Beide erleben in langen quälenden Monaten, wie ihre Autorität in aller Öffentlichkeit dahinschwindet, und sind dagegen machtlos, weil sie das Problem – damals Brexit, heute Corona – nicht im Griff haben.

In beiden Fällen liegt das weniger am Inhalt als an der Person. May konnte nie den Eindruck zerstreuen, sie sei eigentlich gar nicht vom EU-Austritt überzeugt. Johnson erzeugt seit Beginn der Pandemie immer wieder den Eindruck, Seuchenbekämpfung nicht wirklich ernst zu nehmen. Die Skandale um Weihnachtspartys in Downing Street vor einem Jahr, die jetzt die Konservativen insgesamt Wählersympathien kosten, sind da nur die öffentliche Bestätigung eines begründeten Vorurteils.

Großbritanniens Tories gehen traditionell mit den eigenen Chefs unbarmherzig um. Wer nicht liefert, fliegt. Wie das mit Theresa May endete, ist bekannt. 2022 wird spannend.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.